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Solltest du von sexualisierter Gewalt betroffen sein und Hilfe suchen, findest du hier telefonische, elektronische Beratung und weitere Hilfsangebote.
Vorab: Mir ist bewusst, dass die Vorwürfe gegen Stefan Gelbhaar nicht vom Tisch sind und dringend bis zum letzten Detail aufgeklärt werden müssen. Der Grund, warum ich mich zu diesem Gespräch entschlossen habe, war eine Entwicklung, die ich als sehr problematisch erachte: Das Rütteln an der Unschuldsvermutung. Wenn wir eine gute Welt für alle schaffen wollen, dann muss die Unschuldsvermutung am Beginn nicht nur von Vorwürfen sexualisierter Gewalt, die platziert werden, endlich für beide Seiten gelten: Für Täter*innen wie Betroffene gleichermaßen. Das aktuelle System ist massiv dysfunktional, viele Betroffene von sexualisierter Gewalt zeigen daher auch gar nicht an, was ihnen geschehen ist – weil sie den Gang in die Öffentlichkeit, zur Polizei scheuen. Aufgrund negativer Erfahrungen und vor allem einer Herabwürdigung, die diesem System gegenüber traumatisierten Opfern sexualisierter Gewalt immanent ist. Das System von Polizei über Gesellschaft bis Justiz verunmöglicht es, guten und sensiblen Umgang mit Opfern zu gewährleisten. Das sehen wir nicht zuletzt an den vielen prominenten Herren, die Vorwürfen deutlich ausgesetzt waren, aber heute vor noch gefüllteren Hallen stehen und ihre Shows abliefern können. Während die Opfer in Vergessenheit gerieten, diffamiert wurden. Die Scham hat hier immer noch nicht die Seiten gewechselt, auf Seiten der Täter*innen, wo sie hingehört. Ich hoffe, dass wir das endlich besser hinbekommen. Die Unschuldsvermutung muss Zentrum eines besseren Systems sein. Aufklärung und bessere Strukturen für die Aufklärung müssen etabliert werden.
Wenn sich junge Frauen der Grünen zitieren lassen mit:
Die Unschuldsvermutung gilt nur vor Gericht, aber nicht in einer Partei.
dann ist das – korrigiert mich gern, wenn ihr das anders seht – mehr Schaden als Heilung. Eben WEIL wir wollen, dass es fair zugeht. Da darf es nicht als unproblematisch erachtet werden, dass angebliche Beweise sich als Fälschung erweisen, sogar die Person, die eidesstattliche Versicherungen einreichte, weder vom rbb noch seinem Justiziariat überprüft wurde. Das hilft Jenen, die weiterhin wollen, dass die Scham bei den Betroffenen bleibt. Es MUSS dringend aufgeklärt werden, welche Vorwürfe gegenüber Stefan Gelbhaar berechtigt sind. Und diese müssen dann auch Konsequenzen haben. Aber wir alle sind angehalten, uns trotz aller Wut über die Ungerechtigkeiten, die FLINTAs im Laufe ihres Lebens täglich ansammeln müssen, nicht über grundsätzliche Rechte, die allen gebühren, hinwegzusetzen.
Zur Episode:
Kerstin Finkelstein im Gespräch mit Stefan Gelbhaar über die Mobilitätspolitik der Ampelregierung.
Die Novelle des Straßenverkehrsgesetzes ist ein Fortschritt, weil sie neue Kriterien wie Gesundheitsschutz und Stadtentwicklung einführt. Allerdings ist die Umsetzung noch kompliziert, da Bundesrat und Bundesregierung hier Einfluss haben. Stefan Gelbhaar hebt hervor, dass die Verkehrswende nicht nur eine ökologische, sondern auch eine soziale Frage ist. Subventionen für den Autoverkehr belasten den Staat mit Milliardenbeträgen, während nachhaltige Mobilitätslösungen unterfinanziert bleiben.
Die Bahn wurde jahrzehntelang vernachlässigt. Es gibt massive Investitionsrückstände, veraltete Stellwerke, Weichen und Gleise. Stefan Gelbhaar erklärt, dass die aktuelle Regierung zwar mehr Mittel bereitstellt, aber Jahre der Unterfinanzierung nicht sofort ausgleichen kann. Dennoch ist die Nachfrage nach Bahnreisen hoch, und eine langfristige Förderung der Schieneninfrastruktur ist essenziell.
Stefan Gelbhaar reflektiert auch über die politischen Prozesse hinter den Kulissen. Die Verhandlungen um das Verkehrsministerium führten dazu, dass die FDP es übernahm – eine Entscheidung, die viele in der Verkehrswende-Bewegung enttäuschte. Er betont, dass politische Entscheidungen oft durch Koalitionsdynamiken geprägt sind und nicht immer einer Partei allein zuzuschreiben sind.
