Meine Kolumne bei t3n: Bitte kein weiter so. Ein Wunschzettel an die neue Regierung.

Die Verkehrspolitik in Deutschland stellt noch immer Maschinen vor Menschen – und verpasst die Chance auf soziale, ökologische und ökonomische Verbesserungen. Unsere Kolumnistin wünscht sich von der neuen Regierung endlich eine echte Verkehrswende statt andauernden Stillstand. 

Liebe neue Regierung,

ich weiß, ihr habt viel zu tun. Globale Krisen, Wirtschaftssorgen, soziale Spaltungen – alles Themen, die euch Tag für Tag beschäftigen. Aber lasst uns kurz innehalten und über etwas sprechen, das so alltäglich ist, dass wir es oft nicht mehr hinterfragen: unseren Verkehr. Und? Habt ihr dabei sofort viele Autos im Kopf? Genau damit beginnt das Problem.

Wenn ich einen Wunschzettel schreiben dürfte, stünde darauf ganz oben: Mensch vor Maschine. Doch die Realität der letzten Jahre zeigt das Gegenteil. Ein Blick nach Berlin, wo CDU und SPD das Steuer übernommen haben, reicht: Die Zahl der Verkehrstoten ist zuletzt gestiegen, das Fahrradnetz wird ausgebremst, autofreie Zonen sind kein Thema mehr. Während andere Städte den öffentlichen Raum mutig neu verteilen, erstickt Berlin an Stau, Lärm und schlechter Luft – ein Rückfall in Zeiten, in denen „Freie Fahrt für freie Bürger!“ der Slogan der Verkehrspolitik war.

Dabei beweisen Städte wie Paris oder Amsterdam: Weniger Autos bedeuten mehr Leben. Mehr Platz für Kinder, für Begegnungen, für spontane Gespräche auf der Straße. Eine Stadt, die nicht von Motorhauben dominiert wird, sondern von Menschen. Wo die Demokratie gestärkt wird, durch zufällige Begegnungen und Austausch. Eine stabile Nachbarschaft, in der sich Menschen umeinander kümmern können, ist Garant für jedwede Resilienz.

Doch statt auf eine echte Verkehrswende setzen viele immer noch auf vermeintliche Wunderlösungen. Vorangetrieben werden das autonome Fahren, überholte Technik wie der Plugin-Hybrid, E-Fuels und Schnellladesäulen. Natürlich sind technische Innovationen wichtig. Natürlich ist es gut, dass es ein Unternehmen wie Tesla mit seiner disruptiven Kraft geschafft hat, Schwung in die überfällige Elektrifizierung der Antriebe zu bringen. Aber eine Verkehrswende ist mehr als nur ein Update der Motorentechnik. Und gerade auch Tesla zeigt, dass es gefährlich ist, blind den Visionen von Techbros aus den USA zu folgen. Wir benötigen dringend eine europäisch verankerte Mobilitätstransformation!

Ein Industriewandel ist möglich. Aber anscheinend von euch, liebe Politiker:innen, nicht gewollt. Nur so ist erklärbar, dass ihr die deutsche Autoindustrie immer weiter in die Sackgasse der privat besessenen Autos treibt. Dass ihr Waggonwerke zu Panzerwerken macht und auch Autowerke nicht für Bahn- und Busproduktion einsetzen wollt. Wo ist der Pioniergeist, der Deutschland einmal ausgezeichnet hat? Wo ist das „Steuern“ bei Steuern – das Belohnen des gewünschten Verhalten im Sinne einer klima- und sozial gerechten Mobilität?

In der politischen Debatte wird oft über die gesprochen, die vermeintlich auf das Auto angewiesen sind. Übersehen werden Millionen von Menschen in Deutschland, die nicht Auto fahren wollen oder können. Für sie hat sich in den letzten Jahren  überhaupt nichts verbessert, sondern eher verschlechtert. Wie geht es Kindern, Alten, Behinderten, Armen in Sachen selbstbestimmter Mobilität? Habt ihr als Politiker:innen regelmäßig Kontakt zu diesen Menschen? Fahrt ihr selbst häufig Bahn und Fahrrad und erlebt ihr selbst, wie wenig „frei“ sich das anfühlt?

Keine einzige fossile Autosubvention hat die Ampelregierung abgebaut, immerhin aber hat sie das Deutschlandticket eingeführt, das mehrere Millionen Tonnen CO2 spart und 560 Millionen Autofahrten seit Einführung ersetzte. Ausgerechnet an ein Produkt, das 14 Millionen Menschen begeistert nutzen, macht ihr Fragezeichen. Während ihr euch über Ladeinfrastruktur streitet, bleibt die entscheidende Frage auf der Strecke: Brauchen wir überhaupt so viele Autos in unseren Städten?

Es geht nicht um die Technik allein. Es geht um eine Neuausrichtung, um Prioritäten. Verkehrspolitik ist Sozialpolitik. Wer sich keinen eigenen Wagen leisten kann, sollte nicht auf ein marodes ÖPNV-System angewiesen sein. Wer alt ist oder mit Kinderwagen unterwegs, sollte nicht an zugeparkten Gehwegen scheitern.

Deshalb, liebe neue Regierung, wünsche ich mir weniger Schlaglöcher in der Zukunftsvision. Hört auf, den Status quo zu verwalten, und wagt den großen Wurf. Setzt endlich auf Städte für Menschen, nicht für Maschinen.

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