Diese Folge entstand vor Corona, sie enthält aber umso mehr wichtige Denkanstöße und Lösungen, die gerade jetzt von Bedeutung sind. Es gilt, hier eine menschzentrierte und klimafreundliche Alternative zu schaffen, die allen erlaubt, mögliche dezentrale Aufgaben auch ohne Büropräsenz abzuleisten.
Tobias macht deutlich, wie klein der Coworking-Space-Markt aktuell noch ist. Nur zwei Prozent der Immobilien in Berlin sind diesem Bereich zuzuordnen. Beim St. Oberholz geht es immer vom Café aus, hier entsteht sozusagen die Keimzelle der Begegnung. Und wenn diese in Mitgliedschaften weiter ausgebaut wird, kommt es auch immer zur Community, auch wenn das nicht immer primäres Ziel der Kund:innen ist. Den Angestellten von St. Oberholz ist dieser Geist der Zusammenarbeit sehr wichtig. Es geht nicht um „Working-Spaces“, sondern um menschliche Begegnung und Inspiration.
Ganz wichtig ist den Inhaber:innen dabei auch die Raumgestaltung. Farben und Aufteilungen sind sehr bewusst gestaltet und schaffen in verschiedenen Räumen unterschiedliche Atmosphären. Die ersten, die kamen, waren natürlich StartUps und Freelancer:innen. Diese entscheiden selbst, dass sie kommen. Es gibt jedoch immer mehr Corporates, die Angestellte in die Räume von St. Oberholz „schicken“. Diese brauchen, so die Beobachtung von Tobias, etwas Hilfe, um die „alte Unternehmenskultur auszuschwitzen“ und sich zu akklimatisieren. Hier haben Menschen ganz unterschiedliche Bedürfnisse, bis hin zu Introvertierten, die Rückzugsorte benötigen.
Fest angestellte Personen erschrecken Tobias manchmal etwas. Diese sind am Anfang fast „genervt“, dass sie das Unternehmen verlassen mussten. Dabei machen die Angestellten vom St. Oberholz deutlich, dass es hier nur eine gewisse Art von Servicelevel geben kann. So ist es z. B. nicht denkbar, dass die dort arbeitenden Menschen als Servicepersonal missverstanden werden. Das kann durch fehlende Vorbereitung im externen Unternehmen geschehen, ist oft aber Zeichen für den Übergang in eine neue Arbeitsweise mit anderen Rollen. Der Status aus z. B. der Konzernwelt ist ad hoc weg und nicht mehr sichtbar. Hier zeigt sich dann sehr klar, welche Unternehmenskultur „mitgenommen wird“.
Frauen in Führungspositionen mögen das mobile Arbeiten sehr, weil sie sich auf die Arbeit und die Ergebnisse konzentrieren können, ohne die Spiele im Büro mitmachen zu müssen. Männer hingegen, die bei Tobias sich die Räumlichkeiten ansehen, fragen: Wie werde ich weiter Karriere machen, wenn mein Chef mich nicht sieht? Das zeigt für Tobias, wie sehr am Anfang noch der Kulturwandel ist.
Für Tobias ist die Diskussion von Homeoffice zu kurz. Es kann viele Orte jenseits des Büros geben, die geeignet sind, das mobile Arbeiten zu ermöglichen. Hier braucht es dezentrale Lösungen, die ggf. sogar Unternehmsgrenzen sprengen – auch vor dem Hintergrund des Fachkräftemangels. Gut ausgebildete Menschen wollen nicht mehr zwei Stunden am Tag im Auto sitzen. Mobiles Arbeiten muss aber auch eingefordert werden. Diese Option bedarf der transparenten Kommunikation von Führungskräften und Angestellten. Die beste Lösung ist individuell – nicht mit der Gießkanne zu finden.
Spannende Idee: St. Oberholz hat einen Platz in Brandenburg geöffnet, ohne das reine Coworkingkonzept gesamt umzusetzen. Aber das dortige Pop-Up-Café hat durch Wandertourist:innen und Besucher:innen manchmal mehr eingenommen als das St. Oberholz in Frankfurt/Oder. Aktuell fokussieren sich die Wachstumspläne von St. Oberholz auch auf mittlere Städte. In Kooperation mit hiesigen Banken werden Räumlichkeiten gesucht und entwickelt, um auch diesen Menschen solche Arbeitsformen zu eröffnen. Die Pendler:innen bleiben auf einmal vor Ort, sparen Wege und Zeit.
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