Marcus Bensmann von correctiv im Gespräch mit dem SWR-Fernsehen im Werkraum Schöpflin.

Abschirmen gegen rechts und Hintergründe zur correctiv-Recherche.

Ich war heute auf der Demo in Lörrach, wo mich vor allem die jüngsten Redner:innen mit ihrer Eloquenz und Klarheit begeisterten. Beeindruckend auch, dass die Schöpflin-Stiftung correctiv schon seit der Gründung finanziell unterstützt. Marcus Bensmann von correctiv war ebenso auf dem Podium, als auch wenig später zu Gast im Werkraum Schöpflin.

Einordnen der Erkenntnisse aus dem „Geheimplan gegen Deutschland“

Ich habe aus den Worten von Marcus viel mitgenommen, auch, was nochmal die Einordnung der „Überraschung“ der aktuellen Recherche zum „Geheimplan gegen Deutschland“, aber auch unsere Verantwortung zur Information von uns und dann die Verantwortung von uns gegenüber den Menschen um uns herum angeht, die noch immer nicht begreifen (wollen), was der nun auf dem Tisch liegende Plan der AfD ist.

Warum ist die AfD so „erfolgreich“?

Bensmann sieht aktuell keine Verteidiger:innen unserer Demokratie in der Politik, diese brauche eine gewisse „Körperlichkeit“, um spürbar zu werden und ernsthaft vermitteln werden zu können. Marcus beobachtet vielmehr viel Zaudern und Zögern, wenig klare Abgrenzung. Durch die aktuelle Recherche sei es gelungen, Dichte und Nähe zum Thema und zur Bedrohung der Demokratie zu schaffen, ein WIR zu generieren, das begreift, das es die Demokratie aktiv beschützen muss. Täglich. Denn WIR sind die Demokratie. Die Reaktion der Politik ist somit „nur“ genauso wichtig wie die einer großen, geeinten Zivilgesellschaft.

Daher ist ihm auch zu einfach, „Nazis raus!“ zu rufen. Zum einen wisse man ja gar nicht, wie viele das überhaupt seien, was ist, wenn das ganz schön viele sind? Und wohin überhaupt? Dieser Spruch greife zu kurz. Rechtsradikale sind aktuell erfolgreich in einer erschöpften Gesellschaft. In einer Zeit der besten Demokratie, die wir je hatten. Daher werde correctiv aktuell auch massiv bedroht, vor allem Jean Peters, der mit seinem Gesicht für die Recherche steht, da er großen Anteil dieser hatte.

Die Recherche habe dazu geführt, dass die AfD nun ein Problem habe:

Durch die Klarheit der menschenverachtenden und demokratiefeindlichen Ziele, die durch den Leak wie in einem Brennglas aufgezeigt wurden, könne sie nicht mehr hinter die nun neu offengelegten Linien zurück. Diese stünden jetzt in der Öffentlichkeit. Die kläglichen Versuche des Abstreitens von Seiten der Partei waren zu erwarten, aber eben nicht überzeugend.

Bensmann wies aber auch darauf hin, dass all das, was in Potsdam gesagt worden sei, schon längst in Büchern und auf Social Media Plattformen wie TikTok offen dargestellt wurde, für Jede:n nachvollziehbar, nicht im Geheimen. Die große Entlarvung der rassistischen Ideologie habe dabei vor allem einen wichtigen Kern: Ist diese mehrheitsfähig? Das werden die nächsten Wochen und vor allem Wahlen zeigen.

Ein Problem dabei sei, dass wir diese Debatten nicht mehr mitbekommen, weil es nicht mehr wie früher zwei große Zeitungen gibt, in denen politische und andere Diskurse diametral dargestellt werden, sondern jede:r von uns Sender:in und Empfänger:in ist. Die neuen Plattformen wie TikTok seien zudem von alteingesessenen Partei ignoriert und noch nicht mal beobachtet worden. So sei es der AfD gelungen, vor allem Jungwähler:innen von ihren Programmen zu überzeugen. Klarer Appell an alle von Bensmann: Es braucht uns auch dort!

