Ich habe gestern einen Artikel zu meinem Besuch vor drei Jahren im Bundestag geschrieben, mit Forderungen, die Mobilität schneller fossilfrei zu gestalten. Das hat der VDA anscheinend gehört und sich heute mit einem 10-Punkte-Plan gemeldet, der sich natürlich nicht dem Umwelt- und Ressourcenschutz widmet, sondern der Besitzstandwahrung einer fossil verliebten Historienbranche.
Da es sich an dieser Stelle lohnt, einmal auf die Forderungen zu schauen, die ich gemeinsam mit Tino Pfaff entwickelt hatte, hier ein Ausschnitt:
- Tempolimit (Tempo 100/80/30)
- Drei Monate kostenloser ÖPNV für alle in Deutschland lebenden Menschen
- Autofreie Sonntage
- Verbot von Inlandsflügen
- PopUp-Bikelanes, auf dem Land und in der Stadt
- Spritpreisunterstützung für öffentliche Mobilität und prekär Verdienende
- Fortführung von Home-Office
- Sofortprogramm für Sammeltaxis im ländlichen Raum
- Sofortige Streichung der PlugIn-Förderung
- Dienstwagen nur noch elektrisch fördern
Sofort auf den Weg zu bringen, mittelfristig wirksam
- Fahrradinfrastruktur massiv ausbauen
- Nah- und Fernverkehrsnutzung auf Vor-Corona-Niveau und darüber hinaus erhöhen
- Mobilitätsprämie für alle statt Kaufprämie für Besserverdienende (Förderung von bspw. E-Bikes, ÖPNV-Abos, Bahn-Abos, E-Lastenräder
- Prämie für Leichtfahrzeuge
Und damit zum heutigen Tage. Die deutsche Autoindustrie präsentiert sich gern als Vorreiterin in Sachen Klimaschutz – doch wer sich den neuen 10-Punkte-Plan des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) genauer ansieht, erkennt das Gegenteil: Unter dem Deckmantel der „Technologieoffenheit“ verbirgt sich ein raffinierter Versuch, echte Umweltverbesserungen aufzuschieben, abzuschwächen oder ganz zu blockieren.
Ich habe mir im Überflug das Papier angeschaut – und möchte zeigen, welche Forderungen besonders klimaschädlich sind und warum sie eine echte Verkehrswende torpedieren. Kommentiert gern weitere Hinweise!
1. Verzögerung der CO₂-Flottengrenzwerte
Der VDA fordert, neue strengere Flottengrenzwerte für Pkw und Nutzfahrzeuge nicht sofort umzusetzen, sondern mit einem sogenannten „phasing-in“ erst stufenweise über zwei Jahre gelten zu lassen. Übersetzt heißt das: Die Industrie möchte sich weiter Zeit lassen – auf Kosten der Umwelt.
Folge: Hunderttausende Fahrzeuge mit höherem Verbrauch würden länger auf den Straßen bleiben – mit entsprechend mehr CO₂-Emissionen. In Zeiten eines sich beschleunigenden Klimawandels ist diese Verzögerung fatal.
2. PHEVs als Mogelpackung
Besonders problematisch ist die Forderung, Plug-in-Hybride (PHEVs) weiterhin als klimafreundliche Fahrzeuge anzurechnen. Dabei ist längst belegt: Diese Fahrzeuge fahren im Alltag überwiegend mit Verbrennungsmotor und stoßen im Schnitt mindestens doppelt so viel CO₂ aus wie offiziell angegeben.
Folge: Diese „Mogel-Hybride“ werden staatlich gefördert, obwohl sie das Klima kaum entlasten – und blockieren den dringend nötigen Umstieg auf vollelektrische Fahrzeuge.
3. Synthetische Kraftstoffe als Feigenblatt
Der VDA schlägt vor, sogenannte E-Fuels und andere synthetische Kraftstoffe als Lösung für den bestehenden Fahrzeugbestand und sogar für Neuwagen einzusetzen.
Doch Fakt ist: Die Herstellung dieser Kraftstoffe ist extrem energieaufwendig, ineffizient und teuer. Während ein Elektroauto mit 100 kWh Strom etwa 500 Kilometer weit kommt, schafft ein mit E-Fuels betriebener Verbrenner mit derselben Energie nicht einmal 100 Kilometer.
Folge: Massive Stromverschwendung, höhere Emissionen pro Kilometer und eine Verzögerung des tatsächlichen Strukturwandels. Und: Der Strom für E-Fuels fehlt an anderer Stelle – etwa beim Ausbau des ÖPNV oder der Gebäudeenergie.
4. Abschwächung der Sanktionsmechanismen
Der VDA spricht sich auch dafür aus, Strafzahlungen für Hersteller zu senken, die ihre CO₂-Ziele bei Nutzfahrzeugen nicht erreichen.
Folge: Ein zentrales Druckmittel der EU-Politik würde aufgeweicht. Wer zu viel CO₂ verursacht, müsste künftig weniger dafür zahlen – das senkt den Anreiz für Investitionen in klimafreundliche Lkw und Busse.
5. Beibehaltung von Verbrennern über 2035 hinaus
Zwar wird dies nicht direkt ausgesprochen, aber durch die ständige Betonung von „Technologieoffenheit“ macht der VDA klar: Er will die Tür für neue Verbrenner nach 2035 offenhalten – Hauptsache, sie laufen auf E-Fuels oder sind formal CO₂-neutral.
Folge: Die notwendige Klarheit für Verbraucher:innen, Hersteller und Städte wird verhindert. Ein echter Abschied vom Verbrenner bleibt in weiter Ferne – und mit ihm eine zukunftsfähige, saubere Mobilität.
Die Konsequenz: Klimaziele in Gefahr
Laut einer Analyse von Transport & Environment könnten diese und ähnliche Forderungen zu bis zu 1,4 Milliarden Tonnen zusätzlicher CO₂-Emissionen in Europa führen. Das entspricht fast dem Doppelten der jährlichen Emissionen Deutschlands.
Anstatt Vorreiter für den sozial-ökologischen Umbau zu sein, wirkt der VDA mit seinem Plan als Bremser der Transformation. Der Verband betreibt eine Politik der Kontinuität – nicht der Wende.
Fazit: Wer „Technologieoffenheit“ sagt, will oft nur Zeit schinden – oder sich gar nicht entscheiden.
Der Begriff klingt harmlos – doch er dient hier vor allem dazu, die bestehenden Geschäftsmodelle der Autoindustrie zu schützen. Statt sich auf den klaren Pfad zu einer echten Verkehrswende zu begeben, schlägt der VDA einen Umweg vor, der teuer, energieintensiv und klimapolitisch kontraproduktiv ist. Und der vor allem auf den Schultern der Verbraucher*innen ausgetragen wird.
Wer es ernst meint mit Klimaschutz, muss dieser Logik entschieden entgegentreten. Die Zukunft der Mobilität muss nicht nur technologisch, sondern vor allem sozial-ökologisch gestaltet werden – und das bedeutet: weniger Autos, mehr Raum für Menschen, und ein radikaler Abschied vom fossilen Denken.
Quellen:
- VDA – 10 Punkte zur Klimaneutralität (2024)
- Transport & Environment: „Plug-in-Hybrids are fake electric cars“ (2023)
- ICCT, Fraunhofer ISI, Agora Verkehrswende, u. a.
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