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Wirksam trotz Krise – mit einem Publikum im Homeoffice

Musiker:innen spielen in ihren Wohnzimmern, umfassende Streaming-Plattformen sind entstanden – nach dem ersten Schock der abgesagten Tourneen, Lesereisen und Spielpläne von Kulturstätten entstand eine umfassende virtuell organisierte Kultur, die Vielen von uns Halt gibt. Den Künstler:innen in ihrer Wirksamkeit und dem Publikum in der präsenten Kraft künstlerischen Schaffens. Manch ein Abendplan richtet sich mittlerweile nach dem Auftritt von Igor Levit, der nicht nur hoch begabter Konzertpianist, sondern auch politisch aktiv ist. Die Konzerte von Levit erreichen so innerhalb eines Tages Zugriffszahlen von über 100.000 – er sagt:

„Jede dunkle Zeit hat, auch wenn nur kurze, jedoch so so wichtige, lichte Momente. Die mit Musik, das sind meine.“

Ebenfalls besonders an diesem Format ist, dass da ein Mensch, wenn auch ein außergewöhnlich talentierter, in Kapuzenpulli und Schlappen sehr nahbar in seinem Wohnzimmer am Klavier sitzend vor jedem Konzert erklärt, was hinter den von ihm spontan am jeweiligen Tag ausgesuchten Stücken steht. Er als Künstler berichtet von den Beweggründen der Auswahl und von den Geschichten, die die Klavierstücke thematisieren. Und wir als Publikum sind dabei, wenn er seinen Emotionen im Spielen freien Lauf lässt. Eine Nahbarkeit, die niemand erleben konnte, wenn er ein teures Ticket in der Elbphilharmonie erwarb.

Menschen, die qua Eintrittspreis bisher aus dieser „Hochkultur“ ausgeschlossen waren, können momentan dieser genauso frönen wie gut Situierte. Die im positiven Sinne vorhandene Gleichmacherei in Zeiten von Corona zeigt hier positive Folgen.

Gerne möchte ich mit diesem Artikel meine Erfahrungen teilen, wie ich mit dieser Situation der „gesellschaftlichen Vollbremsung“ umgehe. Denn auch mich hat Corona sowohl aus meiner empfundenen Wirksamkeit, als auch aus meiner Selbstständigkeit als Unternehmerin geworfen. Ich habe zunächst alles getan, um die Ernsthaftigkeit der Situation mittels meiner Reichweite zu verbreiten. Aber dann kam ich irgendwann an den Punkt, wo ich nicht mehr viel tun konnte, als zuhause zu bleiben. Und das war der Zeitpunkt, als innerhalb weniger Tage die Absagen kamen. Aktuell sind bis Mai alle Buchungen von Keynotes, Moderationen oder Workshops zur Schulung von Corporate Influencern abgesagt worden. Das war nach dem Schock, dass Corona sich tatsächlich auf alle Leben auswirkt, der zweite sehr einschneidende Moment.

Ich habe das umarmt und angenommen – und überlegt, wie ich mit dieser Situation am besten für mich umgehe.

Ich habe mich entschlossen, auch in der Krise und physischen Distanzierung weiter für die Verkehrswende tätig zu sein. Dafür habe ich zunächst viel Gegenwind erhalten, es sei pietätlos und unangemessen, in „so einer Zeit“ sich weiter diesem Thema zu widmen. Ich zögerte. Dann jedoch begannen große, konservative Medien, den Nahverkehr als eine Art Virenschleuder zu installieren, in einer Zeit, in der keine Pendler:innen mehr in den Bussen und Bahnen saßen, in denen bis zu 90 Prozent der Einnahmen in diesem Sektor einbrachen. Stattdessen wurde das Auto als einzig sicheres Verkehrsmittel reinstalliert. Das machte mich wütend, für Jene, die keinen Führerschein haben, für Jene, die kein Auto haben, für Jene, die kein Auto fahren können. Und die immer vergessen werden, wenn es um solche Polarisierungen geht.

Aufbau eines neuen digitalen und interaktiven Formates

Ich habe mich gefragt, was ich tun kann, um meine Themen „Mobilitätswandel, Diversität und neue Arbeitsformen“ präsent zu halten. Ohne Publikum ist das schwierig, denn viel geschieht in meinem Job durch die Begegnung und Diskussion, Beratung und Erarbeitung von Konzepten und deren Umsetzung. Das jedoch liegt nun brach – und lässt sich auch schwer „virtualisieren“. Oder anders: Diese Formate zu virtualisieren, war für mich nicht der richtige Schritt, weil er zunächst die Entwicklung dieser Formate und dann die Akquise von möglichen Kund:innen bedeutet hätte. Also wäre viel Zeit vergangen, bevor ich Wirksamkeit erlangt hätte. Ich aber wollte unmittelbar loslegen. Und so entwickelte ich die Idee von werktäglichen Livecasts bei Twitter, die ich per Videokonferenz durchführe und so auch für die „konserviere“, die live nicht dabei sein können.

Spontan sagte Marion Tiemann, die Verkehrsexpertin von Greenpeace, mir zu, mit mir einen ersten Videolivecast zu machen. Um 20.15 Uhr – also nach dem Konzert von Igor Levit und der Tagesschau. 45 Minuten erhielten wir uns darüber, warum in der Coronakrise die Klimakrise nicht diskutierbar werden darf. Warum es sich nicht widerspricht, beides hoch ernst zu nehmen. Welche Länder und Städte aktuell vorbildliche Lösungen finden, den Radverkehr zu fördern. So hat zum Beispiel die Bürgermeisterin von Bogota Auto- zu Radspuren umgewidmet, so dass auch Ungeübte sicher fahren können. Mittlerweile sind auch in Berlin solche „Corona Bike Lanes“ installiert worden, was mich sehr freut. Denn wir mussten dafür kämpfen, dass Radwerkstätten geöffnet bleiben und nicht nur Autowerkstätten als systemrelevant angesehen wurden.

