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Moderation auf der REBOOT2020 – „Better mobility“

Ich habe mich doch etwas gewundert, dass der German Council of Shopping Places mich anfragte, die Moderation eines Panels zu übernehmen. Denn mit Shopping kenne ich mich nicht aus. Als ich dann aber im weiteren Gespräch erfuhr, dass es nicht um den stationären Handel an sich, sondern um die Transformation von Mobilität und das Zusammenspiel mit Händler:innen vor Ort gehen sollte, fühlte ich mich gleich im Thema zuhause – und freute mich, dass auch solche Zielgruppe sich mittlerweile dezidiert mit dem urbanen Raum und seiner aktiven Gestaltung beschäftigen.

Ausgangsthese des Panels: „Wachsende Städte, zunehmender Verkehr und steigende Emissionswerte haben längst zu einem Umdenken in der Mobilität geführt. Neue Anbieter drängen auf den Markt – teilweise ergänzen sie das vorhandene Angebot, teilweise konkurrieren sie mit bestehenden Angeboten. Da ist es für Reisende gar nicht so einfach, den Überblick zu behalten. Kundenfreundliche Informations- und Buchungsangebote sind hier gefragt. Für die Planung entsprechender Strukturen ist der zu erwartende Bedarf ausschlaggebend.“

Dieser kann laut Thorsten Kies, als CEO von DILAX durch die Analyse von regionalen Bewegungsströmen in Kombination mit weiteren Daten ermittelt werden. Wie lokale Daten als Basis für neuen Mobilitätskonzepte dienen können, damit beschäftigt sich Kies schon mehrere Jahre.

„Unsere Sensoren zählen jeden Tag in mehr als 8200 Fahrzeugen und 2500 Stores rund 110 Millionen Menschen. Diese lokalen Daten geben Antworten. Wir transformieren sie in wertvolles Wissen, das die Planung und Umsetzung besserer Städte möglich macht.“

Die Qualität von Städten kommt nur durch eine hohe Qualität des hiesigen Nahverkehrs. Das hob Kies in seiner Keynote hervor. Er setze sich daher auch dafür ein, den Nahverkehr noch deutlich auszubauen und um digitale Lösungen zu ergänzen. Die Stadt Helsinki mache es vor, die mit regionalen und aktuellen Daten den Nahverkehr kundenzentriert gestaltet. Auch in Paris gehe man diesen Weg konsequent und gestalte ein Mammutprojekt: Für 35 Milliarden Euro entstehen in Paris sechs neue U-Bahn-Linien und 68 neue Bahnhöfe. Der „Grand Paris Express“ ist das derzeit größte Infrastrukturprojekt Europas. In Barcelona entsteht neben den Superblocks auch die längste U-Bahn Europas – auf der Länge von 47 Kilometern und mit Aufzügen, die mit den Zügen „sprechen“, um den Zu- und Ablauf zu den Fahrzeugen möglichst reibungslos zu gestalten.

„Die CES als Messe für digitale Lösungen wies mehr Autos auf als die altbekannten Motormessen. Das stimmt michnachdenklich, lösen Autos in unseren Städten doch kein einziges Problem. Der Nahverkehr ist sehr viel seltener in den Nachrichten, dabei ist er schon jetzt sehr viel effizienter als der PKW.“

Um zu verdeutlichen, wie wichtig hier auch die Rolle von Verkehrsunternehmen ist, brachte er in seinem Impulsvortrag fünf Kernthesen auf, die wir im Anschluss diskutierten:

#These 1: Lokale Daten verändern den ÖPNV
#These 2: Lokale Daten müssen Open Data sein
#These 3: Der ÖPNV hat viele lokale Daten. Er sollte sie nutzen.
#These 4: Der ÖPNV-Ausbau ist Stadtentwicklung – mit lokalen Daten.
#These 5: Mit der werden Städte wieder lebenswerte Orte.

