Es ist an der Zeit, dass wir uns erinnern: Bevor Deutschland zum weltweit bewunderten Autoland wurde, war es eine Nation der Fahrräder und Züge. Auf höchstem Niveau, mit einer Innovationskraft, die ihresgleichen suchte. Tatsächlich fuhren die Arbeiter*innen in den frühen Jahren des Automobilbaus noch mit dem Rad zu den Fabriken. Besonders spannend: Für die Suffragetten wurde das Fahrrad zum Symbol der Emanzipation. Selbstbestimmte Mobilität auf zwei Rädern – ein kraftvolles Bild, das heute wieder aktueller wird. Denn die Vormachtstellung des Autos, die gesellschaftlich und politisch gewollt über Jahrzehnte wuchs, gerät ins Wanken. Das Comeback des Fahrrads ist längst eingeläutet – OHNE staatliche Subventionen wurde hier die Emobilität zum neuen Standard vor allem auf langen Strecken beim beruflichen Pendeln.
Ein Blick auf die europäischen Nachbarn zeigt bereits eindrucksvoll, wie das Fahrrad als zentrales Mobilitätsmittel und Wirtschaftsfaktor zurückkehrt. Frankreich, um nur ein Beispiel zu nennen, hat einen Plan: Die Produktion von Fahrrädern soll bis 2030 mehr als verdoppelt werden. Zwei Millionen Räder mehr sollen dann vom Band rollen. Ein starkes Signal! Denn der Automarkt, das zeigen die aktuellen Zahlen, verliert an Fahrt, auch weil nur die Länder und Hersteller, die konsequent auf automobile Elektromobilität setzen, Deutschland längst überholt haben. Frankreich ist hier nicht allein. Auch Portugal zeigt sich zukunftsorientiert und setzt gezielt auf die Stärkung der Fahrradwirtschaft. Ein pragmatischer Weg in eine nachhaltigere Mobilität und ein Gewinn für die heimische Industrie.
Diese Strategie unterstützt auch die Europäische Union, die in einer wegweisenden Erklärung den Radverkehr erstmalig offiziell fördert. Sicherheit wird dabei großgeschrieben, denn Gruppen wie Frauen, Kinder und Ältere zögern oft noch, aufs Rad umzusteigen. Die Lösung? Sichere Straßen, klare Regelungen und durchdachte Infrastruktur – von sicheren Geschwindigkeitsgrenzen bis hin zu speziell entwickelten Fahrzeugen. Und auch die wirtschaftliche Dimension wird in der EU-Botschaft deutlich betont: Die europäische Fahrradindustrie gilt als weltweit führend und innovativ. Sie schafft Millionen Arbeitsplätze und wird als Wachstumsmotor für die Zukunft gesehen.
Das bleibt auch in Deutschland nicht unbemerkt. Die Verkehrspolitik der Bundesländer zeigt erste Ansätze, das Fahrrad als ernstzunehmenden Faktor zu begreifen. Fahrradtourismus ist vielerorts längst etabliert, doch der nächste logische Schritt – das Alltagsradeln als Wachstumschance – fährt noch hinterher. Ein neuer Branchenverband mit dem treffenden Namen „Zukunft Nahverkehr“ hat sich genau dieser Thematik verschrieben. Hier wird die gesamte Bandbreite abgedeckt: von der logistischen Nutzung des Fahrrads bis hin zum alltäglichen Einsatz als Alternative zum Auto.
Rheinland-Pfalz nimmt dabei eine Vorreiterrolle ein. Jedes zehnte Fahrrad, das in Deutschland genutzt wird, wird hier montiert. Eine vom Land in Auftrag gegebene Studie unterstreicht die Bedeutung der Fahrradwirtschaft: Mehr als 3.500 Beschäftigte und ein Umsatz von 1,4 Milliarden Euro allein im Jahr 2022 sprechen eine klare Sprache. Der Fahrradtourismus bringt zusätzlich weitere 16.000 Arbeitsplätze und eine Milliarde Euro Umsatz. Die Studie macht auch deutlich, dass der Ausbau der Infrastruktur, vor allem für Alltagsradler*innen, enorme Synergien freisetzen könnte – wenn da nicht der Fachkräftemangel wäre. Kommunen und Städte haben oft die finanziellen Mittel, Radwege auszubauen, es fehlt jedoch an Personal für die Umsetzung.
Interessant ist dabei ein Blick nach Italien: In der Nähe von Florenz, einstiger Automobilstandort, werden nun Lastenräder produziert. Ein Beispiel für eine gelungene Transformation. Was können wir daraus lernen? Vielleicht, dass der Weg in die Zukunft weniger auf vier Rädern als auf zwei erfolgen wird. Die Chancen sind da – jetzt braucht es nur noch den Mut, sie zu ergreifen.
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