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Woher kommt der Hass?

„Die Mobilitätsexpertin will, dass alle klimafreundlich unterwegs sein können – und wird bedroht. Der Psychologe analysiert Gründe für die Wut.

Ein wie ich finde gelungenes Gespräch zwischen Stephan Grünwald vom rheingold Institut und mir. Danke an Chrismon, speziell auch an Ursula Ott und Nils Husmann!

Auszug:

Wie erklären Sie sich den Hass?

Diehl: Ich rühre an Emotionen. Für viele ist das #Auto ein safe space; der einzige Platz, wo sie kurz Ruhe haben zwischen Familie und Job. Menschen drücken ihre Persönlichkeit mit Autos aus. In Hamburg parkt ein goldener ­Geländewagen. Es kann mir keiner erzählen, dass man sich so eine Karre kauft, ohne einen emotionalen Bezug dazu zu haben. In der Klimakrise können wir nicht so tun, als könnten wir immer so weitermachen. Aber ­Veränderung ist immer schwierig, weil Leute sich an Routinen gewöhnen, und Mobilität ist die größte Routine. Ich gehe in diese Routinen rein, und das finden viele bedrohlich.

Katja Diehl will, dass die Welt besser und gerechter wird – und erntet Hass. Was passiert da, Herr Grünewald?

Stephan Grünewald: Sie besetzen ein Thema, was nicht nur für die nationale Identität, sondern auch für die ­persönliche Selbstwirksamkeit eine große Rolle spielt. Bei manchen entsteht das Gefühl: Die Frau will mir das Auto wegnehmen.

Diehl: Was nicht stimmt! Aber ich kritisiere die ­Privilegien, die das Auto seit Jahrzehnten genießt. Ich bin selbst Auto­fahrende, meine Eltern leben im ländlichen Raum und sind krank. Sie wären nicht mehr mobil, würden mein Bruder und ich sie nicht fahren. Ich habe nie gesagt: Alle Autos anzünden! Aber so werde ich gelesen.

Grünewald: Wir haben im vergangenen Jahr eine große Studie zum Thema Zuversicht gemacht und dabei analysiert, was den Leuten Angst macht: vor allem die Furcht vor einem Autonomieverlust. Da steckt das Wort „Auto“ schon drin. Die Menschen haben Angst, nicht mehr handlungsfähig zu sein. Bis vor einiger Zeit gaben uns Smartphones das Gefühl, virtuose Weltbeherrscher zu sein. Im Handstreich konnten wir Transaktionen tätigen, nach Partnern suchen oder Reisen buchen. Diese Allmachtserfahrung hat mit Corona und den Kriegen und Krisen ungeheure Risse bekommen. Und der Klimawandel erscheint als so großes Problem, dass man sich auch zunehmend wirkungslos fühlt. Diese Ohnmachtserfahrungen sind ein Hasstrigger, denn der größte seelische Störfall ist das Gefühl: Ich bin nicht mehr handlungsfähig.

Und was hat Katja Diehl damit zu tun?

Grünewald: Es kann sein, dass Sie diese Erfahrung ­triggern, und manche Leute kommen in eine Art kompensatorische Affektmasturbation. Es geht gar nicht um eine inhaltliche Auseinandersetzung mit Ihnen, Frau Diehl, sondern man hat Angst, dass man in die Ohnmacht reinrutscht, und dann kippt man Müll in Ihr Postfach.

Mehr in der aktuellen Chrismon oder nach dem Klick.
Foto: Katrin Binner.

Ein Gedanke zu „Woher kommt der Hass?“

  1. „Aber ich kritisiere die ­Privilegien, die das Auto seit Jahrzehnten genießt. Ich bin selbst Auto­fahrende, meine Eltern leben im ländlichen Raum und sind krank. Sie wären nicht mehr mobil, würden mein Bruder und ich sie nicht fahren.“ (Zitat siehe oben.)

    Welche Privilegien meint die sicher in mehrfacher Hinsicht privilegierte Autofahrende?

    Für mich arbeitet sich jemand an einem Thema ab von dem sie keine Ahnung hat. Dazu möchte sie vielen Menschen die jeden Monat Raten und Steuern bezahlen erklären das das Auto privilegiert ist. Bestimmt hat Frau Diehl Belege für Wirtschaftsleistung die hierzulande durch Pkw erbracht werden. Von Herstellung über Werkstätten, Arbeitsplätze und steuern, Steuereinnahmen bei Kraftstoffen plus Kraftfahrzeugsteuern und so weiter.

    Des Weiteren schreibt Frau Diehl, sie „gehe in diese (Mobilität) Routinen rein“.
    Natürlich kann jeder Mensch sich mit einem Thema beschäftigen und für sich selbst Dinge finden die man gut oder schlecht findet. Wie einen goldenen Geländewagen. (Ich frage mich was die Farbe… aber gut ich habe kein Marketing studiert, der grüne T3 Bus der Studenten ist zwar vermutlich viel schlimmer aber…)

    Glücklicherweise leben wir in einer Demokratie in der nicht jeder der Gesellschaft Vorschriften machen kann.

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