Hier geht es um Ereignisse vom 30. August 2021.
Ich habe mir noch nie viel Gedanken um das Wort „zerstört“ gemacht.
Woran denkst du zuerst, wenn du dieses Wort liest? An Dinge, an Rezo?
Ich beziehe das Wort Zerstörung oder das Verb zerstören tatsächlich nie auf Menschen. Rezo ist da die einzige Ausnahme, seine Zerstörung der CDU ist ja auch fast zu einem geflügelten Wort geworden. Der Duden wählt zur Erläuterung des Verbs zerstören den Satz: „die von dem Erdbeben hinterlassenen Zerstörungen“. Und damit so ziemlich genau das, was ich im Kopf habe, wenn ich „zerstört“ denke.
Weitere Quelle:
Wortbedeutung/Definition:
1) die Handlung, etwas zu zerstören (kaputt zu machen)
2) der Zustand einer Sache, die zerstört wurde
Synonyme:
1) Destruktion, Vernichtung, Zerschmetterung
2) Vernichtung
Gegensatzwörter:
1) Aufbau, Wiederaufbau, Kreation, Schaffung
Untergeordnete Begriffe:
1) Kulturgüterzerstörung, Selbstzerstörung
Anwendungsbeispiele:
1) Die Zerstörung der Natur durch die Industrie ist erschreckend.
2) „Nach dem ersten Weltkrieg begann man Anfang 1919 gemäß den Versailler Bestimmungen mit der Zerstörung der Koblenzer Festungswerke.“
Das hat jetzt wenig mit Verkehrswende zu tun – denkt ihr.
Meine Arbeit: für eine menschenzentrierte, kinderfreundliche, inklusive und vielleicht auch fröhliche Verkehrswende tätig sein. Gleichberechtigung im Verkehr. Wer Auto fahren will, soll das tun, jedoch die Privilegien dieses statistisch überwiegend stehenden Dings mit allen anderen teilen, die auf andere Weise unterwegs sind.
Es gibt tatsächlich kein Recht auf kostenlose Parkplätze, schon gar nicht im öffentlichen Raum, schon gar nicht im öffentlichen Raum vor deiner Haustür.
Es gibt kein Recht darauf, die Atemluft anderer zu vergiften.
Es gibt kein Recht darauf, mit dem Lärm der eigenen Fortbewegung andere krank zu machen.
Wir leben jedoch in einer Welt, die so tut, als ob es diese Rechte gibt – und als ob die Rückführung unserer Räume auf Lebensqualität für alle der Verlust von Freiheit für Autofahrende ist.
Woher, wenn es denn Freiheit sein soll, kommt denn diese? Kann Freiheit bedeuten, dass ich sie habe, diese Freiheit aber andere Menschen einengt, gefährdet, ggf. sogar tötet.
Immer wieder geschehen durch meine steigende Reichweite bei Twitter Dinge, die mich zutiefst verletzen. Sei es, dass Menschen mir eine bestimmte sexuelle Orientierung zuschreiben, ohne je mit mir gesprochen zu haben. Sei es, dass sie mir Dinge vorwerfen, die aufgrund meiner eigenen Historie übergriffig sind. Sei es, dass sie mich als psychisch krank und autohassend betiteln.
Vor ein paar Tagen war es dann so weit, dass ich erstmalig meinen Twitter-Account deaktiviert habe. Ulf Poschardt, Don Alphonso und viele weitere Springer-Journalismusdarsteller:innen haben sich hervorragend um mich gekümmert. Screenshots von einem Satz gemacht, den ich getweeted habe. Sie waren also nicht an Diskurs MIT mir interessiert, sondern an Diskurs ÜBER mich. Das übliche Verfahren, wir kennen es – und vor allem ich kenne es. Wer tiefer einsteigen möchte, kann sich mal über so genannte „non mentions“ informieren.
Es ist schlimm genug, dass ich mich an diese Art Hass von Menschen gewöhnt habe. Diese Menschen sind mir ziemlich egal. Nur die Tage, an denen sie sich an mir abreagieren, sind anstrengender als andere.
Der Satz, den ich 30. August 2021 getweeted habe, lautete:
„Autoverkehr hat in Europa mehr zerstört als die Kriege, die es durchlitten hat.“
Nie im Leben wäre ich darauf gekommen, dass Menschen aus diesem Satz Holocaustrelativierung und Antisemitismus herauslesen.
Warum?
Weil ich Tochter, Enkelin von Kriegsopfern und geflüchteten Menschen bin. Nachträglicher Kommentar, weil auch aus diesem Artikel Screenshots im Februar 2022 genutzt wurden: Und daher nicht auf die Idee gekommen bin, dass ein Tweet von mir so böswillig missgedeutet werden kann. Ich habe um Entschuldigung bei Jenen gebeten, die mich nicht kennen und daher den Zusammenhang des Tweets nicht hatten. Von allen anderen hätte ich mir gewünscht, dass sie mich kontaktieren, statt über mich zu sprechen.
Ich schreibe aktuell ein Buch. Aktuell bin ich in der Recherche um die zerstörte Infrastruktur nicht durch die furchtbaren Bombenangriffe im 2. Weltkrieg, sondern um das, was danach kam. Die Zerstörung gesunder Stadt- und Landstrukturen durch die autozentrierte Stadt- und Landplanung eben genau nach den Kriegen.
Der Zweite Weltkrieg hat die deutschen Städte verwüstet, doch Experten meinen, dass der Wiederaufbau mehr Bausubstanz vernichtet hat als der verheerende Bombenkrieg.
Wusstest, du…
Dass Hannover zugunsten der autogerechten Stadt einen so genannten „zweiten Abriss“ erfuhr?
Dass es das Ideal der autozentrierten Stadt als Planungsgrundlage gab?
Dass Städte für Stadtautobahnen in zwei Teile geschnitten wurden?
Dass Stadtkerne nicht wieder aufgebaut und Altstadtkerne, die die Kriege überlebt hatten, willentlich zerstört wurden?
Dass gesunde Nahversorgung eingestellt wurde, weil sie sich durch das Auto nicht mehr lohnte?
Dass Wege sich durch das Auto verlängert und funktionierende Landschaften dadurch dysfunktional wurden?
Auch in der Stadt wurden ganze Stadtviertel dem Autoverkehr geopfert.
Straßembahnen wurden eingestellt, ihre Infrastruktur abgebaut, Gleiches geschah mit dem Fernbahnsystem
Nach der Wende wurden 40 Prozent der Schienenstrecken in den ostdeutschen Ländern stillgelegt.
Es entstanden reine Schlafstädte an den Rändern von Metropolen, ohne jedwede Funktion außer der des Wohnens.
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