Immer wieder schreiben mir Männer Nachrichten wie diese:
„Hallo Frau Diehl, ich lese gerade Ihr Buch, bin auf Seite 102 und habe mich allerdings entschlossen, es wieder wegzulegen. Nicht, weil ich mich als Autofahrer kritisiert fühle – nein, das bin ich nicht wirklich – sondern weil ich dieses weiße-#cis-Mann-Bashing nicht mehr ertrage. Ich fühle mich von Ihnen beleidigt, obwohl ich nichts dafür kann, dass ich zu dieser Kategorie gehöre. Ich hatte mir Lösungsvorschläge erhofft und lese aber nur Beleidigungen.“
Und ich kann das sogar verstehen.
Als ich endlich damit begonnen habe, meine Privilegien als weiße, optisch gesund gelesene Frau in Deutschland zu reflektieren, war da auch ganz viel Loslassen müssen.
Von „das habe ich mir erarbeitet“ bis „das war ungerecht“.
Zum Ersten:
Ich habe sehr viel geschenkt bekommen:
Einen Pass, der in der Welt kaum Hürden kennt, eine Hautfarbe, die nicht von der Mehrheit der Weltenbürger:innen „getragen“ aber als Machtinsignium der bisher herrschenden Klasse gelesen wird, ein Elternhaus mit liebenden, gut situierten Eltern, die mir den Zugang zu Bildung geben konnten.
Zu Zweitem:
Frauen und Männer sind immer noch nicht gleichberechtigt. Daher gibt es zu Recht viele Initiativen, die auf diese #Parität hinwirken. Dennoch ist diese noch lange nicht genug, auch wenn es sich z. B. in manchen Branchen so unfassbar schwer anfühlt, als talentierte Frau Verantwortung und Leitungsjobs zu erhalten. Auch wenn es sich im öffentlichen Raum z. B. nachts unsicher anfühlt.
Da sind aber IMMER Menschen, denen es unmöglich ist, Leitungsjobs zu erhalten, Gesellschaft (mit-)gestalten zu können.
#Feministische Intersektionalität ist ein sperriges Wort, aber dennoch treffend für das, was es anzustreben gilt:
Gleiche Chancen, Teilhabe, Gestaltungsmöglichkeiten für alle!
Damit es endlich allen gut geht in einem hochentwickelten Land wie Deutschland, was so unterentwickelt ist in der offenen Reflektion von internalisiertem Sexismus, Rassismus, Behindertenfeindlichkeit – um mal ein paar der vielen -isms zu adressieren.
Ohne dass Menschen ihre Privilegien an die Gesellschaft zurückgeben, kann es keine gesellschaftliche Transformation geben, die Basis auch einer #Mobilitätswende sein muss.
Daher meine Bitte:
Überwinden Sie das Gefühl des „ich werde angegriffen“, das auch ich gespürt habe vor einigen Jahren.
Stellen Sie das „aber ich mache doch schon soviel gut“ zurück und hören Sie den wirklich Marginalisierten zu.
Reflektieren Sie Ihre Möglichkeiten und Privilegien, teilen Sie diese, nutzen Sie Ihre Macht, um eine gute Gesellschaft für alle zu starten.
Kann ich auf Sie zählen?
Bei LinkedIn sorgte dieser Text jedenfalls für hochemotionale Debatten 🙂
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