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Wie gehen wir trotz der Dunkelheit aus 2023 mit Hoffnung in das neue Jahr hinein, Tadzio?

Das erste Mal muss ich wohl eine gewisse Triggerwarnung aussprechen, bevor ihr diese Folge hört. Mein Freund Tadzio Müller, mit dem ich diese letzte Folge She Drives Mobility 2023 gestalte, neigt bekanntermaßen zu sehr deutlicher Sprache 🙂

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Tadzio und ich haben diese Folge online vor den Augen und Ohren knapp 60 von unseren steady-Abonnent:innen aufgenommen, mit denen wir dann im Anschluss „off the records“ noch weiter persönliche Erfahrungen und Fragen besprochen haben. Wir feilen grad an einem Konzept, dieses Format einmal im Monat für unsere Abonnent:innen zu verstetigen. Stay tuned. 🙂

Wir beginnen mit dem Ereignis, das 2023 ziemlich schnell in Aktion geraten ließ: Die Räumung von Lützerath. Für Tadzio waren diese Tage vor der Zerstörung dieses Dorfes in einem der Reihenhäuser wohnend DER Moment, in dem er sich aus seinem ganz persönlichen Dunkel befreien konnte, das sich zuvor aufgebaut hatte, weil er nicht mehr an die Klimabewegung geglaubt hatte, die seine „Religion“ war. Ich wiederum hatte bereits Sekunden nach Abfahrt mit „meinem“ Bus gen Lützerath die erste Begegnung mit Polizeirepression, die letztlich dafür sorgte, dass wir die Demonstration verpassten, zu der wir gemeinsam fahren wollten.

Für Tadzio ist das beständige Eingeschränktsein in seinen Freiheitsrechten sehr viel mehr Teil seines linksradikalen Seins als es das meine bisher sein konnte, weil ich nicht zu den radikalen Linken gehöre. Seiner Beobachtung nach änderte sich das mit der Besetzung des Hambacher Forstes, wo sich die Legitimierung der Proteste änderte, „mittiger“ akzeptiert wurde. Lützerath war seiner Beobachtung nach ein Kristallisationspunkt auch für die Klimabewegung, radikaler zu agieren. Einen symbolischen und realen Ort zu verteidigen gegen fossile Konzerne und eine Staatsgewalt, die gegen Klimaschutz verstößt. In einer politischen Landschaft, in der verschiedene Bundesländer Polizeigesetze erlassen haben, die sich gegen „Terrorismus“ richten, aktuell aber nur gegen Klimabewegung zur Anwendung kommen. Stichwort Präventivhaft und eben das Erlebnis mit meiner Busfahrt.

Bisher waren Klimaaktivist:innen „beliebt“, wurden als „auf der richtigen Seite stehend“ wahrgenommen, Tadzio nahm hier 2023 eine zunehmende Abwertung bis Delegitimierung der Bewegung wahr, die bis heute nicht nur anhält, sondern sich immer wieder steigerte. Doch obwohl Lützerath als Dorf fiel und von der Landkarte gefegt, war Tadzio nach diesem Ereignis „aufgetankt“ – mit einer Kraft, die ihn durch das ganze Jahr getragen hat. Für mich war Lützerath der Beweis, dass, wenn ein Land (oder eine Region) in den Krisenmodus gerät, problematische Dinge auf Seiten der Polizei, der Medien geschehen. Und ein Ort, der mich mit Menschen zusammenführte, denen ich so nie begegnet wäre. Indigenen, die in Chile neben riesigen RWE-Minen leben müssen, Autonome, die jenseits von Lohnarbeits- und Miete-zahlen-Lebensläufen existieren.

Für Tadzio sind die Orte, wo sich die Bewegung trifft, weiterhin immer die besten Orte, weil dort Energie entsteht und in eine Richtung gegangen wird – auch wenn es auch in der Bewegung natürlich Konflikte gibt. Ein nächster Punkt, den wir vertieft haben, ist die öffentliche Debatte und vor allem das Niveau von dieser. Tadzios Highlight: Friedrich Merz und seine Definition von „CO2 als Chance“. Die Distanz zwischen dem, was in der Welt geschieht in Sachen Klimakatastrophe und dem, was an Narrativen statuiert wird, klafft immer weiter auseinander. So auch die Meldung, dass auf der COP28 der Ausstieg aus den fossilen Brennstoffen beschlossen wurde. Was de facto unmöglich ist, weil dort nur Wörter gewechselt werden. Aber keine Maßnahmen, die wirklich hart greifen und nach dem Ende der Konferenz zu ersten merklichen Effekten führen.

