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Gedanken zur Autokorrektur #11.

Herzlich willkommen zu meiner elften Ausgabe von „Gedanken zur Autokorrektur“.

Hier versuche ich 14täglich – manchmal mit Pausen wegen Interrail 🙂 – Sie mitzunehmen: In meinen Kopf, auf meine Vorträge und Lesungen. Danke auch an alle, die an meiner Umfrage zur zehnten Ausgabe teilgenommen haben. Die meisten wünschen sich weiterhin einen persönlichen Einblick, da Fakten und Hintergründe überall schon bekannt sind – es aber an der Umsetzung fehlt. Ich werde mich bemühen, hier viel auch den Fokus auf tolle Initiativen und pragmatische Lösungen zu lenken.

Zunächst beginne ich jedoch mit einem „Downer“.

„Katja, du machst mehr für die Verkehrswende als unser Minister in Berlin.“

Was als Kompliment erstmal oberflächlich ganz schmeichelhaft klingt, ist für mich aktuell eine echte Belastung. Denn dieses Kompliment zeigt auf, dass das Zitat „schlimmer als mit Andreas Scheuer kann es ja nicht werden“ schon jetzt, nach wenigen Monaten neue Bundesregierung, Lügen gestraft wird.

Ich hatte – das gebe ich zu – immer die Haltung, hier gern zunächst vorurteilsfrei auf einen FDP-Minister zuzugehen und abzuwarten, was seine Ideen zur Verkehrswende sind. Die erste Irritation trat ein, als Volker Wissing unseren gemeinsamen und seit Monaten geplanten Auftritt bei der Klimabuchmesse ohne Angabe von Gründen und ohne Benennung eines Ersatzes zwei Tage vorher absagte. Ich sprach daraufhin per Mail die Einladung aus, dass wir uns kennenlernen sollten – um zu eruieren, wo wir Themen haben, die wir gemeinsam vorantreiben können. Ich schrieb diese Mail an sein persönliches Büro, das mir auch prompt antwortete und darauf hinwies, dass sein Ministerbüro diese Anfrage nun beantworten werde. Bis heute habe ich keine Antwort erhalten und aktuell gehe auch nicht mehr davon aus, je eine zu erhalten.

Warum? Folgen Sie mir.

Volker Wissing fühlte sich bei der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung vielleicht einfach in Sicherheit gewähnt und nicht damit gerechnet, dass seine Worte dokumentiert werden. Letztlich ist das Nachdenken darüber aber auch obsolet. Was er sagt, ist fatal, demotivierend, faktenavers, menschenfeindlich und autozentriert. Und ja: Eigentlich keine Überraschung, aber ich hatte Hoffnung, dass die Klimakatastrophe und 61Prozent Anteil der privaten Pkw an den CO2-Emissionen am Transportsektor Druck machen. Diesem weicht Volker Wissing nicht nur aus, er will schlicht das weiter so noch in die falsche Richtung steigern. Er ist für mich damit das Gegenteil einer politischen Führungskraft, er degradiert sich selbst zum Erfüllungsgehilfen ohne Vision.

So stellt er die Städte als Verweigerinnen von Ladeinfrastruktur dar, sich als denjeningen, der diese dazu überhaupt erst bewegt hat. Und stellt heraus, dass deren Plan „ja ein ganz anderer sei“:

Flächendeckend Tempo 30, die Parkplätze zurückbauen.

„Die Hamburger“ hätten ihm gesagt, sie haben im Augenblick 800.000 Fahrzeugen, wollen runter auf 300.000. Dies, so Wissing, wollen sie erreichen durch Tempo 30, Parkplätze abbauen, Parkhäuser stilllegen, City-Maut. Und dann schlägt er einen für mich nicht nachvollziehbaren Zusammenhang zu Menschen in ländlichen Struktur, die ja in der Mehrheit seien im Vergleich. Und endet mit dem Satz:

So halten wir die Gesellschaft ja nicht zusammen.

Falls Sie verstehen,

  • was an den Plänen der Städte falsch ist
  • was Volker Wissing anders machen möchte
  • was der ländliche Raum damit zu tun hat, freue ich mich über Ihre Hinweise.

In einem weiteren Snippet der Veranstaltung weist er auf die Lithiumknappheit hin (?), diese sei verständlicherweise für die Autoindustrie ein Problem, so dass diese nur teure Autos vollelektrisch anbieten wolle, um Marge zu machen, das normale Auto benötige daher andere Antriebe. Die er dann auch noch als KLIMANEUTRAL bezeichnet. Unfassbar.

Und dazu passt, was mich heute per elektronischer Post erreicht hat. Wer ihn noch nicht kennt, Guido Kühn ist ein ausgezeichneter politischer Cartoonist.

Es wurde kein Alt-Text für dieses Bild angegeben.

Währenddessen hat Luxemburg nicht nur den ÖPNV seit Jahren kostenlos im Angebot, sondern auch – wie von François Bausch versprochen – die Qualität vom Busnetz massiv erhöht. Im Juli diesen Jahres wurde die Reorganisation abgeschlossen. Der Service?

7 Tage die Woche

Montag bis Samstag von 5.00 bis 23.00 Uhr

Sonn- und Feiertags von 6.00 bis 22.00 Uhr

Freue mich sehr, bald im Ministerium mit Autokorrektur zu Gast sein und vor Ort mit den Beteiligten über ihren Mut zur Verkehrswende zu sprechen.

Hier finden Sie die Infos zum Busnetz und hier auch einen Hinweis, dass neben Bus und Bahn auch Carsharing, Fahrgemeinschaften, P+R, Elektromobilität aufgebaut worden sind.

