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VOI und HOCHBAHN testen komplementären Mobilitätsmix

Im Sommer schlugen die Wellen hoch – eine neue Mobilitätsform eroberte vor allem die großen Städte Deutschlands und brachte Fans und Gegner gleichermaßen in Wallung: Gleich mehrere E-Scooter-Anbieter platzierten ihre Fahrzeuge im öffentlichen Raum. Und sorgten dafür, dass dieser eh schon knapp bemessene Platz noch voller wurde. Die Debatte wurde nicht um den Stadtraum an sich geführt, vielmehr ging es darum, dieser Form von  Mikromobiliät ihre Berechtigung abzusprechen. Beinahe minutiös wurden Unfälle und Fehlverhalten von E-Scooter-Nutzern medial aufbereitet – das Sommerloch wurde mit diesem Thema problemlos gefüllt. In Hamburg hat man bei der HOCHBAHN zusammen mit dem Scooter-Anbieter VOI sich davon nicht beirren lassen: Hier wird seit Juli an zwei Schnellbahnhaltestellen in Berne und Poppenbüttel getestet, ob durch Mikromobilität die erste und letzte Meile in Kombination mit dem ÖPNV-Angebot Autofahrten ersetzen kann. Ich habe mich mit Projektleiter Sebastian Hofer vor Ort getroffen, um mir das genauer anzuschauen.

Fahrt nach Berne

Wir treffen uns am Hauptbahnhof, um mit der U-Bahn nach Berne zu fahren – einem der zwei Standorte am Stadtrand der Hansestadt, die für den bis zum Jahresende laufenden Test ausgesucht wurden. „Wir haben uns vor dem Start sehr genau damit beschäftigt, welche Haltestellen geeignet sind. Wichtig war uns eine breite Verknüpfung vor Ort, von Bus- und Schnellbahn über Bike&Ride und Park&Ride-Möglichkeiten“, erläutert Hofer das Auswahlverfahren. Aus dieser Analyse entstand ein Überblick über die verschiedenen Qualitätsstufen von Haltestellen und ihre Bedeutung für weitere Pendlerbeziehungen in umgebende Gebiete hinein. Auch für VOI ist es das erste Projekt dieser Art, denn bisher finden sich die E-Scooter vor allem in städtischen Räumen und nicht in Stadtrandlagen. Demensprechend wichtig war auch das begleitende Marketing für das neue Angebot: Schon bei Ausstieg aus der Bahn zeigen auffällige Bodenaufkleber und Fahnen an den Geländern den Weg zu den E-Scootern, die vor der Haltestelle auf ihre Nutzer warten. Mit uns steigen viele Fahrgäste aus, gleich fünf von ihnen gehen zielstrebig auf die Scooter zu, entsperren sie und fahren davon. Und auch während unserer Zeit vor Ort setzen immer wieder Fahrgäste mithilfe der Scooter ihre Wege fort. 100 Scooter hat VOI für dieses Pilotprojekt zur Verfügung gestellt. Die beiden Stadtrandgebiete entsprechen in Größe und Nachfrage dabei interessanterweise mittlerweile dem der Innenstadtnutzung.

Qualität der Abstellung wichtig

Klare Bedingung für den Betrieb vor Ort war eine hochwertige Abstellanlage, um geordnete Raumverhältnisse an den Schnellbahnstationen zu gewährleisten. Da deutsche Stadtmobiliaranbieter für diesen Zweck keine Lösung anbieten konnten, stehen nun jeweils 30 Abstellbügel vom schwedischen Hersteller Glänta vor Ort. Der Platz für diese Racks wurde durch Auflösung von Parkplätzen gewonnen. Hier können nun rund um die Uhr E-Scooter abgeholt sowie nach der Nutzung wieder abgestellt werden. Jeden Morgen ab 6.30 Uhr stehen in den Wohngebieten an ausgewählten und entsprechend der Nutzung variablen Sammelplätzen E-Scooter bereit. Für die Dauer der Pilotphase erhielten Anwohnerinnen und Anwohner sowie HVV-Kunden Vergünstigungen: Für sie entfiel zum Start die übliche Entsperrgebühr von einem Euro je Leihe und sie konnten sich monatlich eines von 500 Kontingenten von 100 Freiminuten sichern. Aktuell – nach Ausweitung des Betriebsgebietes und Aufstockung der Flotte – gibt es noch die Freikontingente. „Das betriebliche Handling obliegt komplett VOI, die HOCHBAHN hat bei der Standortauswahl beraten und geeignete Abstellflächen zugänglich gemacht“, sagt Hofer.

Erfolg hat alle überrascht

„Schon nach drei Monaten haben wir das Angebot aufgestockt und das Gebiet erweitert. Wir waren positiv überrascht, wie groß die Nachfrage war“, führt Hofer weiter aus. Über 20 000 Fahrten wurden seit Juli zurückgelegt – das waren doppelt so viele wie erwartet. Am häufigsten genutzt werden die E-Scooter werktags zwischen 16 und 20 Uhr – allein im für 4 000 Fahrten und damit mehr als die Hälfte aller Fahrten des Monats. Deutlich schwächer fällt die morgendliche Nutzung an Werktagen zwischen 7 und 11 Uhr aus. Hier kommen nur knapp 900 Fahrten zusammen. Einer Nutzerbefragung zeigte, dass dies vor allem an der Planbarkeit auf dem Weg zur Haltestelle sowie an der Lage der Sammelpunkte der E-Scooter (sogenannte Hubs) in den Wohngebieten lag. Diese Erkenntnisse wurden von VOI aufgenommen. Es ist geplant, bei der Auswahl dieser Hubs für die letzten zwei Monate des Pilotbetriebes nachzusteuern.

Pendler nehmen Angebot gut an

Vier Fünftel der Nutzer verwenden die E-Scooter zum Pendeln von und zum Bahnhof, das zeigt der Anteil werktäglicher Fahrten in den Morgenstunden (23 Prozent) und Abendstunden (34 Prozent), die an den Haltestellen enden oder beginnen. In Berne gibt es z. B. Gewerbegebiete und Schulen, die über einen längeren Fußweg oder eine Buslinie erreicht werden könnten. Hier bevorzugen jedoch manche noch das Auto, um Zeit zu sparen. Der E-Scooter in Verbindung mit dem System der HOCHBAHN kann sich hier zu einer echten Alternative entwickeln. „Und genau um diese ersten kleinen Schritte geht es uns. Wir beobachten das Projekt sehr genau, werten die Daten aus und auch VOI ist sehr daran interessiert, aktuell nach Kundenbedürfnissen reagieren zu können. Wir lernen viel aus diesem Angebot“, fasst Hofer zusammen. Das Angebot endet geplant Ende des Jahres. Der Jahreswechsel wird genutzt, um die gewonnenen Erkenntnisse zu beurteilen und zu entscheiden, ob und wie es mit diesem Mikromobilitätsangebot im neuen Jahr weitergehen wird.

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