Ich schaue strahlend in die Kamera, habe mit den Händen den Blazer geöffnet, den ich trage. Darunter der Spruch: Wer willst du gewesen sein?

Wir. Müssen. Miteinander. Sprechen!

Bei meiner Lesung im Gängeviertel verließ ein Mann empört den Saal, er fühlte sich von den Anwesenden „gemobbt“.

Was war geschehen?

Auf der Bühne hatte mich Lena Frommeyer, die im Bereich von Christian Stoecker (Digitale Kommunikation an der HAW Hamburg) Lehrende ist und zukünftige Journalist*innen ausbildet, das Buch von Christian erwähnt:
„Männer, die die Welt verbrennen“.

Ich sprach daraufhin vom Machtsystem, das auf der Straße HERRscht (:-)), das ich mit einem Augenzwinkern im Titel meines aktuellen Buches als AUTOkratie bezeichne. Weil auf Straßen keine demokratischen und gleichberechtigten Verhältnisse gelten, sondern sich alles dem Auto unterzuordnen hat.
Da war es dem Herrn das erste Mal wichtig, zu betonen, dass auch Frauen „gefährlich“ Auto fahren.

Ich versuchte ihm zu erklären, dass das keinen Widerspruch darstellt, da Frauen sich im patriarchalen System anpassen, indem sie die vorgegebenen und belohnten Verhaltensweisen von Macht reproduzieren.

Wenige Minuten später erzählte ich, dass ich vor allem bei den Lesungen zum ersten Buch Hashtag#Autokorrektur immer wieder Menschen erlebt hätte, die weinend von ihren Erlebnissen im Straßenverkehr erzählten. Eltern, in Angst um ihre radfahrenden Kinder, Behinderte, in Wut darüber, mit ihrem Dreirad nicht Zug fahren zu können. Auch ein junger Mann, so erzählte ich, habe geweint, weil er von gleichaltrigen Männern im Auto immer wieder drangsaliert werde.

Hier wurde der schon zitierte Mann richtig laut. „Das gibt es doch nicht. Schon wieder! Jetzt haben Sie mich verloren!“ Ich versuchte, ihn zu beschwichtigen. Eine neben ihm sitzende Dame wies ihn darauf hin, dass er sehr rücksichtslos agiere und gehen könne, wenn ihm die Inhalte nicht gefielen. Zustimmendes Murmeln im Publikum. Er ergriff voller Wut seine Sachen, beschimpfte uns, rannte erst in das Getränkelager und dann aus dem Raum.

Warum teile ich diese Anekdote?
Weil ich unfassbar gerne mit allen außer Nazis über die Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft sprechen wollen würde – aber viele nicht zuhören und auch gar nicht MIT MIR sprechen wollen. Ich finde das enorm schade, denn nur im Zuhören und Lernen aus anderen Lebensentwürfen können wir verstehen, wo die gute Zukunft liegt.

Wer mich „live“ erlebt, weiß, dass ich mich um das Schaffen von diesen Räumen bemühe.

Ich bin ein lernender Mensch, der nie ausgelernt haben wird.
Weil ich in einem toxischen, patriarchalen System mit vielen Macht- und Unterdrückungsmechaniken groß wurde. Viele dieser Mechanismen garantieren mir ein gutes Leben, während sie anderen Menschen Leid bedeuten.
Auch dieser Herr trägt in sich wahrscheinlich einfach nur Unsicherheit, weil sich die Welt, die sehr passend für ihn ist, verändert. Aber leider geht er mit diesem Schmerz falsch um. Er zeigt bzw. reflektiert ihn nicht, er richtet ihn gegen andere.

Gerne reiche ich allen die Hand, die diese brauchen. Denn ich will ein guter Mensch gewesen sein, trotz meiner Sozialisation.

Wie geht es Euch damit?

2 Antworten zu „Wir. Müssen. Miteinander. Sprechen!“

  1. @AdminKatja1973
    Der rechtsaußen Blog achgut titelt heute:

    "Antiauto-Tyrannei: Anwohnerparken 500 Prozent teurer!"

    Das Auto macht unseren Lebensraum in vielerlei Hinsicht zur totbringenden Hölle, da sollte man als KFZ Lenker(in) nicht viel Mitleid erwarten.

    Meine persönliche Wahrnehmung im Straßenverkehr ist, daß immer mehr Frauen genauso rücksichtslos fahren, wie ihre männlichen "Vorbilder". Also komme ich zu dem Schluss: Der Mensch ist schwach und oft unfähig das Richtige zu tun


    1. Frauen haben aktuell nur die Chance, an die Tische der Macht zu kommen, wenn sie patriarchale Verhaltensweise nachahmen. Sonst gelten sie als emotional (was schlicht menschlich ist) und nicht geeignet für Führung. Ich sehe das Problem daher ganz klar im Patriarchat. Dazu gibt es viele tolle Bücher und Artikel.
      https://www.nationalgeographic.de/geschichte-und-kultur/2023/01/patriarchat-schwache-geschlecht-kulturelle-erfindung-frau-mann-gleichberechtigung
      https://www.fes.de/wissen/gender-glossar/patriarchat
      https://katapult-magazin.de/de/artikel/frauen-sind-gut-fuers-patriarchat


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