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Es geht nicht um Autos – es geht um Zukunftsfähigkeit! Mein Kommentar zum „Pro Auto Plan“ der FDP bei Der Freitag.

Kommentar Während Städte wie Paris ihre Innenstädte klima- und kinderfreundlich umbauen, fordert die FDP die Rückkehr des Autos in die Innenstädte mit kostenlosen Parkplätzen. Mobilitätsforscherin Katja Diehl hat da eine bessere Idee

Wahrscheinlich täten wir alle gut daran, auf den absurden Plan „pro Auto“ der Bundes-FDP gar nicht zu reagieren. Ihn einfach mit Nichtachtung zu strafen. Aber in Zeiten, wo Empörung Klicks und damit Reichweite generiert, ist das schwer durchzuhalten.

Beginnen wir mit einem überraschenden Fakt: Die Hölle ist für die FDP bereits zugefroren. In einem Interview mit der taz kritisierte ausgerechnet der Automobilclub Deutschland (ADAC) die Pläne der FDP ungewohnt deutlich: Im Fokus müsse stehen, „Mobilität zu ermöglichen, Klimaschutz zu stärken. Fahrradstraßen leisten einen guten Beitrag, die Verkehre stärker zu trennen und so die Sicherheit aller Verkehrsteilnehmenden zu erhöhen.“ Wow. Das ist mal ein Schlag mitten ins Gesicht, wenn sogar ein einstiger zuverlässiger Partner „pro Auto“ so deutlich macht, dass es in Zeiten der Klimakatastrophe widersinnig ist, dem liebsten Kind der Deutschen noch mehr Raum und Geld und Vorteile einzuräumen!

Städte sind bis zu acht Grad heißer

Was sagen denn die „Betroffenen“, also die Städte und Gemeinden, die die autofreundlichen Pläne der FDP umsetzen müssten? Diese reagieren angemessen verschnupft. Nicht zuletzt auch, weil 1.109 Städte, Gemeinden, Landkreise und ein Regionalverband mehr Entscheidungsfreiheit bei der lokalen Ausgestaltung – zum Beispiel von Tempo 30 – einfordern. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, bringt es beim RND auf den Punkt: „Wir wollen Städte für Menschen. Deshalb klingen Forderungen nach autogerechten Innenstädten wie von vorgestern. Innenstädte sind nicht zuerst Parkplätze.“

Ein weiterer nicht unwichtiger Fakt: Der FDP-Spitzenkandidat für die brandenburgische Landtagswahl im Herbst, Zyon Braun, übernimmt die Leitung einer FDP-Arbeitsgruppe für diesen Plan. Haben wir nicht einen FDP-Bundesminister zum Thema Verkehr?

Zu den Fakten: Wussten Sie, dass Städte bis zu acht Grad heißer sind als das Umland? Dass es immer mehr „Tropennächte“ gibt, in denen die Temperatur nicht unter 20 Grad sinkt? Das hat massive Auswirkungen auf unsere Gesundheit. Menschen verlieren schon heute 44 Stunden Schlaf pro Jahr durch hohe nächtliche Temperaturen. Bei jedem Grad mehr Nachttemperatur sind Frauen 25 Prozent stärker betroffen als Männer – Menschen über 65 Jahren sogar doppelt so stark. Im Sommer 2022 starben in Europa hitzebedingt 61.000 Menschen.

Die Forschung spricht hier vom urbanen Hitzeinseleffekt, der vor allen in Zeiten der Klimakatastrophe mehr und mehr in den Fokus von Stadtgestaltung rückt. Er entsteht vor allem dort, wo Luft nicht mehr frei zirkulieren und Hitze nicht mehr frei an die Umgebung abgegeben werden kann. Das ist vor allem dort der Fall, wo für Autofahr- und -parkflächen der Boden versiegelt und die Straße mit stehenden Autos belegt ist. Die Temperatur des Asphalts wird in der Sonne über 60 Grad heiß, parkende Autos fungieren als zusätzlicher Wärmespeicher, da das Wageninnere bei Außentemperaturen von 30 Grad auf 56 Grad aufheizen kann. Auch unter den Autos sammelt sich Hitze, die in der Nacht abgegeben wird – und Abkühlung verhindert, auch weil Autos wie eine Barriere für die freie Luftzirkulation im Straßenraum wirken.

