Männer.
Bild von: LordyLordyRingo.deviantart.com
Nichts für ungut, aber warum ist das keinem von euch 5 aufgefallen?
Das kommentierte ich unter einem Foto von einem Panel mit fünf (!) mittelalten weißen Männern. Ende 2024 habe ich einfach keine Lust mehr auf solche Bilder. Ich sehe jeden einzelnen Mann dort in der Verantwortung, ggf. sogar den „Sessel“ freizugeben an eine Person, die für mehr Diversität in der Diskussion sorgt. Ich weiß nicht, wie es euch geht: Ich meide mittlerweile solche Veranstaltungen, weil sie einfach nicht die notwendigen Aspekte aufgreifen KANN.
Die Antwort des Organisators war auf sehr vielen Ebenen komplett daneben:
Ja, es waren fünf Männer. Aber ich darf Sie beruhigen. Wir hatten viele tollen Frauen auf unseren Panels und noch viel mehr in der audience. Keine Sorge ….
- muss mich kein Mann beruhigen, wenn ich auf Misstände aufmerksam mache, ich bin sie leider gewohnt
- sagt es mehr über den Herrn als über mich aus, wenn er als Organisator dieses Events so reagiert
- „tolle Frauen“ – janun… ist ähnlich daneben wie Powerfrauen oder?
- es geht eben NICHT um die „audience“, sondern um die Sichtbarkeit und Beteiligung auf jedem Panel
- Sorge mache ich mir tatsächlich „nur“ um unsere Zukunft, wenn diese weiterhin von gesunden, weißen Männern in gutsituierten Verhältnissen gebaut werden sollte
Ich zitiere mal aus dem Schweizer Jahrbuch für Verkehr 2022:
Der Bereich der Verkehrsinfrastruktur- und Mobilitätsplanung ist ein Sektor, der lange Zeit von Männern dominiert wurde. Im Mittelpunkt standen oft die Bedürfnisse der Pendler für Arbeitswege, die ebenfalls von Männern dominiert werden. Da Frauen und Männer unterschiedliche Entscheidungen treffen, wenn es darum geht, von einem Ort zum anderen zu gelangen, ist die Teilnahme von Frauen im Mobilitätssektor wichtig für das Verständnis ihrer Bedürfnisse und eine zukunftsfähige Mobilität.
Mobilität hat je nach Geschlecht unterschiedliche Facetten, doch die Schlüssel zum Verkehr liegen weltweit weitgehend in den Händen von Männern. Sie entwerfen ein System, das ihren eigenen Bedürfnissen und Werten entspricht und folglich nicht besonders inklusiv ist. In einer von der ITF durchgeführten Umfrage in 47 Ländern weltweit wurde festgestellt, dass die Beschäftigung von Frauen im Verkehrssektor im Jahr 2018 bei durchschnittlich 17 % lag. Nur 22 % der im Verkehrssektor beschäftigten Personen in der Europäischen Union sind Frauen, die häufig niedrige Entscheidungspositionen besetzen (OECD 2019). Besonders selten sind Frauen in leitenden Positionen in den Bereichen Transport, Logistik und Infrastruktur. In den USA beispielsweise sind nur 14% dieser Rollen von Frauen besetzt (FTT 2022). Laut Katja Diehl haben weniger als 5% der Frauen eine Führungsposition im Mobilitätssektor inne (Diehl 2022).
Die Tatsache, dass Frauen in einigen Sektoren weniger vertreten sind, hat auch Auswirkungen auf die Sicherheit und die Entwicklung von Produkten. Zum Beispiel sind sehr grosse, schwere Fahrräder und übergrosse Roller einige der Faktoren, die Frauen davon abhalten, solche Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen.
Infolgedessen wählen sie immer traditionelle Formen der Mobilität. Ein weiteres Beispiel gibt vor allem eine Vorstellung davon, wie die Transportbranche in männlichen Begriffen denkt: Auto-Crashtests werden fast immer mit männlichen Dummys durchgeführt, so dass die Sicherheit der Fahrzeuge auf männliche Bedürfnisse ausgerichtet ist (Criado Perez 2019).