Durch das Liveformat auf Twitter konnten Teilnehmende uns Fragen stellen und wir auf diese eingehen. Die Länge von 45 Minuten ist im Nachhinein gut gewählt, weil sowohl die Möglichkeit besteht, die Person als solche in ihrer Arbeit kennenzulernen, wie ihr Leben gerade durch Corona geprägt ist und wie die Situation in Sachen Klimakrise und der Rolle des Verkehrssektors eingeschätzt wird. Weitere Gäste sprachen über andere Schwerpunkte meiner Arbeit – aber aus ihrer Sicht: New Work (endlich da, durch Corona?), Diversität (ohne diese kann es keine erfolgreiche Alternative zum eigenen Auto geben, denn neue Mobilität muss alle begeistern, um genutzt zu werden), aber auch: Was sind die Herausforderungen für Führungskräfte, wenn physische Abwesenheit gelebt, aber Unternehmenskultur aufrecht erhalten werden soll.

Monetarisierung des Formates

Die Überschrift verspricht etwas mehr, als ich halten kann. Aber ich will auch mit diesem Aspekt offen umgehen. Mehrere Tausend Euro Einnahmen sind mir bisher entgangen, da Aufträge storniert wurden. Natürlich mache ich mir Gedanken – nicht nur um die Klimakrise, sondern auch um meinen eigenen finanziellen Haushalt. Ich habe 2019 sehr vorsichtig agiert, da ich noch keine Routine in meiner Selbstständigkeit aufbauen konnte, dafür ist sie noch „zu jung an Jahren“. Es ist aktuell nicht absehbar, welche Aufträge bestehen bleiben und welche weiter storniert werden müssen. Es gibt eben für alle Soloselbstständigen nicht den Moment der Gewissheit, an dem es „back to business“ heißt – und so muss auch im wahrsten Sinne des Wortes agil darüber nachgedacht werden, wie Einnahmequellen sich ändern, neue Formate entstehen müssen.

Dennoch bedurfte es mehrerer Schubser von außen und eines sehr deutlichen von Ole Reuss während unseres Livetalks, bis ich mir ein Steady-Profil zulegte. Ihn und andere brauchte es, dass ich selbst final anerkennen konnte, was ich gerade tat: Ich sorgte für allabendliche Unterhaltung mit echten Mehrwerten und baute bei Vimeo ein Expert:innen-Netzwerk auf, das auch über Corona hinaus Bestand haben wird. Steady ist eine Plattform, die von den Krautreportern ins Leben gerufen wurde. 59.000 „Mitgliedschaften“ gibt es dort bereits. Auch mir kann dort für fünf Euro im Monat wie ich sage „ein virtueller Kaffee“ spendiert werden.

„Du informierst, inspirierst und unterhältst deine Community. Und sie will dir etwas zurückgeben. Gib ihr die Möglichkeit, dich nachhaltig zu unterstützen – biete Mitgliedschaften an.“

Und darum geht es. Nicht, von dem Geld zu leben, sondern Wertschätzung für meine Arbeit zu geben. Darüber freue ich mich. Obwohl erst gerade installiert, machen das bereits über zehn Personen, mit denen ich sogar nun persönlich mailen kann. Dieser Kontakt ist zusätzlich wertvoll, weil echtes Feedback.

Deswegen auch hier der Hinweis: Ich freue mich über Mitgliedschaften, wenn meine Inhalte, Ideen und Formate Mehrwerte generieren. Klicke hier, um auf mein Steady-Profil zu kommen.

Und damit kommen wir zu dem Expert:innen-Archiv (Klick führt auf dieses), das mittlerweile Stand heute 16 Videos anbietet. Ich habe es auf Vimeo platziert, so dass die Gäste es auch selbst nutzen können, um ihre (so sie nicht festangestellt sind) Expertise zu platzieren. Interessierte Auftrageber:innen können hier Menschen finden, die sie für Keynotes, Workshops oder auch als Berater:in buchen können. Und das Beste: Die Gespräche machen nicht nur mir Spaß, wir bekommen tolles Feedback über die lockere und dennoch fachlich bestimmte Atmosphäre. Der Austausch mit mir als der

„eierlegenden Wollmilchsau der Verkehrswende“ (Zitat)

bringt nochmal andere Aspekte im Austausch zum Tragen, als es Podiumsdiskussionen mit den immer gleichen Diskutanten (und manchmal auch Diskutantinnen) können.

Fazit
Kreativität is Queen. Meine Sichtbarkeit zu pflegen, ist Teil meines Jobs. Das tue ich gerade, auch wenn es mir nicht erstes Ansinnen ist. Denn ich schätze es sehr, dass ich ein Netzwerk mit tollen Menschen habe, die alle ihren eigenen Charakter und ihre Lernreisen gerade auch während Corona offen platzieren. Es gibt gerade in diesen Zeiten manchmal täglich Täler und Höhen zu durchschreiten – beides mit Menschen zu teilen, die gerade physisch nicht an meiner Seite sein können, tut gut. Ist aber auch notwendig, um lebenswichtige und relevante Fragen unserer Gesellschaft, wie jene, der Klimakrise zu begegnen, lebendig zu halten.

Welche Herausforderungen habt ihr gerade? Wie begegnet ihr der Unmöglichkeit bestimmter Formate? Wie kompensiert ihr das notwendige Verbot, einander persönlich zu begegnen? Ich freue mich auf Diskussion und Feedback zu dem Thema!
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