Wie bringen wir Menschen dazu, mehr mit der Bahn zu fahren? Eine Antwort wäre: Wir bauen das Schienennetz besser aus. Auch in ländlichen Regionen. In Frankreich gibt es dazu neue Pläne. 2025 will die französische Bahn (SNCF) ein Pilotprojekt starten, bei dem kleine, stillgelegte Strecken reaktiviert werden. Und nicht nur das. Um die Bahnhöfe besser an Orte und Menschen anzubinden, soll es Schienenfahrzeuge geben, die auf der Straße weiterfahren können – bis vor die Haustür.
Ein Teil des Plans heißt „Flexy“ und ist eine Mischung aus Auto und Zug. Es hat große Fenster und ist in verschiedenen Größen geplant. Vorne sitzt die Fahrerin oder der Fahrer, die darauf warten, dass Kund*innen per App ein Flexy rufen. Ausgangspunkt kann ein Bahnhof sein, aber auch eine Bushaltestelle oder sogar die eigene Haustür, denn Flexy ist in der Lage, sowohl auf Schienen zu rollen, als auch auf der Straße zu fahren. Der Wechsel zwischen den Systemen soll an bereits existierenden Bahnübergängen stattfinden.
Die SNCF möchte mit dem Projekt mehr Menschen vom Auto auf die Schienen bringen und vor allem den ländlichen Raum besser an den öffentlichen Verkehr anbinden. Dazu sollen alte – derzeit stillgelegte Schienen – wiederbelebt werden. Katja Diehl, Expertin für Mobilität und Buchautorin, sieht durchaus Potenzial in den Plänen. „Das ist natürlich ein großer Vorteil, wenn man zwei Systeme mit einem Fahrzeug nutzen kann. Da hat man natürlich ganz andere Möglichkeiten, als wenn man schienengebunden ist“, sagt sie.
„Es gibt in Hamburg auch einen Bus, der schwimmen kann. Der ist eine ganz tolle Attraktion für Tourist*innen. Er kann sowohl zu Lande als auch zu Wasser fahren.“
Katja Diehl, Expertin für Mobilität und Buchautorin
Flexy hat Räder mit einer Doppelfunktion. Außen sind es ganz normale Autoreifen, innen haben sie aber eine glatte Oberfläche für die Schienen. Und am nächstgelegenen Bahnübergang fädelt Flexy dann auf die Schiene ein und legt den größten Teil der Strecke als Zug zurück. Der Vorteil gegenüber einem Taxi oder einem Bus ist, dass Flexy in weiten Teilen eine eigene Fahrspur hat, sagt Katja Diehl.
„Wenn Menschen im Auto im Stau stehen und die Busse an ihn vorbeirauschen, dann kommen sie vielleicht eher auf die Idee: ‚Ist das, was ich hier mache, eigentlich gerade sinnvoll?’“
Katja Diehl, Expertin für Mobilität und Buchautorin
Das Problem ist: Wenn Busse im städtischen Raum keine eigene Spur haben, dann stehen sie genauso hinter dem Müllwagen oder genauso im Stau wie alle anderen Autos. „Und sie haben in dem Sinne keinen Geschwindigkeitsvorteil“, sagt Katja Diehl. Einen Effekt, der mehr Menschen vom Auto in den ÖPNV bringe, ließe sich nur dann erzielen, wenn Menschen mit dem Auto im Stau feststecken und Busse und Bahnen an ihnen vorbeirollen.
Züge sind zuverlässiger und verbrauchen weniger Energie
Schienenverkehr ist zuverlässiger und besser planbar. Außerdem ist der Energieverbrauch niedriger als auf der Straße, weil die Metallreifen eines Zuges einen viel geringeren Rollwiderstand haben, als die Autoreifen.
Katja Diehl sieht in dem System aber auch ein paar Probleme. Sie fragt sich, wie es um die Sicherheit steht: „Wie will man gewährleisten, dass da nicht auch Güterverkehr unterwegs ist? Ich habe mich auch gefragt, wie funktioniert das zum Beispiel beim Einbahnsystem, also wenn man nur ein Gleis hat, wie will man das regulieren?“ Und: So ein Gefährt muss man ja auch erst mal bedienen können. Man müsste das Fahrpersonal also neu anlernen.
„Ich kann mir vorstellen, dass gerade da, wo noch Schienen liegen, aber nicht mehr benutzt werden, das das vielleicht gar nicht so kompliziert ist.“
Katja Diehl, Expertin für Mobilität und Buchautorin
Flexy muss jedenfalls nicht alleine, sondern im Kontext mit weiteren kleinen Zügen gesehen werden, die die wenig oder gar nicht mehr genutzten Strecken mit den größeren Knotenpunkten verbinden sollen. Zum Beispiel gibt es da auch die Idee zu Draisy. Einem kleinen Zug für 80 Fahrgäste. Alles in allem hält Katja Diehl den Auto-Zug der SNCF also für eine interessante Idee.
„Ich ärgere mich ehrlich gesagt ein bisschen, dass wir in Deutschland nicht so offen sind, einfach mal Dinge auszuprobieren.“
Katja Diehl, Expertin für Mobilität und Buchautorin
Wie viele stillgelegte Bahnstrecken es in Deutschland gibt, das weiß Katja Diehl nicht, aber sie geht davon aus, dass es viele sind. Zum Beispiel auch Gleise, über die Produktionshallen früher beliefert wurden. „Also ich würde mir wünschen, dass die von der Deutschen Bahn mal mit ihren SNCF-Kolleg*innen sprechen und sich austauschen und voneinander lernen“, sagt Katja Diehl.
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