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Das Schweigen der Männer – warum hat die Verkehrswende noch nicht begonnen? Ein Rant.

Es reicht.
Der Verkehrssektor hat steigenden Emissionen, der Verkehrsminister muss nachbessern, liefert drei Seiten, die der Expert:innenrat ablehnt, anzuschauen, weil diese „Pläne“ mit „mehr Homeoffice“ und „mehr Rad“ völlig diffus bleibt und nicht an die Wurzel geht: Den Autoverkehr deutlich zu reduzieren. Das Auto scheint schützenswerter als eine gute Zukunft für alle, jedwede Käferart und der Mensch an sich. Oder auch als das Ziel von Vision Zero (keine Verkehrstoten mehr) und wahlfreier Mobilität für alle.

Ich habe mein Buch geschrieben, weil ich mit allen Fakten, die deutlich aufzeigen, wie wichtig die Transformation autozentrierter Politik, Gesellschaft und Mobilität ist, nicht weiterkomme. Seit Jahren. Die Autos werden immer größer, mit immer weniger Personen an Bord (im beruflichen Pendelverkehr sind es 1,057 Personen) und es werden immer mehr. Auch 2021 sind die Zulassungszahlen wieder gestiegen. In einer Gesellschaft, in der 26 Millionen Deutsche (Kinder und Erwachsene ohne Führerschein) keinen Zugriff auf aktive Automobilität haben, fahren wir grad auf 49 Millionen private Pkw zu. 95 Gramm CO2 pro Kilometer wären diesen Pkw erlaubt, 122 Gramm sind es aktuell. Das liegt auch daran, dass mittlerweile 40 Prozent der Neuzulassungen SUVs sind – und die meisten von ihnen noch mit fossilen Treibstoffen fahren.

Ein Datenjournalist der ZEIT – Christian Endt – hat mit anderen hergeleitet, dass, wenn Deutschland die Pariser Klimaziele ernstnehmen würde, wir nur noch bis 2025 Verbrenner bauen dürften. Darüber hinaus redet kein Mensch darüber, dass wir diesen riesigen Autobestand endlich abbauen müssen, um Raum, Ruhe und resiliente Räume zurückzugewinnen. Für Menschen!

Ich beziehe mich auf Videos, die während einer Veranstaltung der Friedrich-Naumann-Stiftung, einer FDP-nahen Stiftung, entstanden. Volker Wissing war hier auf dem Podium, hielt aber auch eine Rede. Die mich verwirrte und entsetzte, weil sie aufzeigt, wie sehr er auf das Auto fixiert ist. Er liest steigende Zulassungszahlen nicht als Versagen seiner Politik, sondern als Erfolg des Produktes Auto. Und er redet über meine Perle, meine Stadt, die ich zukunftsfähig gestalten will und die mit Anjes Tjarks einen Verkehrs- und Mobilitätswendesenator hat, der Großes vor hat. „Die Hamburger“ – so Wissing auf diesem Panel – hätten gesagt, sie wollen von 800.000 runter auf 300.000 Pkw. Was ich persönlich ja gut finde! Endlich konkrete Ziele!
Die Maßnahmen? Tempo 30, Parkplätze abbauen, Parkhäuser stilllegen (??), City-Maut.
Wissing schafft dann „wirren“ Zusammenhang zu ländlichen Strukturen und endet mit:
„So halten wir die Gesellschaft ja nicht zusammen.“

Was ja bedeuten würde, dass die aktuelle Autofixierung die Gesellschaft zusammenhält. Und das schließt dann den Kreis (leider) zu vielen anderen Narrativen der FDP, die „Spaltung“ vermeiden will, indem sie Privilegien weniger schützt. Anstatt die Chance der multiplen Krisen zu sehen, von Grund auf eine gerechtere und sozialere Gesellschaftsstruktur zu etablieren – AUCH in der Mobilität.

Dieses Video zeigt die Kraft von Social Media. Bei allen Nachteilen, die diese sonst auch mit sich bringen:
Früher wären solche Äußerungen im „closed room“ geblieben.
Heute erfahren wir, was Minister denken und wie sie handeln wollen.
Brutal für alle, die seit Jahrzehnten ehrenamtlich, aber auch beruflich an der Mobilitätswende arbeiten.

Und dann komme ich zur Zerrissenheit meiner Rolle: Auf der einen Seite die „Linken“, denen ich zu industriefreundlich bin, weil ich auch mit Auto“menschen“ spreche – auf der anderen Seite die „Elektroautofans“, die mich als eine Person lese, die das Auto hasst und Diesel Dieter zum Kauf von Fossilautos dränge.

Mein Wunsch: Wahlfreie Mobilität, nicht einfach Antriebe auszutauschen und eine Photovoltaikanlage auf dem Dach zu haben, sondern einen Umbau von Räumen zu lebenswerten Räumen und einer Mobilität im Sinne einer sicheren, bezahlbaren und barrierefreien Mobilität. That´s it. Was denkst du?

3 Gedanken zu „Das Schweigen der Männer – warum hat die Verkehrswende noch nicht begonnen? Ein Rant.“

  1. Hallo,
    dass die FDP von den neoliberalen kapitalistischen Dogmen nie lassen wird, ist klar (da ist sie nicht die einzige, aber die schlimmste). Das Wahlprogramm, das zur Lösung der Probleme nur die unsäglichen „Innovationen“ beschwört, war doch ein Offenbarungseid. Spätestens als Wissing dann das Verkehrsressort bekam, war klar, dass im Verkehr nicht nur NICHTS passieren würde, sondern noch genau das GEGENTEIL von dem was nötig wäre.
    Schlimmer ist, dass die Grünen längst zur neoliberalen Partei geworden sind, und der Zusammenbruch der Linken. Irgendein Infragestellen der aktuellen Systeme findet in der Politik nicht (mehr) statt. Am Wahlabend war klar, dass die kleine Chance, dass die Regierung der letzten Chance diese Chance nicht völlig verspielen würde, unwideruflich vorbei war.

    1. Danke für Ihr Feedback. Bei aller Kritik, die auch ich an den Grünen habe: Keiner Partei ist es bisher gelungen, so viel nach vorne zu bewegen – vor allem nicht nach 16 Jahren Merkelstillstand.

  2. Vom Grundsatz her hat Frau Diehl recht. Aber ALLE Vorschläge lassen sich nur auf demokratischem Wege und dann auch nur mit eindeutigen Mehrheiten durchsetzen. Einfach nur anordnen funktioniert nicht mehr.
    Ich sehe da so schnell keine Lösung.

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