Mein Beitrag zum #Autogipfel bei Deutschlandfunk Kultur

Auf dem Autogipfel trifft sich die Kanzlerin mal wieder mit Vertretern der Industrie, um ökologische Fragen anzugehen und trotzdem Autoland zu bleiben. Mit einer echten Verkehrswende hat das nichts zu tun, findet die Mobilitätsexpertin Katja Diehl.

Seit dem Autogipfel 2020, bei dem es kurz möglich schien, dass es eine neue Auflage der Abwrackprämie geben könnte, nenne ich mich Zukunftsaktivistin. Zuvor hatte ich mich immer gegen den Begriff des Aktivismus gewehrt, da ich mich eher als objektive Expertin für Mobilität sehe.

Mit dem Recycling der ideenlosen Prämie – und man kann sicher sein, dass sie wieder kommt – wurde ich zur Aktivistin einer Verkehrswende. Sie braucht Unterstützung, denn entgegen aller Behauptungen, Slogans und Kongresse: Die Verkehrswende hat in Deutschland noch nicht mal begonnen.

Die unerfüllten Versprechen des ersten Autogipfels

Bis heute gab es im Kanzlerinnenamt nur Autogipfel und damit die Zusammenkunft von ausschließlich einer Industrie, einer Lobby mit den höchsten Amtsträgerinnen und –trägern unseres Landes. Eine Verkehrswende kann jedoch nicht stattfinden, wenn nicht alle an Mobilität beteiligten Gruppen an diesem Tisch sitzen.

Erinnern Sie sich noch an den ersten Autogipfel und seine Versprechen? Das war im Mai 2010. Dort wurde die „Nationale Plattform Elektromobilität“ gegründet. Schon damals hatte unsere Kanzlerin wohl das Gefühl, dass die oft als Schlüsselindustrie bezeichnete Autobranche ohne Hilfe nicht zum Teil einer klimagerechten Verkehrswende wird.

Versprochen wurden damals eine Million Elektroautos bis 2020, erreicht wurde in diesem Jahrzehnt gerade einmal ein Viertel. Gleichzeitig stieg der Bestand an Autos insgesamt um acht Millionen auf heute knapp 49 Millionen PKW an. In einem Land mit 83 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern.

Konzentration auf Antriebstechnik und PKW

Die Verkehrswende hat in Deutschland noch nicht begonnen. Weil die Konzentration auf Antriebstechnik und den PKW als zentrales Transportmittel nachweislich weder richtig noch visionär war. Im Gegenteil. Visionär wäre es, eine möglichst breite Wahlfreiheit zu garantieren. Also jedem Deutschen die Möglichkeit zu geben, die eigene Mobilität zu gestalten. Aktuell können sich viele ein Leben ohne Auto nicht vorstellen. Aber liegt das daran, dass die meisten von ihnen Auto fahren wollen oder Auto fahren müssen?

Die Verkehrswende hat in Deutschland noch nicht begonnen. Weil bis heute die notwendigen gesetzlichen Rahmenbedingungen fehlen. Diese sind für die Verkehrswende dringend erforderlich, weil es sowohl in der Industrie als auch bei den Konsumentinnen und Konsumenten nicht von selbst zum Umsteuern kommen wird. Mobilität verändert sich nur durch Einflüsse von außen, nicht durch Einsicht. Das heißt zum Beispiel, dass sich werdende Eltern aus Angst um ihre Kinder im alltäglichen Straßenverkehr oft ein Auto anschaffen. Und damit die Basis einer ungesunden Mobilität dieser Kinder legen, weil sie bewegt werden, statt sich zu bewegen.

Falsche Subventionspolitik

Die Verkehrswende hat in Deutschland noch nicht begonnen. Weil es weiterhin sehr viele klimaschädliche Subventionen gibt, die es unattraktiv machen, aus dem Auto auszusteigen. Das Dienstwagenprivileg sorgt dafür, dass gewerbliche Flotten immer mehr wachsen, auch weil etwa das Angebot eines freien Mobilitätsbudgets steuerlich viel komplizierter ist.

Die niedrigen Steuern auf Diesel und Kerosin und die Intransparenz der Folgekosten von PKW-Verkehr, die auf über 140 Milliarden Euro im Jahr geschätzt werden, tun ihr Übriges. Obwohl ein Auto sich in Deutschland nur 45 Minuten am Tag bewegt, ist es weiterhin im Fokus unserer Verkehrspolitik.

Für eine wahlfreie Mobilität

Meine These: Die Bevölkerung ist schon sehr viel weiter. Viele Menschen würden die 300 Euro, die ein Mittelklassewagen durchschnittlich im Monat an Kosten verursacht, gern flexibler einsetzen als nur für eine Mobilitätsform, die überdimensioniert und klimaschädlich ist.

Eine Verkehrswende hin zu einer wahlfreien, klima- und sozial gerechten Mobilität lohnt sich. Nicht nur im Sinne einer guten Gesellschaft, die resilient ist gegenüber den Herausforderungen einer globalen Zukunft, sondern auch wirtschaftlich durch Vermeidung von Folgekosten durch Klimaschäden und Krankheit.

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