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XING-Meinungsstück: Zukunft Mobilität: Fünf Unternehmen, die die deutsche Autoindustrie herausfordern und Dogmen hinterfragen

Nicht nur die deutsche Autoindustrie ist in den vergangenen Jahren extrem unter Druck geraten. Wir hinterfragen zunehmend, was Mobilität überhaupt ist. Anhand dieser fünf Unternehmen lässt sich illustrieren, in welche Richtung der Markt sich entwickeln könnte.

Ein Blick aus dem Fenster einer Wohnung in einer beliebigen deutschen Großstadt zeigt: Von einer echten Mobilitätswende sind wir noch weit entfernt. Ein Großteil des öffentlichen Raumes wird von Autos eingenommen – parkenden Autos, die mehr als 90 Prozent der Zeit ungenutzt herumstehen und Platz einnehmen, für den ihre Besitzer so gut wie keine Gegenleistungen zahlen.

Wie also könnte eine echte Mobilitätswende aussehen? Wie können wir dabei alle mitnehmen? Menschen, für die das Auto neben Arbeit und Zuhause einen dritten Lebensraum darstellt? Menschen, die auf dem Land leben, aber nicht mehr auf das Auto angewiesen sein wollen? Menschen, die gerne mehr Fahrrad fahren wollen, aber sich auf den Straßen unserer Städte nicht sicher genug fühlen?

Um zu illustrieren, wie dynamisch der Mobilitätsmarkt gerade ist, reicht ein Blick auf einige größere und kleinere Player, die teilweise mit großer Macht hinein drängen. Wofür stehen sie? Was sind ihre Stärken und Schwächen? Und was ist von ihnen in Zukunft noch zu erwarten?

Tesla

Tesla ist der wohl bekannteste Herausforderer der deutschen Autoindustrie, der zurzeit auch ein Werk in Grünheide in der Nähe von Berlin aufbaut. Das Unternehmen ist sicherlich einer der großen Treiber für Veränderungen auch bei den hiesigen Konzernen. Es ist allerdings nicht alles Gold, was hier glänzt. Ein großer Teil des guten Rufes basiert auch auf guter Öffentlichkeitsarbeit.

Die Stärken: Das Unternehmen expandiert mit großer Dynamik und ist die bekannteste Marke der E-Mobilität. Kund:innen berichten immer wieder begeistert davon, dass Tesla durch regelmäßige Software-Updates dafür sorgt, dass auch bereits gekaufte Fahrzeuge immer wieder ein verbessertes Nutzungserlebnis bieten. Auch der deutschen Autoindustrie ist anfänglicher Spott über Produktionsschwächen und nicht ideal konstruierte Autos vergangen.

Die Schwächen: Es ist nicht alles Gold, was bei Tesla glänzt. Die Arbeitsbedingungen und Mitarbeiter:innenbeteiligung sind dürftig, und bisher ist der Markt des Unternehmens – bis auf die Antriebsart – immer noch sehr klassisch strukturiert. Tesla baut Autos, und die meisten von ihnen sind zu groß für den Alltagsbedarf der meisten Menschen.

Wohin es gehen könnte: Tesla verfolgt die Vision, dass die Menschen sich irgendwann autonome PKW-Flotten teilen können. Hier läge der wahre Mehrwert für die Verkehrswende. Ein solches System würde den Platz, den geparkte Autos einnehmen, drastisch reduzieren.

Waymo / Google

Ein oft übersehener Player am Mobilitätsmarkt. Neben Apple und Uber ist Google das Unternehmen, das autonome Mobilität zurzeit am stärksten vorantreibt.

Die Stärken: Die größte Stärke von Google auf dem Mobilitätsmarkt ist, dass es keine Präferenz für ein bestimmtes Fortbewegungsmittel – insbesondere das Auto – hat. Für Google ist ein Auto nicht mehr als ein Smartphone: Ein Gegenstand, der einen bestimmten Zweck erfüllt, und der mit Hilfe von Software weiter entwickelt wird. Besonders im ländlichen Bereich könnten autonom fahrende Autos die Mobilität deutlich verbessern, ohne dass man ein eigenes Fahrzeug besitzen muss.

Die Schwächen: Das Geschäftsmodell einer geteilten Mobilität kann auch besonders präkere Abhängigkeitsverhältnisse hervorbringen. So, wie zurzeit Uber in vielen Ländern Fahrer:innen sehr schlecht bezahlt, könnte in Zukunft ein Rennen darüber entstehen, wer bestimmte Dienstleistungen rund um Mobilität möglichst günstig anbietet (siehe: „wohin es gehen könnte“). Wir müssen in Europa aufpassen, dass wir solche Entwicklungen verhindern – wo nötig auch über Regulierung. Mobilität ist ein Grundrecht und darf nicht – so wie jetzt schon der Fall – Menschen ausschließen.

Wohin es gehen könnte: Im Bereich des Pooling können wir noch viel erwarten, vor allem, wenn das reformierte Personenbeförderungsgesetz den Bundesrat passiert, womit aufgrund der gegebenen Mehrheiten zu rechnen ist. Wenn mein Mobilitätsvermittler weiß, dass ich eine bestimmte Strecke fahren möchte, könnte ein System mir zum Beispiel Dinge vermitteln, die ich für andere auf dem Weg erledigen kann. Ich könnte zum Beispiel gegen eine kleine Gebühr das sperrige Paket des Nachbarn zur nächsten Post bringen.