Als nächsten Impulsgeber begrüßte ich Dr. Stefan Carsten, Zukunftsforscher und Stadtgeograf, auf der Bühne. Er kombiniert in seiner Arbeit die Themenfelder Zukunft, Stadt und Mobilität. Der Berliner Familienvater beschäftigt sich schon seit Jahrzehnten mit der Beratung von Städten wie Zürich und Unternehmen wie der Daimler AG, um die Zukunft der Mobilität zu gestalten. Bei seinem  Lehrauftrag hat er Smart City Solutions im Fokus, ist aber als Mitglied der Expertenkommission des Bundesinnenministerium auch zum Thema Potenziale von Kleinstädten in peripheren Lagen aktiv. Nicht nur durch seine internationalen Reisen kennt er damit alle Ansprüche, die in unterschiedlichen Regionen an Mobilität bestehen. Klares Statement zur Frage nach der immer noch mangelhaft ausgearbeiteten digitalen Utopie:

Es gibt sie nicht, weil die Prinzipien digitaler Vernetzung elementaren sozialen, ethischen und sogar technischen Prinzipien zuwiderlaufen. Trotzdem gibt es Chancen und Optionen, durch geeignete Daten und Informationen, Mobilitäts- und Verkehrsverhalten zu beeinflussen. Zukunft kann nicht gewusst, sie kann aber gestaltet werden.

Dabei ist auch er Kritiker des Autos im Sinne von Innovationshemmung, habe sich die Automobilität doch seit Jahrzehnten nicht maßgeblich geändert. Und werde es auch nicht, indem PKW autonom und elektrisch fahren. Ihn interessiert vielmehr die Entdeckung der Gehwege. Das so genannte „curbside Management“, die Wiederentdeckung von Stadtraum auch als monetären Wert. Carsten sieht nicht DIE eine Zukunft, aber viele Chancen, sie zu gestalten. Vor allem in der Vernetzung von Verkehrsträgern, da für ihn die „Smart City“ ohne Mobilität nicht denkbar ist. Diese nachhaltig zu gestalten, setze jedoch große Verhaltensänderungen voraus.

„Ich sehe die Stadt als Treiber dieser Entwicklung. Im positiven Sinne als neues Mobilitätsregime. Vororte können so zu neuen Mobilitätszentren werden und neue Städte entstehen lassen. Denn auch, wenn wir es in Europa noch nicht so stark nicht merken: Der Trend der Urbanisierung kommt auch zu uns.“

Den Abschluss mit einem Innenblick in die Verkehrsunternehmen in Sachen Digitalisierung bot Friederike Lauruschkus. Ein lustiger Zufall, da civity Management consultants zugleich auch Kunden von mir sind. Die Welt jener, die die Mobilität verändern, ist manchmal auch angenehm klein. Friederike ist Wirtschaftswissenschaftlerin und Philosophin und berät öffentliche Unternehmen in strategischen und organisatorischen Fragen. Bei der aktuellen „matters-Studie“ >Eine Frage der Unternehmenskultur< befragte sie 50 Führungskräfte in 18 kommunalen Verkehrsunternehmen nach ihrer Einschätzung zur Fähigkeit der Digitalisierung ihrer Unternehmen.

„Als Haupthindernis der Digitalisierung hat sich bei der Studie die Unternehmenskultur herausgestellt. Die Kompetenz, kontinuierlich dazuzulernen, und die Bereitschaft, sich auf Veränderungen einzulassen, sind wichtige Voraussetzungen dafür.“

In Deutschland herrscht eine Harmoniekultur, die sich auch in Verkehrsunternehmen widerspiegelt. So habe die Studie gezeigt, dass nur 14 Prozent der Mitarbeiter:innen an Innovationen und Digitalisierung beteiligt seien. Nur 22 Prozent gaben an, dass Konflikte im Unternehmen offen angesprochen werden. 31 Prozent betrachten in ihrer Firma das selbstständige Arbeiten als umgesetzt. Zukünftig entscheide sich nicht nur in Verkehrsunternehmen die Zukunftsfähigkeit auch an der Bereitschaft, Fach- und Führungskarrieren endlich zu trennen. Eine gute Fachkraft sei eben nicht immer eine gute Führungskraft und umgekehrt. Es müsse neu gedacht werden – digital eben.

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