Aktuell sind auch die neuen Mobilitäts-Start-ups, die die smarten Mobilitäts-Apps entwickeln, männerdominiert, da viele ihrer Mitarbeiter aus der IT-/Informatikbranche kommen, die weitgehend von Männern dominiert wird. Im Jahr 2018 waren in Deutschland nur 16,6% der Beschäftigten in der IT-Branche Frauen und 14,6% in der Schweiz (Honeypot).
Aufgrund des Mangels an disaggregierten Daten Im Rahmen von dem Global Tracking Framework for Transport, konnte der Global Mobility Report keine geschlechtsspezifischen Aussagen machen. Mobilität muss geschlechtersensibler sein, da das Ziel der Nachhaltigkeit in der Mobilität auch bedeutet, die Bedürfnisse der verschiedenen Nutzer zu berücksichtigen und allen ein gleiches Mass an Verkehrszugang zu bieten. Da Frauen über die Hälfte der Bevölkerung stellen, ist dies auch aus ökonomischer Sicht sinnvoll.
Die Transportplanung ist nach wie vor stark von Männern dominiert. Infolgedessen ist es wenig wahrscheinlich, dass geschlechtsspezifische Perspektiven bei der Entscheidungsfindung berücksichtigt werden. Die Mobilitätsbedürfnisse und -präferenzen von Frauen, weil sie nicht verstanden werden, bleiben oft unerfüllt.
Wie bereits ausführlich hervorgehoben wurde, zeigt der Stand der Technik in der Verkehrsplanung, dass sie in der Regel hauptsächlich den Bedürfnissen von Männern dient, die morgens direkt zur Arbeit gehen und abends nach Hause zurückkehren. (FTT 2022). Die Forschung zeigt, dass, wenn das Geschlecht nicht explizit Teil des
Planungsprozesses ist, die Lösungen in erster Linie Männern zugute kommen.
Wird das Geschlecht während des gesamten Prozesses der Planung, des Designs, der Umsetzung, des Monitorings und der Evaluierung explizit berücksichtigt, kommen eher geschlechtergerechtere Lösungen zustande (Arora 2019). Wie mehrere Studien gezeigt haben, sind die meisten unserer Mobilitätsdienste auch heute noch auf männliche Nutzer zugeschnitten, wodurch viele weibliche Nutzer ausgeschlossen sind. Frauen haben unterschiedliche Muster, Bedürfnisse und Verhaltensweisen. Zum Beispiel wird Sicherheit (Radwege für Fahrrad- Sharing) für Frauen als sehr wichtig angesehen, während Männer sich weniger darum kümmern. Männer fahren häufiger Fahrrad als Frauen. Wenn die Fahrradinfrastruktur jedoch sicher ist, radeln Frauen und Männer genauso häufig (Diehl 2022, VCÖ 2022).
Die Vernachlässigung von Frauen in der Verkehrsplanung führt nicht nur zu einem eingeschränkten Zugang zu Mobilität. Wie eine Studie der Internationalen Arbeitsorganisation zeigt (ILO 2013), stellt ein begrenzter Zugang zu sicheren Transportmittel das grösste Hindernis für die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt in Entwicklungsländern dar. Die Wahrscheinlichkeit ihrer Teilnahme verringert sich um 16,5 Prozentpunkte. Daher wirken sich die Zwänge, die sich aus dem Zugang zu Verkehrsmitteln und Mobilität ergeben, auf den individuellen Zugang aller Frauen zu öffentlichen Dienstleistungen, insbesondere zu Bildung und Gesundheit, aus. Dieser fehlende Zugang zu Märkten, Arbeitskräften und Fähigkeiten wirkt sich auf ihre Lebensgrundlagen aus.
Bevor es also gelingt, die Probleme im Zusammenhang mit der begrenzten Nutzung intelligenter Verkehrsmittel durch Frauen zu lösen, scheint es klar zu sein, dass die erste Kluft, die es zu überbrücken gilt, eine Kluft zwischen den Geschlechtern ist, die mit der Denk- und Handlungsweise zusammenhängt, die in unserer Gesellschaft schon immer vorhanden war.
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