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Aktuelle t3n-Kolumne: Baut endlich Mobilität! Statt Modelle für die Zukunft zu finden, hinken die deutschen Autobauer hinterher.

Mietwagenanbieter Sixt kauft 100.000 vollelektrische Fahrzeuge für seine Flotte. Schon das wäre eine Meldung
gewesen, hatte CEO Erich Sixt doch 2018 noch verkündet:

„Ich glaube nicht an E-Autos, das ist politisch ein schwerer Fehler.“

Und weiter: „Wenn ich mich täusche, kaufen wir so viele Elektroautos, wie der Kunde will.“

Vier Jahre später zeigt Sixt, dass Unternehmer: innentum vor allem Kund:innenzentrierung
bedeutet. Sie ist in der Autoindustrie nicht vorhanden, das beweistdas Detail, wem dieser Auftrag
Geld bringen wird: BYD.
Das Unternehmen wurde 1995 gegründet, zunächst mit Schwerpunkt auf wiederaufladbaren Batterien,
mittlerweile ist es in vier Branchen tätig: Automobil, Elektronik, erneuerbare Energien und Schienenverkehr.

Merken Sie was?

Die chinesische Firma tritt mit einem sehr cleveren und zukunftsfähigen Portfolio an. Kein Wunder, dass BYD als
erstes Unternehmen eine Million Elektroautos auslieferte – im März 2020!
Verkraften Sie noch einen weiteren Knaller vom Oktober 2022?

Volta Trucks, Hersteller und Dienstleister vollelektrischer Nutzfahrzeuge, und DB Schenker, Logistikdienstleister im europäischen Landverkehr, beenden in Paris die erste Testphase des vollelektrischen Volta Zero. 2021 startet die Partnerschaft: Schenker bestellte bei Volta 1.500 vollelektrische 16-Tonner für den Einsatz in europäischen Terminals. Sie sollen Ware lokal CO₂-frei von Verteilzentren zu ihren Zielen bringen. Die Zusammenarbeit in der Entwicklung ist eng, Anfang 2023 sollen erste Pilotfahrzeuge in die Flotte aufgenommen werden.

Auch Volta Trucks ist nicht deutsch, sondern schwedisch und von Beginn an auf vollelektrische Nutzfahrzeuge
spezialisiert.

Was hat das alles damit zu tun, dass sich die deutsche Autoindustrie abschafft?
Seit Jahren wundere ich mich, warum sie alle Zeichen verdrängt. Aktuelle „Concept-Cars“ der fossilen Einbahnstraße:
Plug-in-Hybrid-SUV wie von BMW wiegen 2,5 Tonnen, haben 750 PS und nur 80 Kilometer elektrische Reichweite.

Meine Idee?

Baut endlich Mobilität!
Zum Beispiel für den Lückenschluss im ländlichen Raum. Etwas zwischen privatem Pkw und Linienbus, barrierefrei
und vollelektrisch. Fast alle ländlichen On-Demand-Rufbussysteme werden aktuell mit dem sogenannten London-Taxi
durchgeführt. Dort darf nur ein Taxi betreiben, wer ein Fahrzeug mit Rampe hat und Rollstuhlfahrende transportieren
kann – auch das kommt nicht aus Deutschland.
Ich freue mich, dass die einst verfeindeten Verkehrs- und Taxiunternehmen mittlerweile begreifen, was für tolle Mobilitätsprodukte sie gemeinsam bauen können. Kommt ein Unternehmen mit Softwarekompetenz hinzu, könnten Taxis nach Krankenfahrten im ländlichen und suburbanen Raum als Rufbusse fahren.
Schon während der Krankenfahrten, die einen großen Anteil an Taxiverkehren ausmachen, können Rückfahrten genutzt
werden, um andere Fahrgäste zu transportieren. Der Bündelung von regionaler Kernkompetenz fehlt ein deutscher
Hersteller, der für diese Bedarfe Fahrzeuge baut.
In Hamburg und Hannover fährt Moia, ein Volkswagen-Produkt. In Hamburg vollelektrisch, nicht barrierefrei, als
Konkurrenz zu Taxi- und Verkehrsunternehmen: parallel zu ÖPNV-Angeboten fahrend und billiger als ein Taxi. Diese
Kannibalisierung muss dringend vermieden werden; auch, um das Verkehrsaufkommen zu minimieren.

Autokonzerne könnten völlig neue und weltweite Geschäftsfelder begründen. In allen Ballungsräumen gibt es die
Herausforderung, Verkehre neu zu gliedern – geringbesiedelte Regionen müssen öffentliche Mobilität (wieder) etablieren. On-Demand-Rufbussysteme brauchen nur vier Kernkompetenzen für versierte und schnelle Angebote:

  1. Verkehrsunternehmen mit planerischem Know-how,
  2. Taxiunternehmen mit vorhandenem Personal und Fuhrpark, der durch
  3. Autokonzerne und neue Fahrzeugkonzepte an die Bedarfe für alle angepasst und elektrifiziert werden kann – und
  4. Softwareunternehmen, die lange Bauphasen von Haltestellen und taktilen Leitsystemen durch Daten obsolet machen.
    Ich würde mich freuen, wenn unsere Autoindustrie diese Chance zum Mehrwert für alle gestaltet! •

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