Eine Frau im blauen Mantel steht in einem Bahnhof, ihr Bild steht Kopf. Der Text: Perspektivwechsel.

Kinderliebe = Autohass!?

„Ich bin privilegiert und nicht auf ein eigenes Auto angewiesen. Aber vollelektrisch ist der einzig fahrbare Weg. Dennoch sehe ich auch auf diesem Foto ein echt großes Fahrzeug. DAS wiederum entsetzt mich bei der Elektrifizierung. Eigentlich sollte diese für alltagstaugliche Autos sorgen :(„

Das schrieb ich unter einem aktuellen Linked-In-Beitrag von Alexandra Wander.

Marc-Oliver Nandy schrieb nach einem kurzen Austausch:
„Katja Diehl das mag alles sein, mit Hass auf Autos und zu viel Druck auf die Menschen bewirken wir aber das Gegenteil. Daher individuelle Mobilität eletrifizieren, Kreislaufwirtschaft etablieren, Strom regenerativ erzeugen, Bahn und ÖPNV ausbauen und verbessern, und positive Zielbilder entwickeln.“

Und das ist bei weitem nicht etwas, was nur Herr Nandy mir gegenüber vorbringt. Für mich war es eine Zeitlang sehr verletzend, so missgedeutet zu werden, mittlerweile habe ich verstanden und akzeptiert, dass der Defaultmodus für „Mobilität“ für unsere Gesellschaft das Auto ist.

Meine Antreiber sind Menschenliebe und das Aufbegehren gegenüber Ungerechtigkeit, die anderen in unserem Land geschieht.
Im Grundgesetz ist verankert, dass wir alle ein Recht auf Unversehrtheit und auf freie Gestaltung des Lebens haben.
Das ist für Menschen mit Autos garantiert, für Menschen ohne lebt es sich in diesem autozentrierten Land in zu vielen Regionen ziemlich schlecht. Als Radfahrende muss ich unter Autos fahren, millimeterbreit überholt, dort wo 1,50 Meter einzuhalten wären, aber für Menschen in Autos nicht auszuhalten sind. Anstatt mich dort durch Überholverbote zu schützen, wo baulich unmöglich der Überholabstand eingehalten werden kann, muss ich selbst zusehen, abends ohne Blessuren wieder ins Bett zu steigen.

Und ersparen Sie uns beiden den Umweg, jetzt ins Radfahrer*innenbashing einzusteigen. Ein A****loch zu sein, ist eine allmorgendliche Entscheidung, die ich auch aktiv ablehnen kann. Da ist es egal, welches Fahrmittel ich nutze. Der Mensch im Auto wird aber immer gefährlicher sein im Vergleich zu Menschen ohne Fahrgastzelle.

Dann die Regionen, in denen Busse und Bahnen eingespart wurden und Menschen, die autozentriert dort gut leben konnten, im Alter und bei Krankheit merken, wie exklusiv diese Räume gestaltet wurden. Nicht wenige müssen ihre ländlichen Wurzeln aufgeben, ziehen in die Nähe der Kinder oder in die Nähe der Stadt, wo auch ohne Auto mobil bleiben möglich ist.

Bevor Sie Menschen wie mich mit „Autohass“ verbinden, überlegen Sie – das ist meine Bitte – welchen Vorwurf Sie damit platzieren. Gerade von einer Person wie mir, die im ländlichen Raum ihre kranken Eltern mit dem Auto fahren muss, weil diese dort keine Alternativen haben.

Sehen Sie in uns, die wir die Welt verbessern wollen, gerne die Nervigen, die überall noch Verbesserungsbedarf sehen und Autoprivilegien abschaffen wollen. Denn letztlich ist es nicht mehr als das.

Ich liebe Kinder mehr als Autos, das ist in Deutschland ungewöhnlich. Aber nicht falsch.

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3 Antworten zu „Kinderliebe = Autohass!?“

  1. Avatar von Helmut Dirks
    Helmut Dirks

    Liebe Katja,
    sehr gut geschrieben. Das bringt es auf den Punkt.
    Danke für Deinen Einsatz!


  2. Avatar von André Rohrbeck
    André Rohrbeck

    Zur Autonormativität zwei Anekdoten. Die erste wurde mir erzählt, die zweite habe ich selbst erlebt…

    Im Bereich einer Eisdiele in Kassel befindet sich ein Fußgängerüberweg, da ein Autofahrer keine Parkplatz bekommen hat, hat er sich kurzerhand auf den Gehweg neben am Zebrastreifen gestellt, d.h. vor einem abgesenkten Bordstein geparkt. An einem Fußgängerüberweg geparkt. Auf dem Gehweg geparkt und auf einem nicht Benutzungspflichten Radweg gepaart. Eine Bekannte hat den Autofahrer angesprochen. Die anderen Gäste des Eiscafes sind ihr beigesprungen, dass sie doch etwas rücksichtsvoller sein soll, man käme doch noch dran vorbei.

    Kurz danach habe ich mit meinem Lastenrad meinen Sohn zum Chor gebracht. Da ich als erster da war, habe ich mir die Freiheit genommen, auch mal direkt vor dem Ziel zu parken. Also brav – wie man das macht – am rechten Fahrbahnrad angehalten und Fahrrad abgeschlossen. Als ich schon am Gehen war, kam ein anderer Vater: „Hast Du da so schön geparkt!“ Offensichtlich war er im Stress, weil er spät dran war und keinen Parkplatz vor der Kirche mehr ergattern konnte. Leider war ich zu perplex, um zu entgegnen, dass ich gerne auch nächstes Mal mit dem Auto kommen kann, um mehr Straßenraum zu okkupieren… Hinter mir standen drei PKWs, alle länger als mein Fahrrad…

    Wir sind als Gesellschaft so blind geworden…

    Danke, Katja, für das Öffnen der Augen!


    1. Danke für das Teilen dieser Schildbürger-Beobachtungen André. Manchmal ist das Leben ein unstoppable Augenrollen… wir ändern das, zusammen!


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