Viele haben die Rede von Bundestrainer Julian Nagelsmann hier bei LinkedIn und auch auf anderen Plattformen gefeiert.
Ich habe in Kommentarspalten dazu bereits mein Unbehagen geäußert. Weil ich viel unterwegs war in Regionalbahnen und Sexismus gegen mich und Rassismus gegen andere erlebte. Affengeräusche am Bahnsteig – nur mal so als Hint.
Heute aber habe ich ein Interview gelesen, das für mich sehr gut analysiert, was diese EM vor allem war:
(Zu) unpolitisch.
Daran ändern weder pinke Trikots noch einzelne Redebeiträge etwas.
Seit heute weiß ich, dass es „Fanforscher“ gibt. Harald Lange ist so einer. Ich zitiere:
„Harald Lange: Bei der WM in Katar 2022 hat die politische Ebene – zumindest in Deutschland – in der Öffentlichkeit den größten Raum eingenommen. Da war die Politik sogar wichtiger als das Spiel an sich. Man hat seitens der Fußballverbände gemerkt, dass das ein ganz schwieriges Thema für sie ist und die handelnden Akteure nur bedingt in der Lage sind, auch als politische Akteure gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
In Katar hat der DFB-Präsident eine klassische sportpolitische Bauchlandung hingelegt. Dann fand ich bezeichnend, dass Rudi Völler die Bühne betrat, dem man abnimmt, dass er die Politik hinten anstellen kann. Meine Interpretation ist, dass man sich aufgrund seiner Beliebtheit und seines Standings insbesondere in Kreisen des deutschen Sportjournalismus daran gehalten hat, dass man sich auf den Sport konzentrieren möge. Man merkt: Bei dieser EM wird seitens des DFB alles dafür getan, dass keine politischen und wertebezogenen Statements in die Öffentlichkeit getragen werden.
Ist das problematisch?
Dahinter steht eine gewisse Doppelmoral. Man hat in den vergangenen Jahren Abkommen mit dem ukrainischen Fußballverband getroffen, auch auf einer symbolpolitischen Ebene. Gleichzeitig haben die DFB-Vertreter in den internationalen Gremien – allen voran Bernd Neuendorf vom DFB und Hans-Joachim Watzke von der Uefa – ohne große Debatte mit „Ja“ gestimmt, als es darum ging, ob russische Nachwuchsmannschaften wieder an internationalen Wettbewerben teilnehmen dürfen. Vor allem die skandinavischen Verbände haben Druck dagegen gemacht. Man hätte also gute Gesellschaft gehabt, um Opposition zu üben.
Ein besonders augenscheinliches Beispiel war die Pressekonferenz von Julian Nagelsmann und Joshua Kimmich, nachdem der WDR eine Studie zum Thema Rassismus veröffentlicht hatte. Die Reaktionen waren sehr deutlich. Julian Nagelsmann hat das abgebügelt, das habe ich für unangemessen gehalten. Der Wunsch, die Politik rauszuhalten, ist wesentlich größer als der Wunsch, solch eine Debatte zu führen. Der Sportjournalismus hat es praktisch nicht mehr aufgegriffen.
Das ist die sportpolitische Hilflosigkeit, die wir gegenwärtig in der Chefetage des deutschen Fußballs erleben.
Viele der sogenannten Eventfans setzen sich nicht politisch mit dem Turnier auseinander.“
Meine Frage: KANN Sport unpolitisch sein?
Sollten diese hoch bezahlten Herren Verantwortung übernehmen oder sich „raushalten“?
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