Tadzio ordnet vertiefend die Rolle der Klimakonferenzen in der Vergangenheit ein – und damit auch die COP28 in Dubai. Für Tadzio war diese Klimakonferenz aber auch Zeichen dafür, dass Teile der gemäßigten Klimabewegung mittlerweile Teil dieser Konferenzen sind und diese nicht mehr hinterfragen. Für Tadzio ist damit die einst große Klimabewegung sehr zusammengeschrumpft auf letztlich nur noch die radikalen Flügel, weil diese noch für Kommunikationsanlässe und das Hinterfragen des politischen Tuns sorgen – nicht jedoch mehr Bewegungen wie FFF. Die Letzte Generation wurde 2023 von Tadzio sehr auch in Sachen Öffentlichkeitsarbeit unterstützt, war jedoch ebenfalls nicht erfolgreich. Da die Gesellschaft aktuell in Verdrängung der Folgen der Klimakatastrophe und damit nicht empfänglich für rationale Darstellung ist. Das Fazit von 2023 ist für Tadzio, dass die Breite der Gesellschaft schlicht genervt von jedweder Klimabewegung ist – sich nicht verändern will und rational nicht zugänglich sei, um Verantwortung im Sinne auch des Hinterfragens des eigenen Lebensstil zu akzeptieren.

Als Politikwissenschaftler schaut er natürlich auch systemischer auf solche Entwicklungen. So auch auf Sprache, was ist sagbar, was macht den aktuellen Rechtsruck aus, welche Bedeutung übernahmen hier Menschen wie Claudia Pechstein und Hubert Aiwanger? Tadzio fand hier die Metapher des „Coming Out“, nicht im Sinne, wer wen wie liebt, sondern in dem Sinne, dass die Masken fallen bei Jenen, die bisher noch als bürgerliche Mitte missgelesen wurden, aber mittlerweile nicht nur AfD wählen, sondern auch AfD ohne jede Scham sprachlich in der Öffentlichkeit sind. Und die Grenzen zwischen dieser Partei und anderen Parteien schwammiger werden lassen. Hier gibt es eine offen gelebte Schamfreiheit, die sich in 2023 immer weiter steigerte und in immer größeren Stimmanteilen für diese Partei sich widerspiegelte.

10 Gedanken zu „Wie gehen wir trotz der Dunkelheit aus 2023 mit Hoffnung in das neue Jahr hinein, Tadzio?“

  1. Vielen Dank für Euren Beitrag, zu dem ich viele inhaltliche Anknüpfungspunkte habe. Was mich offen gestanden dazu bewogen hat, nach der Hälfte abzubrechen war die inflationäre Verwendung von „denglisch“ Floskeln vor allem von Herrn Müller. Diese sind für mich eigentlich eine Störung im ansonsten guten Fluss der Kommunikation. Das nervt. Aber vielleicht bin ich „basically“ einfach zu alt für diesen coolen Sprechstil über den „old school battle“.

  2. Vielen Dank, Ihr Lieben für diesen Podcast!! Ich weiss nicht, wie Ihr es gemacht habt, aber schon in den ersten Minuten gab er mir so viel Trost, Mut und Hoffnung, wie ich überhaupt nicht erwartet habe …

  3. Klar benannt: die Verdrängungsmechanismen, die sich umso so stärker hervor tun, je schlimmer die Situation wird. Danke für diese klaren Worte, Tadzio! Dich zu hören, hat mich mehr überzeugt, als von dir zu lesen, weil dabei deutlich wird, dass hinter deiner teils sehr rauen Sprache ständig gute Reflektion arbeitet. Und Katja und Tadzio, ihr ergänzt euch wirklich sehr gut – weiter so!!! 🙂

  4. Na gut, Zukunftsaussicht korrekt. Gefühle viele, gut und wichtig, aber das ist nicht genug. Was schlagt ihr vor ? Wie weiter? Getröstet bin ich nicht, bin 86, was tun?

    1. Ins Tun gehen, sich mit Menschen vernetzen. Das beschreiben zumindest Tadzio und ich, das uns das gut tut und Hoffnung gibt. Nicht die Ergebnisse, sondern die gemeinsame Arbeit an der Veränderung ist es, die gut tut. Weil das große Ganze nicht von uns bewegt werden kann, bewegen wir das Kleine um uns herum. Das muss nicht für alle passen, für uns und viele, die uns zuhörten, ist das aber ein guter Weg.

  5. Veränderungen sind nur möglich, wenn die Mehrheit der Menschen dahinter steht, im Guten wie im Schlechten. Ein Donald Trump ist nur stark, wenn eine Mehrheit ihn wählt. Das ist aber nicht genetisch vorbestimmt. Deswegen ist es wirksam, im Gespräch klar Stellung zu beziehen, Gegendarstellung und Visionen auszuformulieren, immer wieder.

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