Die Verkehrswende ist für Katja Diehl eine Frage der Gerechtigkeit. Sie kämpft für eine neue Mobilität, die niemanden ausschließt. Klar ist: Die Alternativen zum Auto müssen viel besser werden.
Wie weit der Weg noch ist, zeigen die nackten Zahlen: Etwa 48 Millionen Autos kommen in Deutschland auf 41 Millionen Haushalte. Diese Pkw werden im Durchschnitt 45 Minuten am Tag bewegt. Sie stehen also mehr als 23 Stunden täglich ungenutzt herum, meist vor der eigenen Haustür. Und an diese Tür klopft Katja Diehl: „Musst du oder willst du Auto fahren?“ Das fragt sie immer wieder – und bekommt oft dieselbe Antwort. Ein Stirnrunzeln – dann eine kurze Pause und das Bekenntnis: „Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Aber jetzt, wo du mich das fragst: Es stimmt! Ich muss Auto fahren!“
Diehl ist Mobilitätsaktivistin. Aus ihrem 2019 gegründeten Projekt „She Drives Mobility“, das als Podcast begann, ist inzwischen eine Marke geworden. Diehl ist als Moderatorin und Beraterin unterwegs, auf Twitter folgen ihr 30 000 Menschen, bald erscheint ihr erstes Buch: „Autokorrektur“. Sie kämpft für eine radikale Verkehrswende, weil es dabei aus ihrer Sicht um Gerechtigkeit geht. Als Expertin für neue Mobilität, neues Arbeiten und Diversität will sie vor allem eines, wie sie sagt: „Laut sein für diejenigen, die das System vernachlässigt.“
She drives Mobility: Katja Diehl will weder Flugtaxis noch Elektromobilität
Für Diehl, die im Bundesvorstand des Verkehrsclubs Deutschland sitzt, ist die Verkehrswende „mehr als nur technischer Fortschritt“. Sie kritisiert technikzentrierte Ansätze wie die Entwicklung von Flugtaxis. Und auch der Ausbau der Elektromobilität ist für sie keine hinreichende Lösung – wenn er letztlich dazu führt, dass in der Zukunft statt 48 Millionen Benzinern und Dieseln 48 Millionen E-Autos auf den deutschen Straßen unterwegs sind.
Langfristig sei die Verkehrswende keine technische, sondern eine menschliche Frage. Und ein Umdenken nötig, damit Menschen aus Überzeugung auf das Auto verzichten und stattdessen laufen, Bahn oder Rad fahren. Doch damit das passiert, müssen diese Alternativen auch gut ausgebaut und sicher sein – und daran hapert es derzeit noch gewaltig: „Für Frauen beispielsweise ist es erschreckend normal, nach einer Party die Bahn zu meiden, weil die nicht sicher ist. Oder auf dem Heimweg Telefonate vorzutäuschen und schneller zu laufen, aus Angst, verfolgt zu werden.“
„Autokorrektur“ – das neue Buch von Katja Diehl über den Wandel in der Mobilität
Für ihr Buch hat Diehl auch mit einer trans Frau gesprochen, die öffentliche Verkehrsmittel aus Angst vor Übergriffen meidet. Sie hört den Eltern eines Sohnes mit Trisomie 21 zu, die ihr Kind nicht mit dem Fahrrad mitnehmen können, weil sein Muskeltonus zu schwach ausgeprägt ist, um die Erschütterungen der Radinfrastruktur verkraften zu können. Sie trifft eine alleinerziehende Krankenschwester, die nach ihrem 24-Stunden-Dienst eigentlich nicht mehr hinterm Steuer sitzen will, es mangels Alternativen aber muss.
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