Seit Monaten das Gleiche: Aktivist:innen durchbrechen mit friedlichen Blockaden das „Weiter so!“. Aber selbst als progressiv geltende Menschen schauen zu wenig auf die systemische Ausbeutung unserer Erde. Weil sie Teil davon sind.
Das aktuellste Beispiel von „Weiter so!“ befindet sich in Brandenburg in einem Trinkwasserschutzgebiet. In der Nähe von Grünheide wurde eine Tesla-Fabrik gebaut, als dafür noch nicht mal die Baugenehmigung vorlag. Von Beginn des Betriebs an leitet das Werk teilweise das Sechsfache an Phosphor und Stickstoff in das Abwassersystem. Tesla dementiert das nicht. Der Wasserverband drängte darauf, Tesla bis auf Weiteres die Abwasserleitung zuzudrehen, was nicht geschah, weil der Autobauer von Verlusten in Millionenhöhe sprach. Mittlerweile ist deren Geschäftsführer zurückgetreten.
Jetzt will Tesla diesen Bau erweitern, um noch mehr Autos bauen zu können.
„Aber das ist doch gut!“ – schallt es aus vielen Ecken. Sind diese Pkw doch elektrisch betrieben und bringen Arbeitsplätze in dieses sonst eher nicht so gut aufgestellte Bundesland. Natürlich stimmen beide Aussagen, sie blicken jedoch (wie so oft) nicht systemisch auf die dringend notwendige Transformation. Zum einen sind diese Pkw immer noch zu groß und verschwenden somit wertvolle Ressourcen, über die wir in Deutschland nicht verfügen. Die entreißen wir mit Gewalt dem Globalen Süden.
Zum anderen sind die Arbeitsplätze in Brandenburg davon geprägt, dass kurze Taktzeiten, Personalmangel und überzogene Produktionsziele zu hoher Arbeitsbelastung bei niedrigen Löhnen führen. Im Herbst 2023 gingen daher über 1.000 Mitarbeiter: innen des Werkes vor die Tore, um auf gravierende Mängel bei Gesundheitsschutz
und Arbeitssicherheit hinzuweisen.
Krankenstände von bis zu 30 Prozent sollte es geben. Von „knallharter Ausbeutung“ ist die Rede.
Bei Tesla arbeiten Menschen aus 50 Nationen. Aber nur 40 Prozent von ihnen wohnen in Brandenburg, zehn Prozent arbeiten sogar vom Ausland aus. Tesla ist dafür bekannt, gewerkschaftliche Organisation im Werk zu verhindern. Das ist nun überwunden, im März wurde die Liste der IG Metall mit knapp 40 Prozent gewählt – erstes Ziel: ein Tarifvertrag. Auch die Bevölkerung von Grünheide stellt sich gegen den Ausbau mit deutlicher Mehrheit in einer Bürger:innenbefragung, die jüngst durchgeführt wurde. Nicht zuletzt auch, weil viele bereits von Tesla gerodete Waldflächen bis heute brachliegen und nicht genutzt werden.
Es stellt sich für mich die Frage, wie wir im Globalen Norden mit unserer Verantwortung umgehen wollen, Verursachende der Klimakatastrophe zu sein. Wenn wir es ernst meinen mit den Pariser Klimazielen und dem Wort KlimaGERECHTIGKEIT, dann darf es kein „Weiter so“ geben, auch nicht, wenn es vollelektrisch angetrieben ist. Wir sollten Ressourcen für gesellschaftlichrelevante Dinge verwenden. Da wären Busse und Bahnen wichtiger als ein deutscher Pkw, der nur 45 Minuten am Tag mit einer Person fährt. Die Abwehr und Abwertung der Proteste vor Automobilwerken zeigt, dass viele noch nicht begriffen haben, dass der Ernst der Lage Demut verlangt. Unser Leben ist nicht nur CO2-intensiv, sondern es basiert auf Ausbeutung unserer Mitwelt, von Menschen und Natur.
Klar, wenn Auto, dann vollelektrisch!
Aber Elektroautos verändern nur drei Dinge: lokale CO2-Freiheit und durch die irgendwann autark erzeugte
Energie Unabhängigkeit vom fossilen System sowie die Option der Energiespeicherung. Mehr aber auch nicht. Ressourcenverschwendung, Ausbeutung, Flächenfraß, Versiegelung, Emissionen wie Mikroplastik und viele weitere Belastungen bleiben bestehen.
Uns sollte der Fokus der Dekarbonisierung von Autos zudem nicht davon ablenken, dass wir für alle, auch jene ohne Auto, die Mobilität verbessern müssen. Elektrifizierung von Autos sorgt nicht für verfügbare und komfortable Alternativen, die bezahlbar für alle, sicher und barrierefrei sind. Stattdessen sorgen wir dafür, das bestehende System aufrechtzuerhalten. Das für viele im Globalen Norden große Belastung und für Menschen im Globalen Süden unmenschliche Lebensumstände schafft.
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