Black background with a quote in varying colors about limiting debate by Noam Chomsky. Black and white photo of an elderly man on the right.

Die Klimakrise als Sicherheitsrisiko darf in kriegerischen Zeiten nicht aus dem Blick geraten.

In Zeiten der Krise und Bedrohung ist es von essenzieller Bedeutung, nicht hektisch zu agieren, sondern mit Maß und Bedacht zu gestalten. Besonders in der heutigen geopolitischen Lage, in der Deutschland nicht nur auf die Aggressionen von Wladimir Putin und die Unberechenbarkeit Donald Trumps reagieren muss, stellt sich die Frage nach der richtigen Balance zwischen Dringlichkeit, Wichtigkeit und Gleichzeitigkeit. Rüstungsinvestitionen sind notwendig, um die Sicherheit des Landes zu gewährleisten, doch sie dürfen nicht auf Kosten der dringend benötigten sozial- und klimagerechten Verkehrswende erfolgen. Hierin liegt eine der zentralen Herausforderungen unserer Zeit: Wie kann Deutschland sich verteidigungsfähig machen, ohne dabei die Transformation seiner Industrie in eine nachhaltige Zukunft zu gefährden?

Gleichzeitigkeit, Dringlichkeit und Wichtigkeit – ein Spannungsfeld

Die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen erfordern oft, dass mehrere Herausforderungen gleichzeitig bewältigt werden. Dies führt zu einem Spannungsverhältnis zwischen Dringlichkeit und Wichtigkeit. Die Aufrüstung angesichts globaler Bedrohungen ist zweifellos dringend. Gleichzeitig ist es jedoch mindestens ebenso wichtig, den Verkehrssektor endlich auf Klimakurs zu bringen, da dieser seit Jahrzehnten seine Klimaziele verfehlt. Die CO2-Emissionen des Verkehrs stagnieren auf dem Niveau der 1990er Jahre – eine alarmierende Tatsache, die verdeutlicht, dass hier ebenfalls akuter Handlungsbedarf besteht. Es gilt, keine vorschnellen Maßnahmen zu ergreifen, die langfristig mehr Schaden als Nutzen verursachen.

Für mich persönlich hoch interessant:
Seitdem ich für die intersektionale Verkehrswende arbeite, habe ich zwei Dinge immer wieder gefragt:
Warum bauen wir in Werken der Auto- und Zulieferindustrie nicht Teile für Busse und Bahnen und warum skalieren wir nicht das so genannte Retrofitting, also den Umbau von fossilen Antrieben in Autos in elektrische.
Aktuell ist dies ein reines Nischenprodukt, weil es teuer ist, so vorzugehen.
Aber wir wissen ja:
Jede Skalierung senkt Kosten immens.

Auf beide Hinweise bekam ich nur Gespött und Herablassung, vor allem von Männern, die mir erklärten, dass dies unmöglich sei. 2025 hingegen ist es möglich, traditionsreiche Waggonwerke zur Panzerherstellung zu nutzen und Autowerke in Rüstungsfabriken umzubauen. Erstaunlich oder? Aber natürlich nicht unerklärlich – auch weil die Krise größer wurde, aber vor allem auch, weil sich mit Rüstung so viel mehr Geld verdienen lässt als mit einer guten Mobilität für alle. So stieg der Wert der Rheinmetall-Aktie an dem Tag, als die Milliarden Euro für Rüstung im Bundestag freigegeben wurden, um 130 Prozent. Ich habe hier zwei konkrete Beispiele mitgebracht, werde beleuchten, warum wir den Fokus nicht verlieren sollten, auch wenn Gleichzeitigkeit von Handlungen notwendig ist.

Der falsche Weg: Rüstungsproduktion auf Kosten der Verkehrswende

Ein besonders gravierendes Beispiel für eine mögliche Fehlentscheidung wäre u. a. die Umnutzung eines traditionsreichen Waggonwerks in Görlitz mit 175 Jahren Geschichte. Ein solcher Schritt würde nicht nur wertvolles Know-how in der klimafreundlichen Mobilität zerstören, sondern auch die ohnehin schleppende Verkehrswende weiter ausbremsen. Deutschland benötigt mehr denn je leistungsfähige Bahn- und Businfrastrukturen, um den CO2-Ausstoß zu reduzieren und Mobilität nachhaltiger zu gestalten. Dies gilt insbesondere angesichts der Tatsache, dass der Verkehrssektor bislang kaum Fortschritte bei der Reduktion von Treibhausgasen erzielt hat.

Ein weiteres Negativbeispiel wäre die Umwandlung von Autowerken in Rüstungsbetriebe. Dies wird aktuell vor allem an den Standorten von Volkswagen diskutiert, die im Rahmen von Sparmaßnahmen geschlossen werden sollen. Rheinmetall war hier in Osnabrück schon vor Ort, um diese Möglichkeiten zu eruieren – beide Seiten zeigten sich nach den Gesprächen offen für eine solche Umwidmung. Während Investitionen in die Verteidigung gerechtfertigt sein mögen, wäre es eine kurzsichtige Entscheidung, Fabriken, die für die Produktion klimafreundlicher Fahrzeuge umgerüstet werden könnten, stattdessen für die Herstellung von Kriegsgerät zu nutzen. Deutschland sollte sich darauf konzentrieren, bestehende industrielle Strukturen für den Bau von Bussen, Bahnen und anderen nachhaltigen Verkehrsmitteln zu verwenden, anstatt kurzfristige Rüstungsgewinne über langfristige ökologische und wirtschaftliche Stabilität zu stellen. Zumal im Fall des Falles diese Art von Infrastruktur auch kriegsentscheidend wäre – so bitter das auch klingt.

