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Warum Mobilitätswandel für mich eine Mangelwirtschaft ist – Mangel #3: Zeit

Ich mache mir viele Gedanken, wo die Ansatzpunkte sind, aus dem Verkehr rauszukommen und Mobilität für alle zu erreichen. Dabei komme ich aber stets schnell an Details, die einen weitaus größeren gesellschaftlichen Wandel erfordern, weil die aus diesen Details sich entwickelnde ineffiziente und ressourcenverschwendende (Auto-)Mobilität Ursachen hat, die nicht immer mit neuen Angeboten gelöst werden können. Es bedarf eben weit mehr als nur neue Produkte, es bedarf ganzheitlicher Konzepte, die weit über die Mobilitätsbranche hinausgehen. Denn: Für mich beruht „das Falsche“ oftmals auf einem Mangel, den wir sehr viel komplexer betrachten müssen, weil er so viele Facetten aufweist.

Mangel #3: Zeit

Heute haben wir keine Zeit bzw. Zeit zu haben wird kritisch beäugt. Dinge wie der Coffee to go sind nicht zuletzt deshalb „unzerstörbar“ (trotz seiner nachgewiesenen enormen Umweltbelastungen), weil wir Rastlosigkeit wie ein Accessoire vor uns hertragen. Wir möchten zeigen, dass wir zum Verweilen nicht genug Freizeit haben. In unserem beruflichen Alltag ist es trotz aller Achtsamkeitsposts auf den Social Media Kanälen weiterhin Usus, auf Fragen nach dem Wohlbefinden zu antworten: Echt viel zu tun. Stressige Zeiten. Natürlich habe ich dann nicht die Muße, mich in ein Cafe zu setzen und ein paar Minuten aufzuwenden und in Ruhe meinen Kaffee aus einer Porzellantasse zu trinken. Denn: Der Kaffee passt nur im Gehen konsumiert gerade mal so zwischen zwei Termine.

Ähnlich ist es mit der Mobilität. Wer wichtig ist, fliegt innerdeutsch. 65 Prozent der innerdeutschen Flüge sind geschäftlich. Denn der Businessmensch hat nicht die Zeit für Bahnfahrten. Oder er nimmt den bereitgestellten Dienstwagen. Dabei werden oft durchaus relevante Gründe herangezogen: Man sei schließlich zwei Stunden eher zuhause, wenn man fliegt – und könne noch die Kinder ins Bett bringen. Valide. Aber nur so lange, wie ich dann doch drüber nachdenke, ob der Preis, den diese Kinder für das Flugverhalten ihrer Eltern zahlen, nicht höher ist als beizeiten zusammen gelesene Geschichten. Oder ob der Flug nicht sogar obsolet wäre, wenn eine Videokonferenz organisiert werden würde.

Ich weiß, dass ich mit solchen Aussagen triggere, weil ich selbst mal in diesem System der Rastlosen war. Die noch nicht mal mehr Zeit für ein Lächeln haben, weil alle um sie herum hecheln. In so einem System steckend, das jede Muße in die Freizeit verbannt und deswegen auch diese elende Work-Life-Balance benötigt, die es aus meiner Erfahrung heraus nur geben kann, wenn Work nicht Life frisst, ist man und frau blind für Alternativen. Weil diese im Rennen im Alltag nur verwischt im Augenwinkel stattfinden. Im Fokus steht der Stress von zuvielen Terminen, die dann auch noch mit der eigentlichen Arbeit verbunden werden müssen.

Immer wieder, wenn ich mit Menschen während der herkömmlichen Arbeitszeiten durch Innenstädte laufe, kommt irgendwann der Spruch: „Ich möchte echt mal wissen, was die arbeiten.“ – bezogen auf die Menschen, die lachend in der Sonne ihren Kaffee trinken. Dieser Gedanke ist, wenn man ihn genauer betrachtet, absurd und entlarvender Vorwurf zugleich. Absurd, weil damit immer noch unterstellt wird, Arbeit gibt es nur im Büro, entlarvend, weil damit zugegeben wird, dass es uns noch nicht gelungen ist, trotz aller Diskussionen um New Work, zumindest den Job des Wissensarbeiters neu zu denken. Die Zahlen beweisen es: Mobiles Arbeiten ist auch in Bereichen, die dafür geeignet wären, sowohl von Arbeiternehmern als auch Arbeitgebern nicht gewünscht.

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