Peter Schadt habe ich über Twitter und sein Buch Basiswissen Digitalisierung kennengelernt. Wir schrieben ein wenig hin und her und ich stolperte sofort über sein Urteil, dass ich viel zu konstruktiv sei in der Auseinandersetzung mit Autoindustrie und Politik, da ich diesen zu oft noch einen „guten Willen“ unterstelle. Es stimmt tatsächlich, dass ich seit unserem ersten Kontakt und jetzt meine „Konstruktivität“ minimieren musste, sehe ich doch die machterhaltende FDP-Politik und den Unwillen und die politisch gestützte Unfähigkeit der Industrie, sich zu transformieren. OBWOHL der größte Abnehmer von deutschen Autos – China – schon längst den Ausstieg aus dem Verbrenner beschlossen und eine schlagkräftige Industrie zur Produktion elektrisch angetriebener Pkw aufgebaut hat.
Dennoch – und wer mich kennt weiß, dass mir das SEHR gefällt – formuliert Peter nicht nur unfassbar schlau, sondern auch genial auf den Punkt, welche Schleier der Verwirrung Industrie und Politik über die Nicht-Transformation und ihre Trägheit legen, mit Buzzwords wie Digitalisierung und Change. Die Peter gnadenlos analysiert und faktisch untermauert – und ihnen damit den „Sichtschutz“ entreißt.
Unsere Schwerpunkte im Gespräch:
- Was ist das überhaupt, „die Digitalisierung“?
- Das Verhalten von Politik und Industrie in Sachen schnelle Dekarbonisierung des Verkehrssektors vor allem beim Haupt-CO2-Verursacher Auto ist nicht Unterlassung, sondern wird aktiv betrieben.
- Der Weltenergiemarkt der Zukunft soll von Deutschland/Europa beherrscht, nicht die Umwelt gerettet werden.
- Politik will Machterhalt, daher scheitert sie nicht, sondern sie ist erfolgreich. Siehe FDP und Zugewinne noAfD..
- Das Setzen auf Auto ist nicht faktengetrieben, sondern es ist das Exportgut No. 1 in einer auf Wachstum getrimmten Gesellschaft, die sogar Verkehrsopfer „einpreist“, anonymisert, in Kauf nimmt.
- Die Lösung ist auf politischer Ebene, diese ist jedoch gerade DURCH die Krisen im Rückschritt.
Peter führt ein:
„Die Bundesregierung hat beschlossen, dass Deutschland klimaneutral werden soll, und zwar in allen Bereichen: in der Automobil-, Stahl- und selbstverständlich in der Energiebranche, also in den heimischen Schlüsselindustrien, soll dies umgesetzt werden. Diese haben je ihre eigenen Schwierigkeiten damit, wie einmal exemplarisch an der Autoindustrie gezeigt werden soll. Basiert doch ihr Geschäftsmodell – auch für eine längere Übergangszeit – auf dem rohstoff- und energieintensiven Bau vor allem von Diesel- und Benzinvehikeln. Es waren insbesondere Startups wie Streetscooter, die in Deutschland bisher ganz auf die Elektromobilität gesetzt und damit die Nische der „nachhaltigen Mobilitätslösungen“ belegt haben. Aber auch hier kommt „die Digitalisierung„, die in der Autoindustrie vor allem aus einer Elektrifizierung des Antriebsstrangs sowie einigen neuen Techniken in der Produktion besteht, genau richtig.“
„Von der Produktion der Kolben bei Mahle und Co. über die Herstellung von Transmissionsriemen im Daimlerwerk
in Rumänien bis hin zum Dieselmotor selbst basiert die ganze Wertschöpfungskette des deutschen Autos bisher auf der kostengünstigen Nutzung der staatlichen wie privat betriebenen Infrastruktur zur Versorgung mit fossilem Brennstoff.
Aus Sicht der Industrie sind die Folgen solcher Beschlüsse {zur Dekarbonisierung} daher drastisch: Massenweise angelegtes Kapital in der Autoindustrie droht seine internationale Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren, und das aufgrund eines politischen Beschlusses, wie gerade die Presseabteilungen der Konzerne nicht müde werden zu betonen.“
Verlagerung von Produktion ins Ausland:
„Während Eröffnungen deutscher Fabriken im Ausland gerne als segensreiche Arbeitsplatzgaranten für marode Volkswirtschaften präsentiert werden, weiß man umgekehrt um die Rolle von Ländern, die vor allem für internationale Konzerne die „verlängerte Werkbank“ bilden. Ein umgekehrtes Verhältnis – Deutschland als Werkbank anderer – käme kaum in Frage, vielmehr ist man versucht, die Bedingungen auch im Zeichen der Digitalisierung aufrechtzuerhalten und mlglichst weitere Geländegewinne zu verzeichnen.“
„Entscheidend dürfte sein, welche Bedeutung der Integration des Automobils ins digitale Ökosystem zukommt: Wird diese Frage künftig für Autokunden so kaufentscheidend sein wie heute jene nach iOS oder Android für Smartphone-Käufer? Wie wichtig ist ihnen eine nahtlose Einbindung digitaler Dienste? Wird das deutsche produzierende Kapital mit der Schlüsselbranche der Autoindustrie zum Hardware-Lieferanten für die US-amerikanische IT-Branche?“
Arbeitsplätze?
