Katja schaut in die Kamera. Sie trägt ein schwarzes Oberteil. Darüber in weiß: Stadtbild? Merz.

Wenn „Stadtbild“ zum Kampfbegriff wird: über die schleichende Normalisierung rechter Sprache

Mir wird immer wieder gesagt: Katja, du würdest mehr Geld verdienen, wenn du dich auf Mobilität beschränkst. Mag sein. Aber wenn Medienversagen unkommentiert bleibt, bleibe ich lieber „arm“.

Was zur Hölle ist mit unseren Medien los, dass ich folgendes nicht lese, sondern per Zufall bei Phoenix sehe?

Markus Söder fordert, dass sich „das Stadtbild wieder verändern“ müsse. Gestern dann Friedrich Merz in Brandenburg: „Wir haben natürlich immer im Stadtbild noch dieses Problem“ – und meint damit explizit Migration, für die es „Rückführungen in sehr großem Umfang“ brauche.

„Stadtbild“ – ein Begriff, den wir seit Jahren von der AfD kennen. Jetzt übernehmen ihn Ministerpräsidenten und der Bundeskanzler. Nicht aus Versehen. Sondern strategisch.

Warum ist das gefährlich?

Weil Sprache Wirklichkeit schafft. Wer von „Stadtbild“ spricht, definiert Menschen als Störfaktor im öffentlichen Raum. Als optisches Problem. Als etwas, das „wieder verschwinden“ muss. Es geht nicht um Politik, sondern um Ästhetik der Exklusion.

Die Anbiederung nach rechts funktioniert nicht – Rechte wählen immer das Original. Aber rechte Begriffe werden so bagatellisiert und Teil unseres Alltags. Die Grenzen des Sagbaren verschieben immer auch die Grenzen des Machbaren.

Die Folgen sehen wir bereits in den Statistiken: Rassistische Übergriffe im öffentlichen Raum nehmen massiv zu. Antisemitismus steigt. Menschen werden angegriffen, weil sie nicht ins „gewünschte Stadtbild“ passen.

Woran erinnern diese Formulierungen?

Genau – an die Recherchen von correctiv zum Geheimplan gegen Deutschland.

Sellner ergreift das Wort. Er erklärt das Konzept im Verlauf des Vortrages so: Es gebe drei Zielgruppen der Migration, die Deutschland verlassen sollten. Oder, wie er sagt, „um die Ansiedlung von Ausländern rückabzuwickeln“. Er zählt auf, wen er meint: Asylbewerber, Ausländer mit Bleiberecht – und „nicht assimilierte Staatsbürger“. Letztere seien aus seiner Sicht das größte „Problem“. Anders gesagt: Sellner spaltet das Volk auf in diejenigen, die unbehelligt in Deutschland leben sollen und diejenigen, für die dieses Grundrecht nicht gelten soll.

Im Grunde laufen die Gedankenspiele an diesem Tag alle auf eines hinaus: Menschen sollen aus Deutschland verdrängt werden können, wenn sie die vermeintlich falsche Hautfarbe oder Herkunft haben – und aus Sicht von Menschen wie Sellner nicht ausreichend „assimiliert“ sind. Auch wenn sie deutsche Staatsbürger sind. Es ist gegen die Existenz von Menschen in diesem Land gerichtet.

Im Raum ist auch der AfD-Fraktionsvorsitzende in Sachsen-Anhalt, Ulrich Siegmund. Er wird später noch auftreten, um für Geldspenden zu werben. Er ist mächtig in seiner Partei, auch weil sein Landesverband hohe Zustimmungsraten hat. Sein Verkaufsargument, ganz im Sinn des „Masterplans“: Das Straßenbild müsse sich ändern, ausländische Restaurants unter Druck gesetzt werden. Es solle in Sachsen-Anhalt „für dieses Klientel möglichst unattraktiv sein zu leben“. Und das könne man sehr einfach realisieren. Seine Äußerungen könnten schon bei der nächsten Wahl Konsequenzen haben.

Merz bedauerte übrigens in derselben Pressekonferenz, dass die Abstimmung mit der AfD im Januar gescheitert sei. Es wäre nach seiner „festen Überzeugung“ einfacher gewesen. Der Kontext lässt nur einen Schluss zu.

Und wer berichtet darüber? Ein österreichisches Medium. Eines.

Das ist Medienversagen. Wenn der Kanzler rechtsextreme Sprache normalisiert und Abschiebungen mit „Stadtbildpflege“ legitimiert, dann ist das keine Randnotiz. Dann ist das der Kern dessen, was gerade mit unserer Demokratie passiert.

Deshalb werde ich weiter darüber sprechen – auch wenn es mir finanziell schadet. Denn manche Dinge sind wichtiger als Algorithmen und Reichweite.


Würdet ihr bei diesem Thema auch schweigen?

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6 Antworten zu „Wenn „Stadtbild“ zum Kampfbegriff wird: über die schleichende Normalisierung rechter Sprache“

  1. Avatar von Benedikt

    Wir sind vor fünf Jahren aus Sachsen-Anhalt weggezogen. Zwar gibt es mit Halle und Magdeburg noch zwei Städte, wo wir uns wohlgefühlt haben, aber in den Kleinstädten sieht es finster aus.

    Eigentlich sollte die Bevölkerung sich über jeden Menschen „diesen Klientels“ freuen, denn ohne sie wären diese Städte noch toter als sie es ohnehin schon sind. Stattdessen ist der Rassismus weit verbreitet.


    1. schlimm ist auch die Bagatellisierung, das Schweigen von Medien und Gesellschaft zu solch rassistischen Takes.


  2. Avatar von Spürmeise
    Spürmeise

    Aber selbst im Mobilitätsbereich stinken dem Söder dann verbesserte Stadtbilder, hier etwa die beschlossenen Planungen des seit Jahrzehnten leider „abgenutzten“ Nürnberger Plärrers: https://www.nuernberg.de/internet/stadtportal/plaerrer.html . Söder echauffiert sich darüber, dass in Richtung Norden abbiegende Kfz-Fahrer dann erstmal etwa 100 Meter „Umweg“ fahren müssten, so dass an diesem Verkehrsknoten eben die neuen barrierefreien Straßenbahn-Bahnsteige und erstmals Radwege hinpassen. An einem anderen Ende der Stadt wünscht er sich eine separate PKW-Linksabbiegerspur statt der Straßenbahntrasse, damit sein Chauffeur den Drive-In-Brezelbäcker dort schnell erreichen kann.


    1. Wow, das ist wirklich eine deutliche Facette und Erweiterung, WIE problematisch das alles ist. Danke für den Einblick!!


  3. Avatar von Frank Kitz
    Frank Kitz

    Die politische Entwicklung, insbesondere aber die Richtung, in welche sich cdu csu bewegen, ist ein Armutszeugnis, vor allem derer Klientel.
    Mein Austritt aus der cdu, war schon vor Jahren, der richtige Schritt.

    Ein afd Verbot muss angestrebt werden, nach dem Verbot dieser rechtsnationalen antidemokratischen Partei sind Neuwahlen m.E. vorstellbar.


    1. danke für deine Einordnung!


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