Die Klimakrise als Sicherheitsrisiko

Ein überhastetes Umschwenken von Industriebranchen auf die Rüstungsproduktion könnte langfristig ein weiteres Sicherheitsrisiko verstärken: die Klimakatastrophe. Die Erderwärmung stellt eine mindestens ebenso große Gefahr für die innere und äußere Sicherheit dar wie militärische Bedrohungen. Extremwetterereignisse, Dürren und Überschwemmungen destabilisieren jetzt schon ganze Regionen, verschärfen soziale Ungleichheiten und führen zu neuen Konflikten. Eine nachhaltige, krisenfeste Sicherheitsstrategie muss daher sowohl die militärische Verteidigungsfähigkeit als auch den Klimaschutz berücksichtigen. Auch, um das für die Politik leider so wichtige Migrationsthema zu kontrollieren. Denn Fluchtursachen basieren zunehmend auf Folgen der Klimakatastrophe.

Lernen aus Fehlern der Vergangenheit

Deutschland hat in der Vergangenheit bereits einmal den Fehler gemacht, strategisch wichtige Industrien vorschnell aufzugeben – bei den erneuerbaren Energien. Einst Marktführer im Bereich Solarenergie, wurde die Branche durch politische Fehlentscheidungen ausgebremst, was dazu führte, dass Deutschland seinen Spitzenplatz verlor und nun hinter China und anderen Nationen zurückliegt. Ein ähnlicher Fehler darf sich in der Verkehrswende nicht wiederholen. Die Umstellung auf klimafreundliche Mobilität ist nicht nur eine Frage der Umwelt, sondern auch eine Frage wirtschaftlicher und strategischer Souveränität.

Ein Masterplan statt hektischer Reaktionen

Angesichts dieser Herausforderungen ist es notwendig, mit einer langfristigen Perspektive und einem durchdachten Masterplan vorzugehen. Eine strategische Industriepolitik sollte folgende Elemente umfassen:

  1. Erhalt und Ausbau klimafreundlicher Verkehrsinfrastruktur: Die Produktion von Bahnen, Bussen und anderen emissionsarmen Verkehrsmitteln muss gefördert werden, anstatt Industriezweige in Richtung Rüstungsproduktion zu verschieben.
  2. Gezielte Rüstungspolitik ohne Kahlschlag in anderen Bereichen: Sicherheitsinteressen sind wichtig, doch sie dürfen nicht auf Kosten der sozial- und klimagerechten Transformation gehen.
  3. Förderung innovativer Technologien für nachhaltige Mobilität: Deutschland sollte gezielt in die Weiterentwicklung von neuen Mobilitätskonzepten investieren.
  4. Internationale Zusammenarbeit für eine nachhaltige Sicherheitsstrategie: Langfristige Sicherheit bedeutet nicht nur militärische Stärke, sondern auch die Bekämpfung der Ursachen von Krisen, etwa durch Klimaschutzmaßnahmen.

Bedacht statt Panik

Die geopolitischen Herausforderungen unserer Zeit erfordern entschlossene, aber kluge Reaktionen. Eine übereilte Umstellung industrieller Kapazitäten zugunsten der Rüstungsproduktion könnte langfristig mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen. Statt hektischer Entscheidungen braucht es eine durchdachte Strategie, die Sicherheit und Nachhaltigkeit in Einklang bringt. Nur so kann Deutschland sich verteidigungsfähig machen, ohne gleichzeitig seine Zukunftsfähigkeit zu gefährden. Die Verkehrswende muss trotz aller geopolitischen Krisen Priorität haben – denn auch die Klimakrise ist eine Bedrohung, die entschlossen bekämpft werden muss.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Dir gefällt, was ich tue?

Unterstütze mich gern! Du und ich: Wir sind ein Kollektiv!

Detailbeschreibung ausklappen

Ich freue mich sehr, wenn meine Arbeit dir Mehrwert bietet und du mich dabei unterstützen möchtest!

Um meine Projekte langfristig fortsetzen zu können, möchte ich mir ein Grundeinkommen sichern. Seit einiger Zeit habe ich ein unterstützendes Team um mich aufgebaut: Jemand kümmert sich um meine E-Mails, eine andere Person übernimmt meinen Instagram-Account, und ein weiterer Mensch mixt meinen Podcast ab. Auch mein Steuerberater und meine Rechnungsfee gehören dazu. Dieses Outsourcing entlastet mich enorm, bringt aber natürlich auch Kosten mit sich. Deshalb möchte ich im ersten Schritt diese Kosten decken und freue mich über jede Unterstützung.

Exklusive Inhalte und virtuelle Treffen

1 × wöchentlich schaue ich in den Rückspiegel: Wo stehen wir in der Mobilitätswende? Und gebe Abonnent:innen exklusive Inhalte.

Detailbeschreibung ausklappen

Für nur fünf Euro pro Monat erhältst du meinen wöchentlichen Steady-Newsletter. Es gibt auch weitere Pakete, die Gastzugänge oder größere Pakete für Unternehmen beinhalten, die bis zu 20 Zugänge für Mitarbeiter:innen oder Kolleg:innen bieten. Bei den größeren Paketen ist ein virtuelle