Podium in Luxemburg.

Zu Gast beim Vizepremier von Luxemburg: Komfort vs. Lebensqualität.


MOBILITÄT Podiumsdiskussion zum Stellenwert des Autos mit Katja Diehl
Von: Philip Michel


„Jeder soll das Recht haben, ein Leben ohne Auto zu führen“: Das ist das Ziel von Katja Diehl, deren Buch „Autokorrektur“ es in die Spiegel-Bestsellerliste geschafft hat. Diehl fordert die Verkehrswende, einen neuen Blick auf Mobilität. Das geht nur mit einer Abkehr vom Auto. Am Dienstag war die Schriftstellerin und Mobilitätsexpertin in Luxemburg zu Gast.
„26 Millionen Menschen in Deutschland können kein Auto fahren. Das heißt für mich, dass das Auto nicht die Lösung sein kann“, sagt Katja Diehl. Für ihr Buch „Autokorrektur – Mobilität für eine lebenswerte Welt“ hat sie Gespräche mit 60 überzeugten Autofahrern geführt und immer wieder dieselbe Frage gestellt: „Kann eine Person ohne Führerschein dein Leben leben?“ Die Antwort aller: Nein. Nach dem Gespräch mit ihr hätten sie eine andere Meinung gehabt, sagt die 1973 geborenen Hamburgerin. Und zwar alle.


Wer so etwas sagt, der legt sich mit der Autolobby an. Und die ist im Land von Mercedes, VW und BMW ein mächtiger Gegner. In Luxemburg weniger, doch weist das Großherzogtum immerhin den höchsten Motorisierungsgrad in Europa auf, wie Mobilitätsminister François Bausch („déi gréng“) bei der Podiumsdiskussion am Dienstagabend im „Cercle Cité“ betont. Will heißen, dass das Auto auch hierzulande einen Stellenwert hat, der rational in Zeiten von Klimawandel und Energiekrise nicht zu erklären ist. „Die Wende muss in den Köpfen stattfinden“, unterstreicht Bausch, der allerdings auch betont, dass sich viel in den letzten Jahren verändert hat: „Die Bevölkerung ist viel weiter als die Politik“, sagt er und meint damit, dass sich auch heute noch zu viele Mandatsträger vom Geschrei der Autolobby in den sozialen Netzwerken einschüchtern lassen.


Hassen Sie Autos?


Davon weiß auch Katja Diehl ein Lied zu singen. Sie ist spätestens seit dem Erscheinen ihres Buches im Frühjahr dieses Jahres zur Zielscheibe geworden. „Ich finde Ihre Kombination bei den Ministerposten sehr gut“, sagt sie dazu lachend in Richtung Bausch, „Mobilität und Verteidigung“. In ihrer Einleitung hatte sie zuvor betont, dass sich ihre Lesungen stets im Richtung Stand-up-Comedy entwickeln, „weil es so absurd ist“. Absurd wie die Unterstützung der Deutschen Regierung für die Autoindustrie. Absurd wie die Diskussion über ein Tempolimit. Absurd wie die Begeisterung für den Straßenbau. Und absurd, wie das Auto die Lebensqualität vor allem in den Städten beeinträchtigt. Absurd deswegen, weil man sich dazu verpflichtet habe, die Pariser Klimaziele zu erreichen, und trotzdem am Auto festhalte, obwohl es Alternativen gäbe. „Als das Buch herauskam, wurde ich immer wieder gefragt: ‚Hassen Sie Autos?’ Aber ich habe zu einem Auto doch keine Beziehung, es ist ja nicht mein Ex-Freund oder so. Ich selbst fahre immer weniger Auto, weil es mir keinen Spaß mehr macht.“ Meistens fährt Katja Diehl, wenn sie bei ihren Eltern im ländlichen Raum unterwegs ist und Besorgungen für sie macht. Diehl ist demnach weit davon entfernt, das Auto zu verteufeln, wie es ihre Kritiker behaupten. Sie ist nicht per se gegen die Nutzung von Autos, sondern möchte einen intelligenteren Umgang mit ihnen. „Als ich am Montag am späteren Abend in Luxemburg ankam, da war hier noch immer Stau. Und immer saß eine Person im Wagen. Und ich brauche Ihnen ja nicht zu erklären, welche Art von Autos hier hauptsächlich unterwegs sind.“


Ein schwieriger Prozess ist die Verkehrswende, das wird im Podiumsgespräch immer wieder betont. Selbst wenn sie François Bausch 2013 in Luxemburg eingeleitet hat, so ist sie für Florian Hertweck von der Universität Luxemburg untrennbar mit dem Wachstum und der daraus resultierenden Frage nach der Raumaufteilung respektive der Flächennutzung verbunden. „Das Beispiel Paris zeigt, dass Städte in 20 Jahren autofrei sind bzw. sein können, aber wie gehen wir mit dem Rest um?“, fragt Hertweck. Europa hat den Vorteil, dass die Städte schon vor dem Auto da waren, also ein Rückbau durchaus möglich ist, findet Diehl. „Einige der Lösungen liegen in der Vergangenheit“, sagt sie, „aber die Vergangenheit ist halt unsexy.“


Sie möchte, dass den Menschen der momentan in den Städten für das Auto reservierte Platz zurückgegeben wird. „In Paris hat zunächst jeder über die Politik von Anne Hidalgo geflucht. Warum? Weil sie nicht mehr vor der eigenen Haustür parken konnten. Jetzt aber merken sie, dass es ohne Autos viel schöner ist, dass mehr Platz da ist und dass die Luft sauberer ist“, meint Katja Diehl.
Fazit: Die Nibelungentreue der Menschen in Deutschland und auch in Luxemburg zum Auto hat zwar auch mit Status zu tun, aber in allererster Linie mit Bequemlichkeit. Dass dieser Komfort im Grunde genommen die Lebensqualität der Menschen – Stichwort Stau, Platzmangel oder Luftverschmutzung – negativ beeinflusst, ist auch etwas, was Katja Diehl absurd nennt. Alternativen gibt es, zumal in Luxemburg, wo massiv in den öffentlichen Transport und die Förderung der sanften Mobilität investiert wird.
Momentan befindet sich die Mobilitätsexpertin Katja Diehl auf Lesereise. Ihr Buch „Autokorrektur“ hat ihr nicht nur Freunde eingebracht.

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