Weitere Good News – denn keine Mobilitätswende ohne Energiewende!

Innerhalb von nur zehn Jahren kann Deutschland flächendeckend auf eine Energieversorgung umgestellt werden, die vollständig auf Erneuerbaren Energien beruht. Das zeigt die aktuelle Studie der Energy Watch Group (EWG). Demnach könne Deutschland bereits bis 2030 vollständig, zuverlässig und wirtschaftlich mit Energie versorgt werden. „Das Land könne dabei sogar über ein ökonomisch vorteilhafteres Energiesystem verfügen.“

Sehr berührt hat mich die Zusendung einer langen Email aus Berlin.

In unserem Quartier leben sehr viele rassifizierte Menschen und die Anzahl derer, die von Transferleistungen leben, liegt deutlich über dem Berliner Durchschnitt, weshalb das Viertel auch als „Problemviertel“ gilt. Mein Mann ist vor vier Jahren als refugee nach Deutschland gekommen und wenn er die Mittel hätte, würde er sich einen fetten BMW kaufen. Der Fakt, dass ein fetter BMW nicht gut fürs Klima ist und damit nicht gut für die Zukunft seiner eigenen Kinder, ist ihm gar nicht bewusst. Im Vordergrund steht für ihn das Auto als Statussymbol dafür, dass er es in Deutschland zu etwas gebracht hat. Er fährt nicht Fahrrad, zum einen, weil er unsicher ist, weil er in seinem Heimatland nie Fahrradfahren gelernt hat und Radfahren in Berlin echt gefährlich ist und zum anderen, weil es ihm peinlich ist. Ich bin überzeugt, dass es für sehr viele Menschen in meiner direkten Nachbarschaft, ähnlich ist.

  • die von Männern verursachten Kosten bei Unfällen mit Personenschaden sind doppelt so hoch wie die von Frauen
  • 83 Prozent der Menschen, denen der Führerschein weggenommen werden muss, sind männlich
  • Geschwindigkeitsüberschreitungen sind zu 78 Prozent männlich
  • Punkte in Flensburg zu 77 Prozent
  • bei der MPU sind es bis zu 95 Prozent

Interessanterweise war es für Boris von Heesen nicht leicht bis unmöglich, geschlechtsspezifische Daten bei Verkehrsdelikten zu erheben. Vielleicht eine absichtliche Verschleierung, um die massiven Auswirkungen männlicher Verhaltensweisen in der Mobilität zu verschleiern? „Was ich nicht so wirklich verstehe“, sagte Boris in unserem Gespräch, „denn gerade für Versicherungen wäre es ja total sinnvoll, auf Basis dieser Daten entsprechende Tarifsysteme zu erstellen.“

Auch in der Politik zeigt sich ein ähnliches Bild: Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer hatte 80 Treffen mit der Autoindustrie, aber keines mit den Verbänden der Mobilität. Der ADAC war noch bis Herbst 2021 mit einem komplett männlichen Präsidium versehen und tagte am Nürburgring. Die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV), die das Technische Regelwerk für das gesamte Straßen- und Verkehrswesen in Deutschland erstellt, ist zu 87 Prozent von Männern dominiert.

Hier gehts zum Podcast.

Abschließend noch 13 Fakten zum autofreien Tag:

  1. Ein europäisches Auto ist 92 % der Zeit geparkt.
  2. Es verbringt 1/5 der Fahrzeit mit Parkplatzsuche.
  3. In Deutschland verbringen wir durchschnittlich 46 Stunden im Jahr im Stau.
  4. Auf den fünf Sitzen im Pkw nehmen 1,5 Personen Platz, im beruflichen Pendelverkehr sind es laut Agora Verkehrswende 1,057 Personen.
  5. 86 % des Kraftstoffs gelangen nie an die Räder, die meiste Energie, bewegt das Auto, nicht die Menschen.
  6. Acht Menschen sterben täglich auf unseren Straßen. Jeder Verkehrstod traumatisiert 113 Menschen, von Ersthelfenden bis zu Familie und Kolleg:innen.
  7. 880 Personen werden täglich bis zu schwerst verletzt.
  8. Zwei Tonnen Stahl bewegen 80 Kilogramm Mensch.
  9. Wenn wir alle Flächen zusammenzählen (Parkplätze und Straßenfläche) dann hat jedes Auto 100 Quadratmeter unserer Räume in Beschlag, diese sind versiegelt und damit eine Gefahr bei steigender Hitze, Fluten.
  10. Das Auto ist das tödlichste Verkehrsmittel.
  11. Es erzeugt 60 % des CO2 im Transportsektor.
  12. Seine Reifen sind die größte Mikroplastikquelle.
  13. Sein Lärm macht krank.

Und ein Ausblick auf die nächsten 14 Tage – vielleicht sehen wir uns?

26. September Lesung in Frankfurt am Main Klimakneipe Koala-Kollektiv

27. September Lesung und Podiumsdiskussion in Offenbach (mit Tarek Al Wazir)

28. September Lesung auf dem Salonfestival in Frankfurt am Main

29./30. September FTI-Beiratssitzung in Wien

30. September Online-Lesung in Kooperation mit Daniela Brodesser

Oktober

3. Oktober virtueller „Go Simple Talk“ – Anmeldung ab sofort möglich.

4. Oktober virtuelle Veranstaltung mit der Heinrich-Böll-Stiftung

5. Oktober Lesung in Trossingen im Eisenbahnmuseum

6. und 7. Oktober herCareer München

7. Oktober Lesung im bayrischen Landtag in München

10. Oktober ein Jahr Klimaticket, Wien – ausverkauft

Ich hoffe, Sie konnten einiges mitnehmen – ich freue mich wie stets über Feedback!

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