Zu Gast im Mobimag der Schweiz: Verkehrsaktivistin Diehl: «Kein Mensch hätte nach einem SUV verlangt. Nie im Leben»

Frau Diehl, vor kurzem haben Sie gesagt, als eine Frau, die kein Auto besitzt, möchten Sie kein Mensch zweiter Klasse sein. Was meinen Sie damit? 
Ich schreibe gerade ein Buch. Darin widme ich mich den Menschen, die wir unsichtbar machen, weil wir uns auf das Auto stützen – Menschen, die etwa wegen ihrer Behinderungen kein Auto fahren können. Unsere Autozentriertheit hat natürlich Gründe: In Deutschland hängen viele gut bezahlte Jobs an der Industrie. Ich selbst habe immer in Städten gelebt, in denen ich mit zu Fuss oder mit dem Rad fortbewegen kann. Autos miete ich, wenn überhaupt. Wenn ich mich aber als Radfahrerin durch Hamburg bewege, bin ich immer im Weg und muss aufpassen. Ich weiss nie, ob ich von Autofahrern gesehen werde. Wir sind nicht auf Augenhöhe mit den Autos. 

Wie meinen Sie das? 
Ganz wörtlich. SUVs sind mittlerweile so hoch, dass Lenker an der Ampel nicht einmal mehr Fussgängern in die Augen schauen können. Daneben gibt es in unseren Städten viele Spuren für die Autos. Radwege fehlen oder sind wenn überhaupt aufgepinselt. Das ist keine sichere Infrastruktur, und das finde ich seltsam. Dem Auto geben wir so viel Fläche, die allen gehört, auch mir. Wenn ich Lust hätte, mal eben 12 Quadratmeter auf der Strasse zu okkupieren mit meinem Sofa und dort in Ruhe einen Wein trinken würde, dann würde das schnell beendet. Beim Auto und den Parkplätzen nehmen wir das hin. 

Sprechen wir hier vor allem von einem Infrastrukturproblem? 
Es ist ein Kopfproblem. Wer nur im Auto sitzt, merkt gar nicht, wie das für die anderen Verkehrsteilnehmer ist und hat keine Empathie für sie. Wir geben den stärksten in der Stadt die Macht. Im deutschen Grundgesetz steht: Die Würde des Menschen ist unantastbar. Im Verkehr ist das nicht so. Mir macht das Reinfühlen in andere Menschen unglaublich viel Spass. Ich verfolge gesellschaftliche Debatten um Rassismus, Ableismus oder Sexismus intensiv. Ich bin jeden Tag dankbar für die Privilegien, die ich erhalten habe, einfach nur wegen meinem Pass und meiner Hautfarbe. Dessen müssen wir uns auch im Verkehr bewusst werden. 

Sie haben sich der Verkehrswende verschrieben. Wie wollen Sie dieses Ziel erreichen? 
Ich erzählte Geschichten und mache Unsichtbare sichtbar. Corona hat gezeigt, dass jeder von 100 auf 0 so krank werden kann, dass er oder sie kein Auto mehr fahren kann – oder so arm, dass man es sich nicht mehr leisten kann. Kinder, die heute geboren werden, erreichen das Alter von 100 Jahren. Aber mit 80 können sie nicht mehr Autofahren. Wir zwingen heute viele Menschen zum Auto. Das ist nicht die Gesellschaft, die mir vorschwebt.  

Das liegt letztlich an der Politik. 
Eigentlich müsste eine Regierung ein Abbild der Bevölkerung sein, aber so ist es heute nicht. Heute entscheidet zu oft das Mindset der alten weissen Männer – wobei das natürlich nicht zwingend alte, weisse Männer sind. Gut und gesund wäre, wenn eine türkische, gehbehinderte junge Frau gleich viel zu sagen hat. 

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