Klimakrise – Autokrise

Stimmt es?
Brachte Corona die Branche in die Krise?
Und was ist mit der Krise bzw. dem Kollaps unseres Klimas? Wie unterscheiden sich diese beiden Begriffe? Sind diese beiden Krisenbegriffe vielleicht diametral?
Kann die Klimakrise nur durch eine Krise der Autoindustrie abgemildert werden, weil die Autoindustrie Wachstum als das einzige Erfolgsäquivalent kennt?
Ihr Erfolg beruht auf Absatzzahlen. Das hat die Pandemie und die Erzählungen in dieser Zeit gezeigt. Und nicht auf irgendeinem Absatz, sondern auf dem Verkauf von möglichst großen Maximaleventualbedarfsfahrzeugen, denn mit diesen wird die meiste Marge erzeugt.

Zwischenfazit:
Das, was für das Klima die Krise ebnet, übergroße, fossil betriebene PKW, ist für die Autoindustrie Erfolg.

Hier zieht sich der erste Riss durch die Betrachtung des Begriffs „Krise“. Denn die Krise der Autoindustrie wurde nicht durch die weltweite Pandemie ausgelöst.
Sie war schon längst da.
Und sie wurde durch Corona abgefedert.
So meine These.
Denn: Im Juli 2020 wurden in Deutschland rund 315.000 Personenkraftwagen neu zugelassen und damit rund 5 Prozent weniger als im Juli 2019. Das ist keine Krise, vor allem, wenn ich andere Branchen betrachte, die mehr Menschen beschäftigen, also zum Beispiel die Gastronomie und Eventbranche. Diese würden in einer Pandemie bei fünf Prozent Einbußen wahrscheinlich nicht von Krise zu sprechen wagen. Ich weiß, ich soll nicht vergleichen, hier fällt es mir aber wirklich schwer, weil ich finde, dass alle gleichberechtigt behandelt werden sollten. Und Hilfe erhalten, wenn sie in einer Krise sind. Die in meiner Welt nicht schon bei fünf Prozent Absatzrückgang beginnt.

Aktuelle Meldung des ADAC vom 6. August „Einige deutsche Automobilhersteller konnten im Vergleich zum Vorjahresmonat deutlich zulegen. Den größten Anstieg verzeichnete Mini mit 35,7 Prozent, gefolgt von BMW mit 17,4 Prozent und Mercedes mit 10,7 Prozent. Auch Porsche folgte dem Trend, jedoch nur mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent.“

Plus: DER MARKT zeigt euch, wohin die Reise geht: „Während die Neuzulassungen bei Benzinern und Diesel-Pkw zurückgingen, verzeichneten Fahrzeuge mit alternativen Antrieben zum Teil dreistellige Zuwächse. Im Juli 2020 wurden 143,5 Prozent mehr Pkw mit Hybridantrieb zugelassen als im Vorjahresmonat. Besonders beliebt sind dabei die Plug-in-Hybride, die sogar um 484,7 Prozent zulegten. Bei den reinen Elektro-Pkw lag der Zuwachs bei 181,7 Prozent.
Bezogen auf alle Neuzulassungen im Juli lag der Anteil von Hybrid-Fahrzeugen bei 16,7 Prozent (davon 6,1% Plug-in-Hybride) von Elektro-Pkw bei 5,3 Prozent. Damit verfügt mehr als ein Fünftel aller Neuzulassungen über einen alternativen Antrieb.“
Die Rechnung ging also auf: Es verkaufen sich jede Menge #DreckAmStecker, aber auch vollelektrische und damit zukunftsfähige Fahrzeuge.

Zunächst ziehe ich meinen Hut und verbeuge mich tief vor allen Menschen, die den Lobbyismus für diese Industrie gestalten. Ihr habt was drauf. Ihr seid Magier:innen der Gehirnwäsche. Ihr seid erfolgreich! So erfolgreich, dass sogar Menschen ohne Auto vieles nicht hinterfragen, was ihren Alltag einschränkt – durch PKW.
Ihr habt nicht nur geschafft, dass wir Stehzeuge „ruhenden Verkehr“ nennen, damit er am Straßenrand bevorratet werden darf, wir kaufen auch im fünften Jahr des bis heute nicht aufgeklärten und aufgeräumten Dieselskandals gerne eure Produkte.
Die immer noch nicht halten, was sie versprechen.
Die aber auch nicht halten, was sie laut EU-Gesetzgebung halten sollten: Minimumabgaswerte.
Was, das gebe ich zu, euch auch erschwert wird, denn die aktuelle Situation ist Maßstab für zukünftige Auflagen – und das hemmt euch als wirtschaftlich agierede Unternehmen an der Übererfüllung, die zwar gut für das Klima, aber schlecht für eure Bilanzen wäre.
Aber: Ich schweife ab.

Krise. Wo war ich?

Schon weit vor Corona brachen die Absatzzahlen ein, weil wichtige Märkte von euch, die ja schon lange nicht mehr in Deutschland liegen, nicht mehr eure fossil betriebenen Verbrennern kaufen wollten. Eure Fürsorge gegenüber Mitarbeiter:innen hat euch nicht auf diese Trends reagieren und die Transformation beschleunigen lassen – und dabei waren die Signal weltweit zu empfangen:

  • China übersprang das fossile Kapitel (weil es das nicht selbst gestalten und daran gewinnen konnte) und pushte qua Staatsmacht Elektroantriebe (die ihr nicht in der Lage zu liefern wart).
  • In Amerika machten sich Tech-Konzerne wie Google, Tesla und Apple auf den Weg, das Autofahren zu revolutionieren. ja! ich sehe Tesla als Tech- und nicht Autokonzern und genau das ist das Fatale für euer Business des Autoabverkaufs.
  • Diese Firmen haben in ihrem Geschäftsmodell keinerlei Fetisch für das Autobesitzen, sie wollen es auf Sicht überflüssig machen – und damit auch die Kernkompetenz von Autobauen im Wert minimieren zu Zulieferern.
  • Ihr Geschäft dreht sich nur noch um Daten und Mobilitätsservices. Um erlebbare Updates, autonomes Fahren. Der Abschaffung des Lenkrades, das uns Deutschen in der Hand zu halten noch so wichtig ist.