Auch sei es nicht verwerflich, dass Sellners Buch nun auf Platz 1 stehe. Wenn Menschen dieses Buch lesen, um sich zu informieren (aus welchen Motiven auch immer), erfahren sie von den rassistischen Plänen, die hinter den Identitären und der AfD stehen. Bensmann hält auch die Einschätzung, dass correctiv doch nur für die Verbreitung dieses Gedankengutes sorge, für absurd. Wenn wir Menschen überzeugen wollen, wie gefährlich die AfD für unsere Gesellschaft ist, dann müsse man auch um die Inhalte des Parteiprogramms wissen. Dies habe correctiv nun komprimiert dargelegt, weitere Details finden sich in den Veröffentlichungen der jeweiligen Hauptpersonen auf dem Treffen. Und in den vielen Recherchen, die correctiv bereits zuvor über die AfD erarbeitet habe.

So zum Beispiel „Auf der Spur des Geldes“, eine sogar filmisch von der ARD begleitete Recherche von correctiv. Wer sind die anonymen Finanziers, die mit ihrem Geld Einfluss nehmen wollen auf die Demokratie?

Alle weiteren correctiv-Recherchen zur in mehreren Bundesländern als „gesichert rechtsextrem“ eingestuften Partei finden Sie hier im Überblick.

Welche Rollen spielten andere Teilnehmende?

Die WerteUnion, die mit zwei Mitgliedern am Treffen teilnahm, war hier nicht prägend, jedoch sei nun klar, dass sie eben nicht die „bürgerliche Alternative“ zur AfD darstellen, sondern dieselben Pläne verfolgen werde. Es sei nun an uns, die Verantwortung zu übernehmen, die Idee der AfD für ein monoethnisches Deutschland zu verbreiten, aufzuklären, die Dringlichkeit aufzuzeigen, hier zu handeln – und eben auch wählen zu gehen. Besorgniserregend findet Bensmann die große Nähe reicher Unternehmer:innen vor allem aus der Lebensmittelindustrie zur AfD.

Auf europäischer Ebene findet er die Distanzierung von der französischen Rechtspopulistin Marine Le Pen hoch interessant. Er habe diese auch angeschrieben mit Zitaten aus den betreffenden Büchern zur ethnischen Säuberung und um Stellungnahme gebeten.

Sachebene nicht verlassen, Themen nicht vermischen

  • Ebenfalls wichtig fand ich seinen Hinweis, bei den Demos und anderen Formaten gegen die AfD sachlich zu bleiben. Es sei schlicht falsch, in solchen Kontexten z. B. Olaf Scholz zu benennen, der ja auch Abschiebung wolle. Dieser agiere – so sehr man das Thema an sich diskutieren könne – auf einer völlig anderen Ebene als die AfD. Das zu vermischen, schade der Verdeutlichung der entsetzlichen und unmenschlichen Pläne der AfD.

Mein Fazit des heutigen Tages:

  • Wir müssen die Bücher der AfD-Politiker:innen und von Martin Sellner lesen oder zumindest die vielen Recherchen, die correctiv bereits zur AfD veröffentlicht hat.
  • Wir müssen das Ziel des monoethnischen Staates klar benennen, einem Ziel, das mit seinen Folgen uns alle betrifft. Neu sind die belegten Details bei weitem nicht, aber die Recherche hat – so mein Gefühl – die Nahbarkeit dieser Fieberfantasien deutlich gemacht. Auch sich zuvor noch sicher wähnende Menschen z. B. ohne Migrationsgeschichte verstehen endlich, dass dieser Angriff uns allen gilt. Und schafft ein neues WIR.
  • Das System, mit Plänen zur Massendeportation aller unliebsamen Gruppen, die von der AfD als solche definiert werden, betrifft Menschen, die seit Generationen hier leben, die sich für Geflüchtete einsetzen oder sonstwie gegen die Vision eines „reinen“ Staates der AfD verstoßen. Also uns alle.
  • Es ist Zeit, Demokratie zu leben, in die Diskurse zu gehen, Rassismus und andere Anfeindungen gegen bestimmte Gruppen nicht mehr hinzunehmen, sondern aktive Gegenrede zu halten.
  • In allen Räumen, auf die wir Zugriff haben, mit allen Menschen, die wir sprechen, müssen wir diese Erkenntnisse teilen.

Hier geht es zu meinem Video von heute. Gerne verbreiten.

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