Hier geht es zum gesamten Interview.
Sie sind Speakerin in Sachen Verkehrswende, Bestsellerautorin und Host des She drives mobility-Podcasts. Außerdem beraten Sie die österreichischen Klimaschutzministerin und den Verkehrsminister von Baden-Württemberg. Manche bezeichnen Sie auch als Suffragette der Mobilitätswende. Wie stellen Sie sich am liebsten selbst vor?
Am liebsten sage ich einfach: Ich bin Katja, ich möchte die Welt verbessern und konzentriere mich dabei auf die Mobilitätswende.
In Ihrem Buch Autokorrektur. Mobilität für eine lebenswerte Welt haben Sie das Ziel formuliert: „Jede und jeder soll das Recht haben, ein Leben ohne eigenes Auto zu führen“. Was meinen Sie konkret damit?
Ich habe für das Buch mehr als 60 Leute interviewt. Dabei habe ich gelernt: Viele Menschen sitzen nicht im Auto, weil es ihnen Spaß macht, sondern weil sie keine Alternativen haben.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Da ist die Alleinerziehende, die ihr Auto gerne verkaufen und lieber den ÖPNV nutzen würde. Seit 20 Jahren wird ihr versprochen, dass ihr Ort an eine Bahnstrecke angebunden wird. Bekommen hat sie eine Autobahn. Sie fühlt sich, wie viele andere, von dem Argument vieler Politikerinnen und Politiker missbraucht, dass alle Menschen gerne Auto fahren wollen. Etwa 26 Millionen Menschen (die Hälfte davon sind Kinder und Jugendliche) haben gar keinen Führerschein. Diese Menschen werden meist bei Debatten über Mobilität übersehen.
Welche Gründe gibt es noch, dass Menschen Auto fahren, obwohl sie lieber anders mobil wären?
Bestimmte Personengruppen – etwa Frauen, Transpersonen, BIPoC (Anm. d. Red.: Black, Indigenous and People of Colour) – fahren Auto, um sexistischen und rassistischen Übergriffen aus dem Weg zu gehen. Sie würden auf den privaten Pkw verzichten, wenn der öffentliche Raum sicher wäre. Menschen mit Behinderungen sind auf das Auto angewiesen, weil öffentliche Verkehrsmittel häufig nicht barrierefrei sind. Ich verstehe mich als Anwältin derer, die gegen ihren Willen Auto fahren, die keinen Führerschein haben oder sich kein Auto leisten können.
Ihnen wird häufig unterstellt, dass Sie Autos hassen. Stimmt aber gar nicht, oder?
Ein Auto ist doch nur ein Ding aus Blech, das kann ich nicht hassen. Wenn ich mal ein Auto brauche, leihe ich mir eins. Ich muss also nicht auf Automobilität verzichten. Das Problem ist der private Autobesitz: Es gibt in Deutschland mehr als einen Pkw pro Haushalt. Der durchschnittliche Pkw wird drei Prozent am Tag bewegt, das sind nicht mal 45 Minuten. Den Rest des Tages steht das Auto – und verdient somit eher den Namen Im-Weg-Stehzeug statt Fahrzeug.
Sie kämpfen für eine feministische und inklusive Verkehrswende. Woran können wir sehen, dass unser Verkehrssystem ungerecht ist?
Die Stadt- und Verkehrsplanung ist seit den 1950er Jahren auf das Auto und den Mann, den Ernährer, ausgerichtet, der mit dem Pkw morgens zur Arbeit fährt und abends zurückkommt. Die Frauen machten ihre Wege eher „unsichtbar“, sie machen mehr Wegeketten – zu Fuß, mit dem Fahrrad oder mit dem Bus. Bis heute gehen Frauen häufiger zu Fuß und nutzen öfter das Fahrrad. Das Fahrrad ist übrigens ein sehr feministisches Verkehrsmittel. Und jetzt sind wir wieder bei den Suffragetten, die in England am Anfang des 20. Jahrhunderts für ein allgemeines Frauenwahlrecht eintraten – und Fahrrad fuhren; das war damals für Frauen unüblich und ein politischer Akt gegen das Patriarchat. Das Fahrrad bedeutete Freiheit.
Apropos Fahrrad. Welche Rolle spielt für Sie das Fahrrad bei der Verkehrswende?
Eine ganz entscheidende. Das Fahrrad könnte einen großen Beitrag zur Verkehrswende leisten, wenn die Infrastruktur nicht nur auf Autos ausgerichtet wäre. Es gibt sehr viele Menschen, die gerne Fahrrad fahren würden, aber sich nicht sicher fühlen. Ich setze mich dafür ein, dass die Straßen sicherer werden und dafür, den Autos Platz wegzunehmen und ihn umzuwidmen – als Fuß- und Radweg.
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