Screenshot des Artikels, das Bild zeigt zwei Kinder in Regenkleidung mit roten Marienkäferregenschirmen.

Stop de kindermoord!

„Berliner Verwaltung gegen Tempo 30: Senat will schnelleren Autoverkehr vor Kitas und Altenheimen.

Auf Hauptstraßen gilt vor Einrichtungen wie Schulen und Krankenhäusern Tempo 30. Jetzt setzt die Verkehrsbehörde auf mehr Tempo 50. Proteste plant sie ein.“

So titelt heute der Tagesspiegel.

Weiter unten im Text der Hinweis:

37 Menschen starben seit Beginn dieses Jahres im Berliner Straßenverkehr.

Die Niederlande haben ihre großartige Radwegeinfrastruktur erkämpft.

Ist es an der Zeit, dass auch wir uns endlich wehren?

Acht Verkehrstote am Tag, über 1.000 bis zu Schwerstverletzte – täglich!

„Stop de kindermoord“ hieß die Kampagne, die in den 1970ern die Weichen im ebenso autoverrückten Nachbarland so stellen, dass Menschen auch ohne Auto sicher unterwegs sein können. 1972 war das tödlichste Jahr auf niederländischen Straßen: über 3.200 Tote, darunter 400 Kinder. Initialpunkt war ein Vater, der seine Tochter verlor – aber ihm schlossen sich schnell unzählige weitere an. Ziel der Kampagne war es, die Verkehrspolitik des Landes von Grund auf zu verändern. Autos sollten depriorisiert werden, Fußgänger*innen und Radfahrer*nnen wichtiger, da schützenswerter. Anders als bei uns: Die Politik zeigte sich den Aktivist*innen gegenüber sehr offen und ging darauf ein.

Auch im österreichischen Standard sind ähnliche Gedanken zu lesen:

„Mobilität muss neu gedacht werden. Das geht nur, wenn es die dafür nötige Infrastruktur gibt. Dazu sind radikale Schritte nötig. Pkws den Platz wegnehmen, überall. Fußgänger und Radfahrer sollen dafür ihren, voneinander, so gut es geht, getrennten Platz erhalten. Die Veränderung wird groß, aber nicht schmerzlich sein. Es geht nicht darum, Autos komplett zu verbieten. Es geht darum, ihre Nutzung so unattraktiv wie möglich zu machen – indem man bessere Alternativen schafft.

Das Beste daran ist, niemand muss das Rad in dem Fall neu erfinden. Die Alternativen sind schon da und haben sich in der Praxis zigfach bewährt. Doch anstatt sie zu fördern, werden Fußgänger und Radfahrer gezwungen, sich dem motorisierten Verkehr anzupassen und unterzuordnen.

Bevor nun das reflexartige „Aber die Radfahrer halten sich an keine Regeln!“ kommt: ja, stimmt. Es gibt Rowdies unter Radlern, Unvorsichtige und Schusselige. Aber genau diese Persönlichkeiten gibt es auch unter den Autofahrern. Mit einem tödlichen Unterschied: die einen gefährden in erster Linie sich selbst, die anderen ihr gesamtes Umfeld. Und je mehr man die zweite Gruppe reduziert, umso mehr Energie kann man darauf verwenden, sich um die erste zu kümmern.

Vom radikalen Umschwenken hin zu einer auf Fußgänger und Radfahrer fokussierten Verkehrspolitik profitieren also alle. Außer vielleicht die Automobil- und Mineralölindustrie. Doch deren Interessen sind keine Menschenleben wert. Also machen wir es doch wie die Niederländer und stoppen die Kindermorde auf unseren Straßen.“

Was meinen Sie?

Sollten wir endlich laut und wahrnehmbar für die sicheren Wege aller Kinder auf die Straße?

Hier gehts zum Artikel.

2 Antworten zu „Stop de kindermoord!“

  1. Avatar von André Rohrbeck
    André Rohrbeck

    Heute ist in Hamburg ein LKW-Fahrer wegen der fahrlässigen Tötung eines 15-jährigen Radfahrers zu einer Bewährungsstrafe von 10 Monaten und 2 Monaten Führerscheinentzug verurteilt worden…

    Er ist rechts in einen Parkplatz abgebogen, in den er noch nicht einmal hineinfahren durfte.

    Ich weiß nicht ob an diesem spezielle LKW der „Achtung Toter Winkel“-Aufkleber angebracht war. Man sieht ja kaum noch einen LKW ohne. Aber wenn ich als LKW-Fahrer*in weiß, dass mein Fahrzeug tote Winkel hat und ich dennoch losfahre, obwohl ich den Bereich, in den ich fahre nicht einsehen kann, und sich dort Personen aufhalten können, dann nehme ich doch den Tod dieser Personen billigend in Kauf. Soweit ich weiß ist das die Definition von Vorsatz – nicht von Fahrlässigkeit! Das ist zwar dann kein „Mord“ sondern „nur“ Totschlag. Aber wie kann man da noch von „fahrlässiger Tötung“ reden?

    Sicher möchte niemand, dass LKW-Fahrer*innen mit einem Bein im Gefängnis stehen, aber wollen wir statt dessen dass Radfahrende sterben???

    Warum sind wir nicht in der Lage, so einfache Dinge wie getrennte Grünphasen für Rechtsabbieger einzuführen? Warum sind nicht an allen Ampeln und für LKW geeigneten Einfahrten die sog. „Trixi-Spiegel“ Pflicht? Warum müssen LKW nicht mit zwei Personen besetzt werden, wenn diese so unübersichtlich sind? Warum sind viel zu wenige Autofahrer dazu in der Lage ruhig hinter einer Radfahrenden Person in *ausreichendem* Sicherheitsabstand hinterherzufahren und – wenn sich die Gelegenheit ergibt – in einem ebenso ausreichenden Abstand zu überholen?

    Ich bin so froh, dass ich Kinder habe, die gerne mit dem Fahrrad unterwegs sind und nach einer langen Autofahrt in den Urlaub „Aber nächstes Mal nehmen wir wieder den Zug“ sagen. Ich wäre noch glücklicher, wenn ich sie einfach alleine mit dem Fahrrad losfahren lassen könnte. Aber das ist derzeit kaum möglich. Wegen zu vieler Menschen in Blechkisten, die mit ihrem Verhalten den Tod anderer billigend in Kauf nehmen und der Meinung sind, mit ihrem Auto das Recht bekommen zu haben, schneller als alle anderen unterwegs sein zu dürfen.

    In diesem Sinne: Ja, liebe Katja, „Stoppt den Mord auf unseren Straßen!“

    An diesem Wochenende sind wieder viele „Kidical Mass“ Fahrraddemos. Kommt! Kommt und fahrt mit. Wenn Ihr Kinder habt, dann verschafft ihnen das unvergleichliche Erlebnis mit vielen anderen Kindern gemeinsam Radfahren zu dürfen. Wenn Ihr keine Kinder habt, kommt auch. Wenn die Welt kindergerechter ist, ist sie für uns alle schöner und besser!


    1. Wie schön ist bitte der letzte Satz! Danke für deine Gedanken!


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