Drei Autos vor einem herbstlichen Wald.

„Zwei Jahre unseres Lebens verbringen wir im Auto” – und Mercedes findet das … gut?

17.520 Stunden. Zwei Jahre eures Lebens. In einem Auto.

Und das Marketing-Genie von Mercedes kommt zu dem Schluss: „Bestens investierte Zeit.”

Nicht zwei Jahre mit euren Kindern. Nicht zwei Jahre, in denen ihr arbeiten, lesen, schlafen oder leben könntet. Nein, zwei Jahre in einer klimatisierten Blechkiste, im Stau, auf der Suche nach Parkplätzen, im Stop-and-Go-Verkehr – aber hey, elektrifiziert und mit intuitiven Funktionen.

Was für eine dystopische Vision von Lebenszeit!

Mercedes verkauft uns hier keine Mobilität. Mercedes verkauft uns Zeitverschwendung als Lifestyle. Als hätten wir nichts Besseres zu tun, als 17 520 Stunden unseres einzigen Lebens in einem rollenden Wohnzimmer zu verbringen, nur weil es „unvergleichlichen Komfort” bietet.

Wisst ihr, was auch unvergleichlichen Komfort bietet? Ein Zug, in dem ich arbeiten, lesen oder schlafen kann, während ich an mein Ziel komme. Ein funktionierender ÖPNV, der mir diese zwei Jahre zurückgibt, statt sie in individualisierte Isolation zu verwandeln.

„Bestens investierte Zeit“ – für wen?

Für den Aktienkurs von Mercedes? Sicher. Für die Umwelt? Definitiv nicht. Für euer Leben? Nur, wenn euer Lebensziel darin besteht, möglichst viel Zeit in künstlichem Leder und mit „intuitivem Infotainment” zu verbringen.

Die Autolobby hat es geschafft, uns einzureden, dass zwei Jahre, die wir im Auto verbringen, eine „Investition” sind. Als wäre es eine bewusste Entscheidung. Als hätten wir die Wahl. Dabei ist das Auto das Ergebnis jahrzehntelanger Lobbypolitik, die Alternativen systematisch ausgehungert hat.

Zwei Jahre im Auto sind keine Investition. Sie sind der Preis, den wir für eine Infrastruktur zahlen, die auf individuellem Autoverkehr basiert statt auf kollektiver, effizienter und menschengerechter Mobilität.

Und Mercedes will uns jetzt erzählen, dass wir diese zwei Jahre genießen sollen? Dass ein E-Auto mit Massagesitzen und 17 verschiedenen Ambient-Light-Modi die verlorene Lebenszeit irgendwie kompensiert?

Nein.

Diese Werbung ist der Gipfel der Absurdität. Sie nimmt ein massives gesellschaftliches Problem – dass Menschen gezwungen sind, absurde Mengen ihrer Lebenszeit in Autos zu verbringen – und macht daraus ein Verkaufsargument.

„Ja, ihr verbringt zwei Jahre eures Lebens im Auto. Aber wenn ihr schon in diesem System gefangen seid, dann wenigstens in unserem Auto.“

Das ist keine Vision. Das ist Kapitulation als Marketingstrategie.

Was wäre die Alternative?

Eine Gesellschaft, in der wir nicht 17.520 Stunden im Auto verbringen müssen. In der Kinder zu Fuß zur Schule gehen können. In der der ÖPNV so gut ausgebaut ist, dass Autos zur Ausnahme und nicht zur Regel werden. Eine Gesellschaft, in der „Mobilität” nicht bedeutet, alleine in einer Blechdose zu sitzen, sondern schnell, sicher und stressfrei anzukommen.

Aber das verkauft Mercedes nicht. Mercedes verkauft die Illusion, dass Zeitverschwendung Luxus ist, solange sie teuer genug ist.

Zwei Jahre unseres Lebens im Auto?

Nein danke, Mercedes. Ich investiere meine Zeit lieber in ein Leben, das nicht auf vier Rädern stattfindet.

2 Antworten zu „„Zwei Jahre unseres Lebens verbringen wir im Auto” – und Mercedes findet das … gut?“

  1. Avatar von Helmut Dirks
    Helmut Dirks

    Ich bin heute mit Bus und Bahn gefahren und hatte nette Gespräche mit interessanten Leuten. Das war für mich eine mentale Bereicherung. Die Kontakt zu anderen erweitert meinen Horizont und eröffnet mir neue Perspektiven.
    Ich wünsche mir einen funktionierenden ÖPV in dem ich als Fahrgast behandelt werde.


    1. genau das Helmut!


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