Sono Motors

Sono Motors ist ein deutsches Unternehmen, das mit dem Sion das erste Elektroauto baut, das sich – so das Versprechen der jungen Münchner – selbst lädt. Kürzere Fahrten in der Stadt sollen so möglich sein, ohne dass es an der Steckdose aufgeladen wird.

Die Stärken: Im Auto sind genügend Solarpanele verbaut, dass es die durchschnittliche tägliche Pendlerstrecke von 35 Kilometern in Deutschland bei ausreichend gutem Wetter ohne zusätzlichen Strom bewältigen kann. Laut Sono Motors läuft die Produktion entweder CO2-frei oder entstehende Treibhausgase werden ausgeglichen.

Die Schwächen: Das Auto ist (noch) nicht für autonomes Fahren ausgerüstet. Für längere Fahrten außerhalb von Städten könnte außerdem die Reichweite von rund 250 Kilometern mit einer Batteriefüllung abschreckend wirken, auch wenn wenn wir wissen, dass diese für sehr viele Bedarfe ausreichend ist.

Wohin es gehen könnte: Der Sion ist bereits ausgerüstet, um andere elektrische Geräte zu betreiben oder sogar wieder Strom ins Netz abzugeben. Machen dies genügend Fahrzeuge, könnten sie in Zukunft in Zeiten überschüssigen Stroms als Speicher dafür dienen und in Zeiten knappen Stroms diesen wieder ins Netz zurück speisen. Auch Carsharing wäre mit dem Auto möglich: Ich könnte zum Beispiel mit dem Auto zur Arbeit fahren und dann über eine App das Auto für Kolleg:innen freigeben, damit diese es gegen eine Kostenbeteiligung während meiner Arbeitszeit nutzen können.

Microlino

Die Microlino AG aus der Schweiz entwickelt das Mikro-E-Auto Microlino und den E-Roller Microletta. Beide Fahrzeuge sollen mit minimalem Platz- und Energieverbrauch die verschiedenen Mobilitätsbedürfnisse in der Stadt erfüllen.

Die Stärken: Im Microlino haben zwei Erwachsene Platz und er benötigt dafür nur ungefähr ein Drittel des Raumes, den ein durchschnittlicher PKW braucht. Perfekt für ein Land wie Deutschland, in dem PKW durchschnittlich 1,4 Personen befördern. Der Energieverbrauch liegt bei weniger als der Hälfte im Vergleich zu einem durchschnittlichen PKW und das Fahrzeug lässt sich laut Hersteller in nur rund vier Stunden an einer normalen Steckdose aufladen.

Die Schwächen: Auch dieses Fahrzeug kann – bisher – nicht autonom fahren und nicht mit anderen geteilt werden. Die Auslieferungen sollen erst gegen Ende 2021 beginnen. Außerdem gibt es noch einige regulatorische Unsicherheiten: Nicht überall dürfte man das Fahrzeug einfach quer in eine Parklücke stellen, obwohl der Platz dafür in den meisten Fällen ausreichen dürfte. Auch hier zeigt sich: Neue Mobilität braucht dringend neue politische Rahmenbedingungen, die nachhaltige Mobilität belohnen und nicht behindern.

Wohin es gehen könnte: Kleinstfahrzeuge wie der Microlino wären ein wichtiger Schritt weg von der aktuell häufig praktizierten Gewohnheit, PKW vor unsere Wohnungen und Häuser zu stellen, die unseren maximal eventuell nötigen Mobilitätsbedarf abdecken. In den allermeisten Fällen wollen eine bis zwei Personen eine kurze Strecke fahren. Dafür reicht auch ein Fahrzeug wie der Microlino. Für alles andere gäbe es dann zum Beispiel Carsharing.

Tier Mobility

Der noch relative junge deutsche Anbieter verleiht verschiedene E-Roller-Modelle minuten- und stundenweise in zahlreichen europäischen Städten. Dabei benutzt es sowohl bei der Technik, als auch bei seinen Kooperationen innovative Ansätze.

Die Stärken: Tier Mobility arbeitet aktiv an den Fahrzeugen, die sie einsetzen. So hat das Unternehmen zum Beispiel dafür gesorgt, dass die eigentlich fest verbauten Batterien in E-Scootern ausgetauscht und diese leichter repariert werden können. Außerdem arbeiten sie besonders effizient mit bereits existierenden Mobilitätsanbietern zusammen. In München können Nutzer:innen die Roller von Tier zum Beispiel als Teil des Mobilitätsangebots der städtischen MVG finden.

Die Schwächen: Angebote wie das von Tier sind stark von der Regulierung abhängig. Städte müssen aktiv Abstell- und eigentlich auch Ladeflächen für diese Art von Mikromobilität schaffen, damit sie angenommen wird. Außerdem konzentriert das Angebot sich oft noch auf die zentralen Ballungsräume, die Randgebiete werden vernachlässigt.

Wohin es gehen könnte: Gelingt es, städte- oder sogar landesweit eine gemeinsame Mobilitätsplattform aufzubauen, in der auch bisher als konkurrierend wahrgenommene Mobilitätsangebote gleichberechtigt angezeigt werden, könnte das echte Mikromobilität und Wegeketten ermöglichen, die das eigene Auto vor allem im urbanen Raum zunehmen unattraktiv werden lassen. Ich könnte dann entscheiden, ob ich eine bestimmte Strecke lieber in einem kurzfristig geliehenen PKW, mit einem ausgeliehenen E-Fahrrad oder mit einer Kombination aus Bus, U-Bahn und E-Roller zurücklegen möchte.

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