Das Megaprojekt „The Line“ eines saudischen Milliardärs ist der Beweis: Smart City Projekte, die auf dem Reißbrett entstehen, gehören unter kritische Beobachtung. Die Stadt NEOM, die linear in der Wüste von Tabuk gebaut wird, hat viele in ihren Bann gezogen. Aus aller Welt wurden Expert*innen eingekauft. Doch das Projekt hatte von Anfang an Schwächen. Die Fassade des als innovativ und nachhaltig angepriesenen Projekts bröckelte schnell, da massive Eingriffe in die intakte Wüstenlandschaft notwendig sind und die ressourcenintensive Bauweise das ökologische Versprechen der Stadt konterkariert. Menschenrechtsverletzungen sowie das Vertreiben von Stämmen aus dem Baugebiet und weitere ethische Fragen machen bis heute mehr Frage- als Ausrufezeichen an dieses Projekt.
Wie ist es aber, wenn ein bereits bestehendes Gelände zu einer Smart City umgebaut wird? Könnte diese Form der Transformation Möglichkeitsräume eröffnen, die es weltweit zu heben gilt?
Die Woven City von Toyota ist der Prototyp einer voll vernetzten, nachhaltigen und zukunftsorientierten Stadt. Auf der CES 2024 gab der Enkelsohn des Toyota-Firmengründers in seiner Rolle als Geschäftsführer einen selbstbewussten Auftritt: „Wir öffnen im Herbst 2025 unsere Türen.“ Damit wird Realität, was jahrelang geplant wurde: Am Fuße des Mount Fuji in Japan entsteht auf einem ehemaligen Toyota-Produktionsgelände ein Testfeld für Technologien im urbanen Raum wie autonome Fahrzeuge, Robotik, erneuerbare Energien und Künstliche Intelligenz (KI). 2.000 Menschen leben dort, „Ruheständler*innen, Einzelhändler*innen, Gastwissenschaftler*innen, Industriepartner*innen, Unternehmer*innen, Akademiker*innen“, so Toyoda. Und weiter: „Wir konzentrieren uns auf vier Schlüsselbereiche der Forschung und Innovation: die Mobilität von Menschen, Waren, Information und Energie.“
Positiv: Die Co-Creation ist von Beginn an in der DNA der Stadt verankert. Kein Wunder, bedeutet Toyota doch übersetzt „für andere“. Der kollaborative Prozess, bei dem alle Stakeholder der Stadt beteiligt werden, soll sicherstellen, dass viele Facetten von Beginn an mitgedacht werden. Auf der Seite der „woven city“ zeigen die Bilder viele Ethnien, Altersklassen und Menschen mit Behinderung. Immerhin! Doch das allein reicht nicht. Es muss auch sichergestellt werden, dass in der Stadt auch Menschen leben, die die Vielfalt der Welt spiegeln.
Ich habe das Konzept durchleuchtet, und zwar mit dem Wissen, dass es von einem kapitalistisch agierenden Autokonzern gesteuert wird.
Die Stadt wird drei verschiedene Straßentypen haben:
- Straßen für schnelle autonome Fahrzeuge.
- Straßen für Fahrräder und kleinere Fahrzeuge.
- Fußgängerwege und grüne Promenaden.
Und damit genau das Gegenteil von dem, was ich unter einem gesunden, urbanen Lebensraum verstehe: den Wegfall von Fahrspuren und die Hinwendung zu gemischt genutzten und am menschlichen Maß orientierten Quartieren. Auch die vorgestellte Vision „Drohnen bringen Sie nachts sicher nach Hause“ ist für mich ebenso schräg wie Haustierroboter, für ältere Menschen und fliegende Autos, die die Reise von Woven City nach Tokio gestalten sollen
Die totale Überwachung durch Sensoren und Messgeräte ist der Schlüssel zu diesem Lebensstil ohne echte Privatsphäre. Mit den Daten zahlen die Einwohner*innen denen ihnen gebotenen und individuell zugeschnittenen Komfort. In asiatischen Räumen ist Datenschutz aber auch nicht so präsent wie bei uns in Europa. Die Kapitalisierung von Bewegungsdaten ist ebenso denkbares Risiko wie eine rein toyotazentrierte Entwicklung, die gemeinwohlorientierte Ansätze verunmöglicht. Auch die genannten Gruppen, die ab diesem Jahr in die „Woven City“ einziehen, deuten nicht auf Diversität z. B. in Einkommensschichten hin.
Mein Fazit? Die Stadt könnte eher Marketinginstrument für Toyota denn echte Lösung für städtische Probleme sein.
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