Na? Erkannt? Die Herren sind mit mir gealtert – den Song brachten die Fantastischen 4 in meinem Abijahr heraus. Er war Aufruf zur Rebellion, zum „Ich-Sein“, aber vor allem zum „Ich-Bleiben“. Ich habe in den letzten Tagen mehrere Veranstaltungen als Gast besucht, stand mal nicht auf der Bühne – und durfte dennoch zu „meinen Themen“ Stellung beziehen, bei Gesprächen am Kaffeetisch oder am Buffet. Diese Unterhaltungen, die weit außerhalb meiner Blase stattfanden, waren z. T. sehr ernüchternd. Vielleicht kam mir der Song auch deswegen in den Sinn.
Dann seh‘ ich mir die andern an und denk‘: Wo wollen sie hin? Was ist der Sinn und was kommt dann und warum bin ich mittendrin?
Das dachte ich mir oft in den Zeiten, als ich für die richtigen Dinge in den falschen Systemen gearbeitet habe. Ich habe wohl gerade auch wegen eigener Erfahrung als Frau in Männerdomänen, dass es da ein Problem gibt, wenn du „die Einzige“ bist. Ich musste anerkennen, dass es da immer noch Mechaniken von Strukturen gibt, deren Ende hoffentlich allmählich absehbar ist. Auszusteigen fühlte sich gut an, denn ich arbeite immer noch für die richtigen Dinge, aber auch für die richtigen Arbeitgeber:innen, Kund:innen – und ja: Ich empfinde es als Freiheit, „nein“ sagen zu können, wenn mein Bauch danach verlangt. Und diese Freiheit gönne ich allen, die sich aktuell noch als „Misfit“ fühlen. Die damit kämpfen, sich fehl am Platz zu fühlen oder – noch schlimmer – mit den Dingen, die sie auszeichnen, nicht gewünscht zu sein. Ein Arbeitstag kann lang werden, wenn er gegen die eigenen Werte und Normen oder gar das eigene Selbst-Bewusstsein wirkt.
„Wir retten die Welt“, sag´ ich und werd‘ ausgelacht. Doch wenn das alle denken würden, hätten wir’s schon längst gemacht.
Daher sehe ich mich als Multiplikatorin. Nicht Jede (und das ist mein erster Schritt zur Diversität: Das Sichtbarmachen und Bestärken von kompetenten Frauen) soll wie ich über ein Jahrzehnt benötigen, um toxische Umgebungen zu erkennen und zu verlassen. Denn sie zu verändern kostet mehr als dass es sich auszahlt. Frauen sprechen mich nach Keynotes an und sprechen sehr zurückhaltend über ihre eigene Situation, die leider derjenigen gleicht, die ich verlassen habe. Männer betonen, dass sie es anders und damit besser machen. Natürlich macht ihr das! Aber an vielen Machtpositionen sitzen noch so genannte Führungskräfte, die mit Menschen nicht viel anfangen können. Die sich vielleicht auch selbst in dieser Rolle nicht wohlfühlen – aber nur durch diese Macht, Dienstreisen, Auto und Geld bekommen.
Das zum Status Quo. Zurück ans Buffett. Da kommt es schnell zur Diskussion. Mit jungen Männern in den ersten Berufsjahren, ohne Leitungsfunktion – und ohne Erfahrungen von Diskriminierung. Die mir sagen, dass sie nicht glauben, dass es sich nicht von selbst reguliert, das System, was andere Patriarchat nennen. Sie glauben an Talent, das sich durchsetzt, das es auch ohne Quoten schafft. Auf die Frage, wie sie sich dann erklären, dass Frauen trotz gleich guter Ausbildung immer noch so selten in den Machtgremien dieser Republik landen, geraten sie etwas ins Straucheln. Und mutmaßen: Vielleicht wollen Frauen ja gar die Jobs machen.
