Ich muss mit einer Person reden, die sich auskennt. Insgeheim suche ich nach jemandem, der mir sagt, dass ich es besser lasse, mich wegen meines persönlichen Konsumverhaltens so aufzureiben, dass ich stattdessen lieber Demos für bessere Regionalzugverbindungen organisieren sollte – zu denen ich dann vielleicht auch gemütlich mit dem Auto fahren kann.
Katja Diehl sitzt im Hoodie beim Frühstück in einem Hotel in Siegen, wo sie gestern eine Lesung hatte. Es waren Jugendliche von Fridays for Future dort, die an ihrer Schule eine AG zu öffentlichem Nahverkehr gegründet haben. Diehl ist gerade viel unterwegs, sie reist mit einem Sachbuch durch die Städte. Das Buch heißt „Autokorrektur“ und formuliert ihre Ideen von der Mobilitätswende. Nebenbei hat Diehl gerade gemeinsam mit dem Umweltaktivisten Thilo Pfaff eine Petition gestartet, in der sie Sofortmaßnahmen für mehr Unabhängigkeit von Putins Öl fordert. Ein Tempolimit, ein Verbot von Inlandsflügen und drei Monate kostenlosen öffentlichen Nahverkehr zum Beispiel.
Normalerweise versuche ich so ein Interview persönlich zu führen. Weil mehr Nähe entsteht, wenn ich einer Person wirklich gegenübersitze. Aber vielleicht ist das – der Anspruch, sich für ein einstündiges Gespräch einen Tag lang in den Zug zu setzen – auch Teil des Problems. Katja Diehl hat vorgeschlagen, per Zoom zu sprechen.
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Macht Autofahren abhängig, Frau Diehl?
„Das ist statistisch belegt“, sagt Katja Diehl. Wer sich ein Auto anschaffe, der mache bald immer mehr Fahrten damit, für die er vorher andere Verkehrsmittel benutzt habe. Fünfzig Prozent der Autowege im ländlichen Raum sind unter 5 Kilometer lang.
Folgt man Katja Diehl, dann hat das Auto uns dazu gebracht, die Welt aus seiner Perspektive zu sehen und die Welt nach seinen Bedürfnissen zu formen. Deswegen finden wir es nicht irritierend, wertvollen öffentlichen Platz in der Stadt als Lagerort privater Gegenstände zu nutzen. Sondern akzeptieren, dass jeder Parkplatz Raum in der Größe eines Kinderzimmers einnimmt. Auch das Landleben hat das Auto verändert. Weil alle das Auto zum großen Supermarkt nehmen, in dem man alles bekommt, müssen die kleinen Läden schließen und die Ortskerne veröden. Weil fast alle mit dem Auto unterwegs sind, fahren Busse fast leer und der Takt wird ausgedünnt.
Aber kann es Aufgabe von Einzelnen sein, dagegen anzuarbeiten? Müsste nicht die Politik den Rahmen setzen? Die Taktungen von öffentlichen Verkehrsmitteln erhöhen, Rufbusse einführen, Apps für Fahrgemeinschaften und mehr ländliche Carsharing-Angebote, Baugebiete ausweisen, die kompakt an Bahnhöfen liegen, statt zerfleddert auf den Äckern?
Natürlich gehe es immer um strukturelle Veränderungen, sagt Katja Diehl. Aber es brauche für solche Veränderungen auch Erzählungen davon, was möglich sei. Und was lebenswert.
Katja Diehl schaut mich an. Irgendwie, so klingt das, braucht es die Anti-Auto-Sekten, die Masochisten auf Klapprädern also doch, bis sich im Großen etwas ändert.
Und dann stellt Katja Diehl noch ihre Lieblingsfrage: „Wollen Sie Auto fahren oder müssen Sie?“
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