„Jobs werden hier niemandem versprochen. Entsprechend werden bezüglich der Arbeitslosigkeit gar nicht erst Unternehmen in die Verantwortung genommen, die ja darüber entscheiden, wie viele und welche Arbeitsplätze es gibt. Einerseits braucht es schon einiges an Fantasie, der durch Technologisierung hergestellten Reduzierung der Belegschaft dadurch begegnen zu wollen, dass ausgerechnet bei den arbeitslos Gemachten eine „Beschäftigungsfähigkeit“ hergestellt werden soll und nicht bei den Profiteuren der Entwicklung. Andererseits ist das kein Fehler, sondern zeigt deutlich die Perspektive des Sozialstaates im digitalen Zeitalter auf:
Den Unternehmen sollen alle Freiheiten gelassen werden bei der Frage, welche und wie viele Beschäftigte noch benötigt werden. Damit der Pool an Arbeitslosen sich als Ansammlung lauter potenziell nicht nur arbeitswilliger, sondern auch ‑fähiger Arbeitskräfte präsentiert, soll bei diesen ständig die „Beschäftigungsfähigkeit“ hergestellt werden.“
Was uns als Kund:innen komplett nervt, ist die aktuell noch sehr in Inseln aufgebaute digitale Welt. Noch vor einigen Jahren wolltne Autohersteller zu Mobilitätsdienstleistern werden, so richtig viel nehme ich davon nicht wahr. Zumal – wenn sie das ernst meinen und aus Kund:innensicht denken würden – ein Dienstleister die Nutzer:innen und damit einen leichten Zugang zu „Mobilität“ im Auge haben würde. Einen gemeinsamen Standard zu finden, ist aber laut Peters Analyse kein technisches Problem, sondern ein ökonomisches. Einen Standard zu finden, ist technisch leicht machbar, widerspricht aber der Konkurrenzlogik.
„Alles was bisher für das Smartphone beschrieben wurde, wiederholt sich noch einmal für das digitalisierte Auto – das deswegen auch gerne als ‚rollendes Smartphone“ bezeichnet wird. Das zeichnet sich beim Kampf der Autodigitalisierung um die immer wichtiger werdende Kundenschnittstelle ab. So haben sich Volkswagen, Fiat, Renault und andere europäische Hersteller der Open Automotive Alliance (OAA) angeschlossen. Diese von Google geführte Community entwickelt eine gemeinsame Plattform für das vernetzte Auto (›Connected Car‹) zum Beispiel, um Navigationsdaten und Infotainment integrieren zu können. Andere Hersteller wie BMW treiben die Entwicklung mit Nachdruck allein voran.“
Und auch die Arbeitswelt wird in Sachen Digitalisierung von Peter durchleuchtet:
Er sagt: „Ist der Mitarbeiter selbst billiger, wäre sein Ersatz durch eine Maschine ökonomischer Unsinn. Die
Konsequenz dieser Sorte kapitalistischer Rationalität besteht also darin, dass gerade jene Berufe, die besonders dreckig, ungesund und schlecht bezahlt sind, nicht durch technische Errungenschaften ersetzt werden. Das heißt nicht, dass jeder schlecht bezahlte Job sicher ist: Umgekehrt sieht man der Arbeitsorganisation so manchen Berufs an, dass er darauf ausgelegt ist, bald durch eine Maschine ersetzt zu werden – zumindest sofern die Lohnkosten steigen oder die Preise für die Roboter weiter fallen sollten. Beispielhaft dafür ist der Logistiker, der in den Lagern großer Versandhäuser längst zum „Picker“ geworden ist. Mit GPS-Gerät am Arm wird er mit der kürzesten Route durch das Lager navigiert, sein Vorgesetzter erhält eine Meldung, wenn er sich unerlaubt
von der Route entfernt.“ Schöne neue Arbeitswelt, gepusht von uns Verbraucher:innen, die wir ein Buch, was im lokalen Handel dasselbe kostet, heute noch geliefert haben wollen.
Beschreibung des Buches: „Peter Schadt nimmt die Widersprüche der Digitalisierung in den Blick: das Interesse der Unternehmen, ihre Produktion zu rationalisieren; das Programm der Industrie 4.0, mit dem Staat und Wirtschaft den Umbau voranbringen wollen, in Konkurrenz zu anderen Ländern; und nicht zuletzt: die Rolle der Lohnabhängigen in diesem umgebauten Kapitalismus. Der Band geht zudem der Digitalisierung beim Militär – vom Drohneneinsatz bis zum Cyberkrieg – und bei der Energiewende nach. Außerdem hinterfragt er die geläufigsten Ideologien zu den vermeintlichen Segnungen der technologischen Umwälzung.“
Zudem hat Peter zur „Digitalisierung der deutschen Autoindustrie“ promoviert und veröffentlicht hier auch regelmäßig zum Thema, u. a. bei konkret. Seine zentrale These ist dabei, dass in der wissenschaftlichen wie öffentlichen Debatte regelmäßig und fälschlicherweise von „der Digitalisierung“ geschrieben würde, die etwas verändere oder Veränderungen notwendig mache: „Die Digitalisierung tut gar nichts. Sie ist ein Scheinsubjekt.“
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