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Zu Gast im Bayrischen Rundfunk: Sind Frauen bei der Mobilität benachteiligt?

U-Bahn Haltestellen ohne Rolltreppen und dunkle Busbahnhöfe – der ÖPNV wirkt nicht überall einladend. Vor allem aber ist er in seiner Grundstruktur nicht auf Frauen ausgelegt, sagt Mobilitätsexpertin Katja Diehl. Woran liegt das?

Von Lara Reile Cosima Weiske

Wie die Mobilitätsinfrastruktur unserer Städte heutzutage aussieht, wurde maßgeblich beim Wiederaufbau nach dem Zweiten Weltkrieg entschieden. Und dabei hatte man vor allem das Auto im Blick, sagt Mobilitätsexpertin Katja Diehl. Sie hat 15 Jahre in der Mobilitäts- und Logistikbranche gearbeitet und beschäftigt sich in Podcasts und Büchern mit dem Wandel der Mobilität. Der Fokus auf das Auto bedeutete auch, dass lange Zeit die „Ernährermobilität“ Vorrang hatte – also der Weg der Männer hin und zurück zur Arbeit, den sie klassischerweise mit dem Pkw absolviert haben. Dagegen hätten Frauen vor allem „unsichtbare Wege, die nicht bezahlt sind“ zurückgelegt, so Diehl.

Frauen nutzen das Auto seltener

Gleichzeitig habe die klassische Aufgabenteilung dafür gesorgt, dass Frauen eher Wege hatten, bei denen sie viele verschiedene Tätigkeiten miteinander verbinden mussten. Aufgaben wie Kinder zu Kita bringen, Arbeiten gehen oder Angehörige pflegen ließen sich selten auf linearen Wegen verbinden, erklärt die Mobilitätsexpertin. Der klassische Aufbau des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV) in großen deutschen Städten, der meistens „strahlenförmig von einem Zentrum aus in die Außenbezirke“ verläuft und dem die Querverbindungen fehlen, kommt Frauen somit nicht zugute, sagt Diehl. Genau so „strahlenförmig“ ist auch der öffentliche Nahverkehr in München aufgebaut.

Zahlen belegen zudem, dass den Frauen die Dominanz der Autos in den Städten wenig nützt, denn Frauen bewegen sich zwischen vier und fünf Prozent mehr zu Fuß als Männer. Und während Männer für rund die Hälfte aller Wege das Auto benutzen, sind es bei Frauen nur rund 37 Prozent. Insbesondere ältere Frauen haben oft nicht mal einen Führerschein: In der Altersgruppe 70+ beträgt der Unterschied satte 20 Prozent – kein Wunder – denn bis 1958 mussten Frauen ihren Mann noch um Erlaubnis fragen, wenn sie den Führerschein machen wollten.

Zu wenig Sicherheit

Doch nicht nur an dieser Stelle kommen Frauen bei der Mobilitätsplanung der Städte zu kurz, denn ein weiterer Aspekt ist die Sicherheit. Juliane Krause ist Verkehrsplanerin und beschäftigt sich schon seit mehreren Jahrzehnten mit dem Thema der männerorientierten Verkehrsplanung. Sie sagt „Was bei Frauen noch speziell dazukommt, ist das Thema soziale Sicherheit und subjektive Sicherheit – also der Angst vor Anmache und Überfällen im öffentlichen Raum”. Als Ergebnis vermieden Frauen bestimmte Wege in der Stadt, vor allem abends.

Mangelnde Barrierefreiheit als Hindernis

Auch an anderen Stellen zeigt sich, dass die Strukturen den Mobilität auf männliche Bedürfnisse ausgerichtet sind. Denn wenn im ÖPNV die Barrierefreiheit nicht gegeben ist, macht das nicht nur Menschen mit körperlichen Einschränkungen sondern auch Eltern mit Kinderwagen das Leben schwerer. So ärgert sich zum Beispiel die 29-jährige Mutter Constanze Krebs über die Hindernisse, auf die sie stößt, wenn sie mit dem Kinderwagen im Münchner ÖPNV unterwegs ist: “Letztes Mal war ich am Rotkreuzplatz und bin zwar in das Sperrengeschoss runtergekommen, aber nicht bis zum Bahnsteig. Es gab keinen Aufzug und keine Rolltreppe nach unten und dann hätte ich Leute fragen müssen, mir zu helfen, den Kinderwagen runterzutragen. Das war ein blöder Moment”.

Verbesserungen in Aussicht

Laut Mobilitätsexpertin Katja Diehl und Verkehrsplanerin Juliane Krause ist ein Grund für die männerzentrierte Verkehrsplanung auch, dass lange Zeit vor allem Männer an den entscheidenden Positionen in Politik und Wirtschaft saßen und “die planen natürlich so, wie es für sie richtig ist”. Da sich Rollenbilder verschieben, betreffen die beschriebenen Probleme aber zunehmend nicht mehr nur Frauen.

Das bestätigt auch Krause: „Junge Männer machen mehr Care-Arbeit und wundern sich dann natürlich auch, wenn sie mit dem Kinderwagen fahren, über nicht abgesenkte Bordsteine oder fehlende Querungsstellen oder fehlende Zebrastreifen. Das bringen sie dann auch in die Planungen ein.“ Insgesamt rückt im Zuge der Mobilitätswende aktuell die Frage, wie unsere Städte umgestaltet werden sollen, verstärkt in den Fokus. In Zukunft werde sich da einiges ändern, denn Frauen seien Vorreiterinnen, was nachhaltiges Verkehrsverhalten betrifft, so Krause.

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