Und damit komme ich zum: „Ist es normal, nur weil alle es tun?“
Müssen wir den Status Quo erdulden, bis durch welche biologischen, soziologische, historischen Effekte auch immer die Gleichberechtigung von selbst kommt? Oder müssen wir allmählich zugeben, dass es der Hilfe bedarf. Der temporären Quote oder (wie bei den Berliner Verkehrsbetrieben) finanziellen Anreizen für Steigerung von Diversität. Das hat nämlich gewirkt. Komisch oder? Dort, wo es vorher hieß, dass es keine geeigneten Frauen für die Jobs gibt, waren sie auf einmal doch auffindbar. Wegen: GELD.
Wie sagte eine Politikerin so treffend:
„Die Herren glauben doch nicht ernsthaft, dass eine vorübergehende Quote grenzdebile Frauen an die Macht bringt!“
Ich habe durch meine Sichtbarkeit viele Kontakte zu Frauen, die mir mit ihren Geschichten zeigen, dass wir noch ganz am Anfang der echten Gleichberechtigung stehen. Ziel ist natürlich ein Zustand, wo nur das Talent für einen Job zählt. Und ja! Ich habe auch Kontakt zu vielen Männern, die sich mit überkommenen beruflichen Rahmenbedingungen unwohl fühlen, bei Familiengründung paritätisch mit ihrer Frau verantwortlich sein wollen – das aber nicht können, weil die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen auch sie zu sehr festlegen. Ein Bekannter von mir wurde nach einem Jobwechsel als „Loser“ und „Schlappschwanz“ von seinen Kollegen bezeichnet, weil er eine Beförderung zur Führungskraft ablehnte. Er hat sich diese Entscheidung gut überlegt und ist damit bis heute „fein“ – viele seiner Kollegen fanden es lachhaft, über diesen Schritt, der mehr Geld und Teamverantwortung bedeutet hätte, nachzudenken. Wer von ihnen hat Recht? Der, der die Macht annimmt – oder der, der seinem Selbst vertraut? Und warum ist nicht beides ok?
Abschließend kann ich nur sagen: Es ist NICHT normal, nur weil alle es tun. Wir brauchen den offenen Diskurs aller aufrichtig am Wandel Interessierten – denn Gegner:innen wird es immer geben. Ich habe sehr viel zu unsconscious bias und anderen Dingen gelesen – und kann nur sagen: Ich bin privilegiert, ich bin weiß und habe eine gute Ausbildung in Deutschland genossen. Das Setting, das ich mitbringe, hält mich von Erfahrungen wie Rassismus fern. Würde ich deshalb behaupten, dass es keinen Rassismus gibt? Nie im Leben! Dies bei Diskrimierung aufgrund eigener „Nicht-Erfahrung“ zu beurteilen, maßen sich jedoch Männern und Frauen an, die Frauen vorwerfen, nur zu wenig Self Empowerment zu betreiben. Irgendwie selbst schuld zu sein, wenn die Karriere nicht voran geht. Ich empfehle hier gern die Arbeit von der Allbright-Stiftung, das Stöbern bei der Malisa-Stiftung – oder auch einfach nur ein offenes Ohr, das Schaffen einer vertraulichen Atmosphäre im eigenen Büro, die dafür Sorge trägt, dass Männer wie Frauen sich öffnen können – und als die Person akzeptiert werden, die sie sind. Natürlich passt es nicht immer. Natürlich wird dadurch nicht alles gut. Aber Kommunikation macht aus Gefühltem etwas Nah- und Greifbares, und es damit vielleicht sogar überwindbar.
Okay dann lass mich der sein, der dir Leben bringt – wirfst du die Vorurteile weg, dann weiß ich, dass es mir gelingt.
Wie sehen Sie das? Ist es normal, nur weil alle es tun? Wollen wir uns weiter wie „alle“ verhalten, um im Fischschwarm nicht aufzufallen? Oder kann es sogar echter Gewinn sein, sich zwischen grauer Masse (wenn diese bewusst gewählt wird, muss das auch ok sein!) oder buntem Hering zu entscheiden?
Schreibe einen Kommentar