Zahlen der Deutschen Welle aus dem Juni 2019: „Volkswagen liegt mit seiner Kernmarke nach fünf Monaten mit weltweit rund 2,46 Millionen ausgelieferten Autos fünf Prozent unter dem Vorjahreswert. Daimler verkaufte mit der Stammmarke Mercedes-Benz bisher ebenfalls knapp 5 Prozent weniger Autos, bei Audi waren es fast 6 Prozent weniger.“

Schlagzeilen aus dem Oktober 2019: Bosch streicht in den nächsten zwei Jahren 1600 Stellen in der Antriebssparte, Mahle macht Standorte dicht und die großen Zulieferer Weber Automotive und Eisenmann sind insolvent. Continental will in Deutschland 7000 Stellen streichen. In der Branche ist die Rede von „Kahlschlag“, „Pleitewelle“ und „Angst“.

Hmmmmm…. Sind das nicht die Narrative, die jetzt benutzt werden, um die Krise auf Corona zurückzuführen?

Letztes Jahr gab es eine IAA, die zudem aufzeigte, wie gering internationale Anbieter:innen die Rolle dieser rückwärtsgewandten Präsentation von Blech mittlerweile einschätzen. Hochglänzende, illustre Marken wie Ferrari, Bentley, Maserati, Lotus und Aston Martin fehlten. Branchengrößen wie Toyota, Renault oder Fiat Chrysler sagten ihre Teilnahme ab. Fazit: Ein Fünftel weniger Aussteller:innen. Lauter als eure Messeauftritte und -präsentationen war der Protest gegen die fossile Verbrennershow. Bei einer bunten Party am Samstag kamen Familien und Freund:innen zusammen zu Fuß, mit dem ÖPNV und auf dem Rad, um euch zu zeigen, WAS die Zukunft der Mobilität ist. Doch auch an diesem Format haltet ihr fest, München freut das.

Das Fazit des Spiegels zur IAA fiel bitter aus: „Weltweit verkaufte die Branche im ersten Halbjahr 2019 rund fünf Prozent weniger Autos als im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Allein in ihren wichtigsten Exportmärkten China und USA mussten die deutschen Hersteller seit Beginn des Jahres Rückgänge von mehr als 20 Prozent hinnehmen. Und Experten sind überzeugt, dass dies erst den Beginn einer langen Phase des Abschwungs markiert.“

Hmmmmm…. SO doll war da schon die Krise?

  • Warum aber habt ihr diese reale Krise so viel weniger nach außen gekehrt als die jetzige?
  • Warum habt ihr selbst durch Verschleppung der Elektromobilität seit zehn Jahren Zweifel an dieser Technologie immer wieder gesät?

Wir nähern uns einem Kipppunkt, an dem die Klimakrise wirklich nur noch mit einer umfassenden Krise der Autoindustrie abgemildert werden kann: Denn ihr definiert Krise durch Absatzeinbrüche. Und diese kämen, wenn ihr weniger Maximaleventualbedarffahrzeuge verkauft, an denen ihr die meiste Marge verkauft, und mehr kleine elektrisch betriebene Alltagsautos, die weit weniger Marge und Ersatzteilumsätze bedeutet.

Der SPIEGEL erneut:

„Aus heutiger Sicht stehen die Chancen vielleicht bei 50 zu 50, dass die deutsche Automobilindustrie in zehn Jahren noch zur Weltspitze gehört“, erklärte VW-Chef Herbert Diess jüngst der „Wirtschaftswoche“. Auch der erst kürzlich ausgeschiedene Daimler-Boss Dieter Zetsche äußerte Zweifel, dass Unternehmen per Naturgesetz ewig existierten.

Auf die deutsche Autoindustrie kommen harte Zeiten zu, davon ist auch Roland-Berger-Mann Mogge überzeugt. „Nicht alle Unternehmen der Branche werden überleben“, sagt er. „Welche es schaffen und wer künftig gefährdet ist, hängt vor allem von der Fähigkeit ab, sich den Veränderungen anzupassen“.

Fazit: Ihr habt die Krise längst in euren Autohäusern gehabt, sie aber nicht gestaltet. Die Pandemie war euch Chance, politisch nochmal Gelder einzufordern. Ich bitte euch inständig: Konzentriert euch auf die Transformation und nicht auf eine falsche Darstellung. Ihr verkauft grad vor allem riesige PKW, die Margen abwerfen, die ihr nicht nur zu 20 Prozent (wie im letzten Jahr), sondern zu 100 Prozent in Forschung und Entwicklung stecken solltet. Gestaltet den notwendigen Wandel nicht nur für eure Enkel, sondern mit den Mitarbeiter:innen in euren Konzernen. Bildet sie weiter und bereitet sie proaktiv auf eine Zukunft vor, in der sehr wenige Menschen ein Auto besitzen. Ich befürchte sonst, dass ihr zu Zulieferern werdet. Dabei könntet ihr tolle Fahrzeuge für öffentliche Verkehre bauen, die allen gefallen und deren Komfort überzeugt. Das wäre fantastisch.

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