Screenshot aus meinem Vortrag.

Zu Gast bei „Die Presse“: Das Recht auf ein Leben ohne Auto.

Katja Diehl ist Bestsellerautorin, Aktivistin und Podcasterin und beschäftigt sich mit der intersektionalen Verkehrswende. Hinter dem sperrigen Begriff steckt die Frage, wie die Transformation angesichts der zahlreichen aktuellen Krisen zu bewerkstelligen ist. „Wir können heute damit beginnen, eine Zukunft für alle zu bauen“, meint Diehl, wobei die Frage nach der Wahl des Transportmittels nicht die relevanteste ist.

Vielmehr stelle sich die Frage, wie wir morgen leben wollen, denn bisher könne man denken, dass das Auto jene Spezies ist, die die Welt beherrscht und in alle Lebensbereiche vorgedrungen ist. „Wir haben ein bisschen übertrieben mit der Automobilität“, sagt Diehl. „In Deutschland leben aktuell 84 Millionen Menschen und es gibt 49,1 Millionen Autos.“ Daraus leitet sie ihre Forderung ab, dass jeder Mensch in Zukunft das Recht haben sollte, ohne Auto zu leben. Es gäbe andere Möglichkeiten sich fortzubewegen, etwa mit Leihautos, Carsharing oder auf alternativen Wegen, ganz ohne Auto. Beispielsweise eben auch mit der Bahn. Zur Umsetzung brauche es Leadership, folgert Diehl, und eine Änderung der Lebensgewohnheiten.

Allerdings werde die Diskussion emotional geführt, weil es um Privilegien gehe. „Es ist ganz normal, überall mit dem Auto zu fahren und es auch überall abstellen zu können“, skizziert Diehl das Problem, das es erst seit den 1960er-Jahren gibt. Davor benötigte jeder Automobilbesitzer eine private Abstellmöglichkeit. „Es sind genau diese Privilegien, die wir hinterfragen möchten, denn Privilegien bedeuten auch immer Belastungen für andere“, führt die Autorin aus. „Viele Menschen sind der Meinung, dass es das Recht auf den Parkplatz vor der Haustüre gibt. Doch was wäre, wenn dort die eigenen Kinder spielen könnten?“

Einen Ausweg zeigte die Pandemie, als es auf einmal möglich wurde, dass viele Menschen von zu Hause arbeiten konnten. „Das ist die erste Regel der Verkehrswende, Wege zu vermeiden“, folgert Diehl, die ihre Key­note bei den Mobilitätstagen der „Presse“ per Videoschaltung aus Deutschland ablieferte, ohne nach Österreich anzureisen. „Muss ich gewisse Wege antreten oder kann ich sie virtuell zurücklegen?“ In Folge stellt sie die Sinnhaftigkeit von Geschäftsreisen für Meetings per Flugzeug in Frage: „Kann das nicht in den virtuellen Raum verlagert werden? Hier geht keine Lebensqualität verloren, sondern wir gewinnen Zeit für die wichtigen Dinge im Leben.“

Auto alternativlos?

Allerdings sitzen viele Menschen im Auto, da es keine Alternativen dazu gibt, weil sie auf Barrierefreiheit angewiesen sind, sich darin sicherer fühlen als im öffentlichen Raum und weil sie sich Öffi-Tickets nicht leisten können. Diehl verweist auf das Neun-Euro-Ticket in Deutschland, mit dem viele Bus und Bahn nutzten, die sich das sonst nicht leisten konnten, wie ältere Menschen oder Kinder aus kinderreichen Familien: „Das billige Ticket hat Menschen zur Mobilität gebracht.“

In den Pariser Klimaverträgen verpflichtete man sich zur Dekarbonisierung, doch manchmal stehe sich die Politik dabei selbst im Weg. „Wenn man Auto fahren will, soll man das auch können, aber gleichzeitig dafür sorgen, dass Menschen, die von der Automobilität ausgeschlossen sind oder sie nicht nutzen wollen, eine Alternative erhalten“, fordert Diehl. Ihr neues Buch „Raus aus der ­AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen!“ (349 Seiten, 20,95 Euro) ist übrigens ­Ende Mai bei S. Fischer erschienen.

Meine Keynote und alle weiteren Inhalte sind auf der Seite von Die Presse weiterhin abrufbar.

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