Mein Interview mit Working Women

Support dringend erwünscht! Warum Frauenhass auch berufliche Konsequenzen hat.

Du bist Mobilitätsexpertin und Change-Beraterin, du bist auch Aktivistin für neue Mobilitätskonzepte. Seit längerem wirst du im Netz für deine Arbeit attackiert, jetzt hast du öffentlich gemacht, dass dir auch Aufträge abgesagt werden. Was passiert da?

Ehrlich gesagt glaube ich, dass 2021 nicht nur ein „Superwahljahr“ in der Politik ist, sondern auch ein „Wahljahr“ für Unternehmen, ob sie Teil der Veränderung sein wollen – oder das nur auf ihre Webseiten schreiben, weil es zum guten Ton gehört. Ich bin aufgrund meiner subjektiven Erfahrungen und den ausführlichen Gesprächen mit den Menschen, die mir die Absagen übermitteln mussten, mittlerweile sehr im Zweifel, wieviel von diesen Lippenbekenntnissen ernst gemeint ist. Es ist 2021, es gibt immer noch allwhitemale-Panels. Umso mehr wäre es nötig, dass – und ja, so ist es – weiße mittelalte Männer sich zumindest erkundigen, ob das Panel, auf das sie eingeladen werden, divers ist. Dass Unternehmen und Vertreterinnen dieser Unternehmen nicht nur zu bestimmten Jahrestagen die Regenbogenfahne hissen und gegen Rassismus aufstehen. Mir gefällt das brüllend laute Schweigen aus manchen Ecken unserer Gesellschaft überhaupt nicht – es macht mir sogar Angst. Von manchen Ecken erwarte ich nichts anderes, aber wer bei Twitter oder LinkedIn im Profil hat, dass er:sie für Diversität ist, der sollte vielleicht schauen, ob es ehrlicher ist, dieses Bekenntnis herauszunehmen, weil er:sie es nicht leben kann. Aus welchen Gründen auch immer.

Hast du überlegt, deine Arbeit als Aktivistin aufzugeben und „nur“ als Beraterin zu arbeiten?

Natürlich sind diese Impulse da. Ich habe mal sechsstellig verdient und bin da raus, weil ich gemerkt habe, dass ich nichts bewirke. Männer, die das machen und ein Yogahotel eröffnen oder sich um ihre Kinder kümmern, werden durch die Medien getragen und erhalten Applaus der Gesellschaft. Bei Frauen wird das anscheinend eher als „typisch“ empfunden. Es fällt mir auch tatsächlich nicht leicht, darüber offen zu sprechen, weil schon das auch immer wieder Reaktionen hervorruft. Mir wird unterstellt, damit öffentlich zu gehen, um Geld zu machen oder Reichweite zu steigern. Ähnlich wie das „kurze Rock“-Argument muss ich mir anhören, dass ich ja auch sehr „meinungsstark“ im Netz unterwegs sei. Klassischen Victimblaming bis hin zu der Forderung, Beweise für den Hass zu erbringen, der mir widerfährt. Aber ich habe mich zum einen entschieden, für eine bessere, klimagerechte, inklusive Mobilität für alle zu sorgen und zum anderen, dass dazu eben auch Diversität gehört. Verkehrswende ist politisch und treibt mich an. Ich habe fünf Monate nichts eingenommen und bin immer noch dabei. Für mich eine sehr erhellende Erkenntnis. Der Hass an sich raubt natürlich Kräfte. Aber noch mehr rauben die unsolidarische Haltung und das Schweigen meine Kraft. Dennoch: Ich kann nicht anders. Bei Ungerechtigkeit werde ich zur Löwin und gehe – auch das stimmt – zu oft über meine eigenen Kräfte.

Dass sich digitaler Hass gegen Frauen in berufliche Boykott-Aufrufe verwandelt – ist das eine Strategie?

Ich denke, dass das nicht nur bei Hass das Mittel der Wahl ist. Wir sollten bei jedem Konsum versuchen, „die Guten“ zu unterstützen – bei der Kosmetik, Lebensmitteln, Kleidung und Dienstleistungen bis hin zum Hinterfragen des Online-Shoppings. Das heißt für mich die Bauern der Region Hamburg unterstützen, die mir die Biokiste liefern, Label wie ArmedAngels oder Patagonia, Engagement von Menschen wie „Mit Ecken und Kanten“, Second Hand kaufen und kleine Läden durch die Pandemie tragen – und nicht bequem bei Giganten das Geld lassen. Boykott gegen jene, die meine Aufträge absagen, anzuzetteln, liegt mir fern, zumal das auch Unternehmen sind, die nicht gerade Dinge des täglichen Bedarfs verkaufen…

Es gibt Möglichkeiten, deine Arbeit finanziell zu unterstützen – was ist dein Ziel?

Es wird Frauen nachgesagt, dass sie oft mit dem Geldthema erst warm werden müssen. Das war auch bei mir so. Nicht im Sinne von Gehaltsverhandlungen, das habe ich irgendwann tatsächlich „gekonnt“, sondern eher im Sinne einer Akzeptanz, dass ich mit meinem Herzensthema kein Geld verdienen kann. Ich mache Blogbeiträge, Podcasts, Videointerviews und stelle diese kostenlos ins Netz. Bei Periscope streame ich die Livecasts, sie werden je Ausgabe von mehreren Tausend Menschen gesehen – darunter Journalist:innen und andere, die das wohl zur Recherche nutzen. Kostenlos. Ich habe daher mir ein steady-Profil erstellt, hier kann man Abos abschließen und erhält jede Woche einen Newsletter von mir. Unter PayPal.Me/KatjaDiehl kann mir ad hoc Geld überwiesen werden. Das war schon etwas außerhalb meiner Komfortzone. Ziel bei steady ist ein Grundeinkommen von 1.000 Euro brutto.

Wie kann man Frauen in ähnlichen Situationen zur Seite springen?

Hauptsache ist: Mach was! Zeig dich solidarisch. Schreib der Frau eine Nachricht, hinterlass unter ihrem Tweet oder wo auch immer der Hass geschieht, einen Kommentar, ruf an, melde den Hass bei HateSpeech.de. Ich habe zu meinem heftigsten Shitstorm einen Podcast und ein Videointerview mit HateAid aufgenommen, das kann ich sehr empfehlen. Da geht es auch darum, warum wir Hassaccounts nicht als „guilty pleasure“ folgen sollten.

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