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Zu Gast im China-Magazin des Goetheinstituts: Peak Car, Emotionen, Stau & Ungehorsam

Immer mehr Autos sind auf den Straßen – Katja Diehl, Mobilitätsaktivistin und Influencerin möchte daher das Recht einführen, ein Leben ohne eigenes Auto führen zu dürfen.yì magazìn: Du magst Autos nicht.

Katja Diehl: Ich hasse Autos nicht, ich finde für bestimmte Zwecke sind sie auch total geeignet. Es geht mir nicht darum, die Automobilität zu hinterfragen, sondern viel mehr die private Automobilität in dem Sinne, dass ich das Auto besitze. In dem Moment, wo Autos geteilt werden, wo Fahrzeuge sich bewegen, die geteilt werden, gibt es eine sehr viel höhere Effizienz in der Mobilität. Ich warne aber auch davor, Automobilität als etwas zu betrachten, was immer funktioniert. Nach dem Motto: „Wenn gar nichts mehr geht, kannst du noch immer noch Auto fahren.“ Das funktioniert nicht für Leute die krank sind, die alt sind, die kein Geld haben, um ein Auto zu bezahlen, aber auch für Leute, die überhaupt keines haben wollen.

Warum wirst Du als Mobilitätsaktivistin gesehen?

Mir wurde einmal gesagt, dass das, was ich tue, nämlich die Fokussierung auf das Auto zu hinterfragen, bereits Aktivismus sei. Ein Auto bewegt sich 45 Minuten am Tag, also durchschnittlich nur drei Prozent des Tages überhaupt und es gibt die Statistik, dass ein Auto nur 45 Minuten mit 1,3 Personen fährt. Ich möchte Mobilität gerne wieder zu dem machen, was sie sein sollte, nämlich verkehrsmittelunabhängig genau die richtige Art der Bewegung, um von A nach B zu kommen. Das Problem ist auch, dass Automobilität sehr billig ist, weil sie unglaublich subventioniert wird und dass das Auto und die Autofahrenden immer noch so viel besser angesehen werden als Menschen, die kein Auto haben.

Die Verkaufszahlen von immer größeren Blechkisten steigen.

Ja genau, ich habe ja diesen Maximal-Eventual-Bedarfs-PKW als Begriff, was bedeutet, dass wir die Autos so kaufen, dass sie alle möglich denkbaren Szenarien erfüllen. Der IKEA-Schrank muss reinpassen, das Auto muss die Italien-Reise und den Besuch von Oma auf dem Land abdecken. Ähnlich ist auch die Infrastruktur ausgelegt und dann sind wir aber dennoch in einer Welt, in der sich parallel 10 Prozent der ungefähr 49 Millionen Autos gleichzeitig bewegen. Es sind nie mehr als 10 Prozent! In Deutschland ist es wissenschaftlich nachgewiesen.

Zeit also die „heilige Kuh“ des Autoverkehrs einmal anzugehen?

2021 – für mich das Jahr der Peak Car – müssen wir es in Deutschland schaffen, diesen riesigen Haufen Blech abzubauen, aber wie gesagt, nicht mit der Ablehnung von Automobilität, sondern mit einem Andersdenken von Automobilität. Ich weise immer darauf hin, dass der erste Paragraph der Verkehrslehre ist, Wege zu vermeiden. Also sich nicht zu bewegen. Will heißen: Videokonferenzen statt Interkontinentalflüge. Das vergessen viele, den Weg erstens nicht zu machen, soweit er nicht notwendig ist und ihn zweitens so zu verlagern, wie zum Beispiel vom Auto auf die Schiene, dass er klimarelevanter im positiven Sinne ist.

Und trotzdem werden nun in Deutschland 850 Kilometer Autobahn neu gebaut.

Das ist einfach Irrsinn in einer Zeit der Klimakrise sowas noch zu tun, weil Beton der schlimmste CO2-Verursacher ist und man gesunde Wälder abholzt für ein Verkehrsmittel ohne Zukunft: Das privat besessene Auto. Auch das ist wissenschaftlich belegt: Wenn du eine Bahn baust, dann bekommst du Bahnfahrende, wenn du eine Autobahn baust, dann bekommst du Autofahrende, wenn du Radwege baust, die sicher sind, bekommst du Radfahrende. Das hat auch meiner Meinung nach leider kein Politiker und keine Politikerin in Deutschland bisher gesagt, dass wir weniger Autos haben müssen. Das vermeiden alle, laut auszusprechen, obwohl es hier kein Wachstum mehr geben darf. Und das, wo wir nun 2021 Bundestagswahlkampf haben. Das Auto ist so ein heiliger Gral. Und wenn wir nach Paris schauen, dann merkt man sofort, dass Anne Hidalgo als Bürgermeisterin ein unglaubliches Tempo der Transformation durchführt, dass es sofort spürbar ist, hier passiert in der Mobilität etwas.

Einer deiner Kundinnen hat einmal gesagt, dass du so etwas wie eine Mobilitäts-Influencerin seist. Wie wichtig sind die digitalen Plattformen für dich, um eine Verkehrswende besser zu vermitteln?

Ich nutze die Plattformen, um meine Gedanken mit konkreten Beispielen zu veranschaulichen. Diese Beispiele helfen dann zu sagen, wie wäre es denn, wenn man da hinkommt? Ich weiß gar nicht in welcher niederländischen Stadt das war, aber die Stadtverwaltung hat pro Jahr drei Prozent der Parkplätze weggenommen. Es funktioniert also ähnlich wie ein leichter Entzug: Nicht von jetzt auf gleich die Welt ändern, sondern stückweise. Die sozialen Medien eröffnen somit viele Möglichkeiten und das zieht sich auch durch meinen ganzen Twitter.

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