Paris: Ein Verkehrskreisel wird zum Naherholungsgebiet

Andere Länder agieren hier bereits seit Jahren umsichtig. So gab es in Wien schon 2020 die ersten „coolen Straßen“, in denen Begrünung, Sitzmöbel, Orte für konsumfreien Aufenthalt auf ehemaligen Parkflächen entstanden. Der Place de la Nation im Osten von Paris wurde bereits 2019 zu einer grünen Lunge umgebaut. Wer heute auf dem ehemals achtspurigen Verkehrskreisel flaniert, mag kaum glauben, dass dies einst ein toter, verkehrsumtoster Raum inmitten der Stadt war. Es entstand ein echtes Naherholungsgebiet mitten in der Stadt, das das Viertel um mehrere Grade abkühlt. Ausgehend von der Händlerschaft werden auch die Champs-Élysées, heute mit 72.000 Autos belastet, wieder zu einer grünen Flaniermeile, denn der Handel profitiert, wenn die Geschwindigkeit sinkt – bis zu 30 Prozent steigt der Umsatz.

Wenn Sie mich fragen: Lassen Sie der FDP ihre 1960er Jahre und lassen Sie uns das Kind wieder zu unserem liebsten Kind machen.

2 Antworten zu „Es geht nicht um Autos – es geht um Zukunftsfähigkeit! Mein Kommentar zum „Pro Auto Plan“ der FDP bei Der Freitag.“

  1. Avatar von André Rohrbeck
    André Rohrbeck

    Hallo Katja,

    Danke für Deine Reaktion auf das Pamphlet der FDP!

    Ich finde es erschreckend, wie sich eine Partei, die früher mal für Freiheit stand heute für Unfreiheit einsetzt. Die Unfreiheit auf das Auto nicht verzichten zu dürfen, da es angeblich ohne dieses nicht geht, ist da nur ein Aspekt. Erschreckend auch die Wahrnehmung dass das Auto als Verkehrsmittel heute unterprivilegiert sei… das Gegenteil ist doch immer noch der Fall.

    Ich würde mir wünschen, dass sich auch die FDP wieder mal auf das Grundgesetz besinnen würde…

    Art 2, Abs 1: „Jeder hat das Recht auf eigene Entfaltung…“
    Ich würde mir wünsche, dass dies auch für meine Kinder gelten würde, die sich bitte genauso auf der Straße aufhalten dürfen, wie andere in ihren Blechkisten.

    Art 2, Abs 2: „Jeder hat das Recht auf Leben…“
    Radfahrende und zu Fuß gehende werden im Vergleich zur erbrachten Verkehrsleistung deutlich häufiger Opfer von Verkehrsunfällen als Autofahrende. (Im Osten waren früher auch alle „gleich“ nur manche waren „gleicher“… scheint immer noch so zu sein).

    Art 3, Abs 1: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich…“:
    Warum wird der Autoverkehr nicht so lange gebremst, bis er genau so schnell wie der ÖV ist? Oder wie zu Fuß gehen? Warum darf ich als Autofahrer eine 3 m breite Spur beanspruchen und muss mich als Radfahrer mit ca. 1 m zufrieden geben? Warum habe ich ein gefühltes Recht, schneller am Ziel zu sein… vom Recht überall zu parken möchte ich gar nicht erst anfangen.

    Ich würde mir auch die „Freiheit“ wünschen, mich auf dem Fußweg zur Schule mit meinen Kindern unterhalten zu können. Leider wird dies durch die „freie Entfaltung“ anderer mit ihrem fahrbaren Untersatz verhindert.

    Der „Vorschlag“ der FDP ist so unfair und undemokratisch, dass ich ihn schon fast für Satire gehalten habe… Sehr schön, dass es dafür – in meiner Wahrnehmung – fast nur Gegenwind gibt, sogar von Organisationen, die sonst „pro Auto“ sind.

    Herr Lindner hat mal seinen Koalitionspartner erinnert: „pacta sunt servanda“. Wer erinnert ihn und Volker Wissing mal an die Verringerung der klimaschädlichen Situationen, die im Koalitionsvertrag vereinbart ist.

    Danke, dass Du Dich unter anderem dafür so stark einsetzt!


    1. Danke für dein Feedback André – tut mir sehr gut!


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