Bild von der Lesung in Bochum. Ich halte ein Mikro und lese aus meinem Buch.

Zu Gast in Bochum: Nachbericht zur Lesung. „Freiheit ist immer die Freiheit der Anderslenkenden“

Katja Diehl präsentierte in Bochum ihr Buch „Autokratie“ über die Autodependenz in Städten. Sie forderte mutige Schritte für die Mobilitätswende, lobte Paris und Kopenhagen als Vorbilder und kritisierte die gefährliche Radinfrastruktur in Bochum.

Auf Einladung von Radwende, VCD und Radwende war Katja Diehl Ende August in Bochum. Sie stellte vor 100 Menschen im GLS Bank Werkraum ihr neues Buch „Autokratie“ vor und gab Tipps für die Mobilitätswende auch in Bochum. Zuvor war sie in Begleitung von Bochumer Radler:innen durch die Innenstadt gefahren.

In ihrem Buch zeigt sie, wie abhängig viele deutsche Städte vom Auto sind. Es fehle den meisten Menschen eine Entscheidungsfreiheit auf ÖPNV oder Rad umzusteigen. Dabei gäbe es viele sehr konkrete, praxisnahe Ideen und Konzepte, um aus dieser Abhängigkeit zu entfliehen. Für ihr Buch hatte sie zahlreiche Expertinnen und Experten befragt, warum so wenig geschieht, obwohl das Wissen um eine zukunftsgerechte Mobilität uns allen zur Verfügung steht.

Um das zu ändern, so ihr Fazit aus den Gesprächen mit Expert:innen sollten die Aktiven für eine Mobilitätswende sich eine gewisse Radikalität erhalten. Es reiche nicht, ab und zu mit Entscheidern aus der Politik kurze Termine zu machen. Katja Diehl stellte heraus, dass Städte wie Kopenhagen, Amsterdam oder Paris lebenswerter und radfreundlicher geworden sind, weil Bürger:innen konsequent für sichere Straßen und lebenswerte Städte agiert hätten. Ein Beispiel dafür seien die Straßenblockaden von Eltern in Amsterdam nach dem Tod eines Mädchens in den 70er. Nur deswegen seien die Niederlande heute so ein vorbildliches Radland. Die niederländischen Eltern hätten emotionalisiert und vermittelt, dass Straßentod kein natürlicher Tod sei.

Gleichzeitig brauche es mutige Entscheider, die an einmal gefassten Konzepten festhielten. Ein Beispiel dafür sei Anne Hildago, die Bürgermeisterin von Paris. Diese habe Gegenwind für ihre konsequente Radförderung erhalten und sei dennoch genau dafür wiedergewählt worden. Einigen Bochumer Zuhörer:innen standen fast Tränen in den Augen, als Katja Diehl über die konkreter Maßnahmen berichtete. Flächendeckend gilt Tempo 30, 250 Mio Euro werde in den Umbau Plan Velo gesteckt, der u.a. bis 2026 180 km neue Zweirichtungsradwege und 120.000 sichere Radabstellplätze beinhaltet. 

Zu einer Mobilitätswende gehöre unbedingt auch eine ganzheitliche Betrachtung. Das bräuchte nicht nur den Ausbau von Radwegen, sondern auch wohnorte nahe Dienstleistungen in den Quartieren, ruhige Innenstadtviertel und eine Orientierung am Gemeinwohl. Wichtig dafür sei mehr Beteiligung z.B. durch Bürgerräte. Die von Autoverkehr Betroffenen in den Vierteln müssten entscheiden können.

In Bochum hatte sie bei ihrer kleinen Rundfahrt erlebt, wie gefährlich, schlaglochgepflastert und unfreundlich viele Radwege sind. Sie fragte in der Veranstaltung süffisant, ob es angesichts der kaputten Straßen bald ein SUV-Zwang in Bochum geben müsse. Besonders schockiert war sie vom extrem schmalen Radweg auf der Dorstener Straße. Dieser gehöre abgeschafft. Sie äußerte sich überrascht, wie wenig Radfahrer:innen an einem sommerlichen Tag am zentralen Kreuz vor dem Rathaus fuhren. Den Bochumer Aktiven machte dies deutlich, wie weit zurück Bochum und das Ruhrgebiet in der Mobilitätswende gegenüber praktisch allen deutschen Großstädten liegt. Aus Angst fahren viele nicht Rad. Katja Diehl gab den ungewöhnlichen Tipp, vielleicht könne es auch helfen, wenn alle Ratsmitglieder vier Wochen lang sich nur mit dem Rad bewegen dürften und dadurch die gefährlichen Realitäten endlich selbst erleben könnten.

Für ADFC, VCD und Radwende war es erfolgreicher und motivierender Abend, sich weiter für eine praktische Mobilitätswende einzusetzen.

Kontakt zum Artikel

Marek Nierychlo

Vorsitzender des ADFC Bochum

Kontakt: nierychlo [at] adfc-bo.de

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