Jan Rosenkranz im Gespräch mit Stefan Gelbhaar.
Jan Rosenkranz beginnt mit der Frage, wie sich Stefan Gelbhaar aktuell fühlt – zwischen dem Wissen, dass er sich nicht mehr für den Bundestag zur Wahl stellen wird, und dem abrupten Ende seiner politischen Karriere.
Jan Rosenkranz fasst zusammen, was passiert ist:
- Kurz vor der Listenaufstellung der Berliner Grünen für die Bundestagswahl tauchten erste Vorwürfe gegen Gelbhaar auf.
- Es ging um Belästigungsvorwürfe, von denen einige später als erfunden entlarvt wurden.
- Einige Frauen blieben bei ihren Vorwürfen, die sich auf unangemessenes Verhalten bezogen.
- Diese Meldungen wurden an die parteiinterne Ombudsstelle gegeben.
- Der RBB berichtete darüber und verstärkte die öffentliche Aufmerksamkeit.
Gelbhaar beschreibt, wie schwer es war, sich gegen die Vorwürfe zu verteidigen, weil sie unkonkret blieben. Er verweist auf den kafkaesken Charakter der Situation: Er wusste nicht genau, was ihm vorgeworfen wurde, und konnte sich daher kaum äußern oder entlastende Fakten liefern.
Gelbhaar betont, dass eine Ombudsstelle eine wertvolle Institution ist, da sie Betroffenen einen geschützten Raum bietet. Sie sei eine Anlaufstelle für Menschen, die sich unwohl fühlen oder grenzüberschreitendes Verhalten erlebt haben. In seinem Fall sei die Ombudsstelle überfordert gewesen:
- Die Vorwürfe wurden anonym gehalten, was bedeutete, dass er sich nicht konkret dazu äußern konnte.
- Die Ombudsstelle darf nicht mit einer Ermittlungsbehörde verwechselt werden – sie kann keine Beweise sammeln oder Fälle objektiv aufklären.
- Es braucht daher weitere Strukturen, die in solchen Fällen greifen. Da die aktuelle Struktur anfällig für gezielte Instrumentalisierung sein kann. Besonders problematisch war auch der Zeitpunkt der Vorwürfe, der kurz vor der Kandidatenaufstellung eine politische Dimension mit sich brachte.
Jan Rosenkranz fragt nach, ob Stefan Gelbhaar überlegt, rechtliche Schritte gegen den RBB oder andere Beteiligte einzuleiten. Gelbhaar gibt an, dass er lange darüber nachgedacht habe. Erst als er in einem gerichtlichen Verfahren gegen den RBB Akteneinsicht bekam, erkannte er das gesamte Ausmaß der falschen Vorwürfe:
- Einige Aussagen stammten von einer Person, die es gar nicht gab.
- Es gab gefälschte eidesstattliche Erklärungen.
- Der RBB hatte sich auf unzureichend überprüfte Informationen gestützt.
Er habe daraufhin den RBB juristisch zur Verantwortung gezogen, was schließlich dazu führte, dass die Falschvorwürfe öffentlich wurden.
Jan Rosenkranz fragt, ob Gelbhaar sich von seiner Partei im Stich gelassen fühlt. Stefan Gelbhaar antwortet, dass es ein „dröhnendes Schweigen“ gegeben habe. Viele seien zurückhaltend gewesen, einige hätten sich aber auch solidarisch gezeigt. Besonders enttäuscht sei er darüber gewesen, dass der Bundesvorstand sich nicht früher klar positioniert habe.
Robert Habeck sprach später von „krimineller Energie“, Parteikollege Felix Banaszak von „Niedertracht“. Stefan Gelbhaar nimmt dies zwar zur Kenntnis, betont aber, dass eine Entschuldigung nur sinnvoll sei, wenn sie auf einer ehrlichen und umfassenden Aufarbeitung beruhe.
Stefan Gelbhaar betont, dass er das Thema sexueller Belästigung sehr ernst nimmt und für eine klare Aufarbeitung solcher Vorfälle auch in seinem Falle ist. Aber es müsse einen differenzierten Umgang mit Anschuldigungen geben, der sowohl den Betroffenen Schutz bietet als auch den Beschuldigten eine faire Möglichkeit zur Verteidigung einräumt.
Jan Rosenkranz fragt zum Schluss, wie es für Stefan Gelbhaar weitergeht. Er antwortet, dass er sich zunächst mit der Aufarbeitung der Ereignisse beschäftigt. Der Vorfall habe ihm verdeutlicht, wie wichtig es sei, politische und mediale Mechanismen kritisch zu hinterfragen. Er sieht sich weiterhin als Teil der politischen Debatte und möchte sich für einen sachlichen, fairen Umgang mit Anschuldigungen und politischen Intrigen einsetzen.
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