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Ein Jahr She Drives Mobility – Kommunikation und Beratung

>She Drives Mobility – Kommunikation und Beratung<. Es ist soeben ein Jahr alt – mein neues Leben. Das ich nur noch in Lifebalance lebe. Endlich so, wie es mir und eben auch „den anderen“ gefällt. Ich habe das gemacht, was alle >Karriere< nennen. Habe viel Geld verdient, war mit Menschen mit hohem Statusdenken und -anspruch beruflich tätig, hätte Dienstwagen fahren können und Unmengen an Dienstreisen, habe Ehrenämter ausgeübt, um auch andere Dinge voranzubringen. Es war sicher nicht immer ein komisches Gefühl, aber eines, das in den letzten Jahren wuchs: „Passt das zu mir? Ist das das Umfeld, in das ich passe?“ Denn es bedarf beider Seiten, damit eine Beziehung toll ist, beide Beteiligten wachsen und einander in Offenheit und Wertschätzung auch in schlechten Zeiten begegnen. Und manche Beziehung gerät eben auch an ein Ende. So war das bei mir. Ganz ohne Vorwürfe, sondern einfach als Feststellung: All das, was ich tue, passt nicht in das herkömmliche Konzept der Erwerbstätigkeit. Ich habe innegehalten und nachgedacht. Und war mir schnell sicher: In der Mobilität am Wandel mitzuarbeiten, DAS soll mein Zentrum bleiben. Aber nicht mehr in Vollzeit, sondern mit Flexibilität für all das, was mich sonst noch umtreibt.

So ging ich per Twitter auf die Suche – und bekam für mich überraschend: Sehr viel Resonanz und Unterstützung. Solche Momente im Leben, wo man aktiv reflektiert, WIE groß das Netzwerk ist, in dem man sich bewegt, ist selten. Denn es ist so: Das wirkliche Netzwerke ist vor allem auch dann zu erkennen, wenn ICH mal Hilfe brauche. Das habe ich zuvor anderen immer zukommen lassen. Nicht aus einem Excel-Denken heraus, dass tabellarisch aufgerechnet wird, wer mir was bringt. Sondern aus der Freude heraus, helfen zu können. Ob mit Jobangeboten, Vernetzungen oder anderweitiger Unterstützung. Und als nun ich mal um Tipps bat, kam jede Menge Tolles zurück. Ich arbeite jetzt ein Jahr in Teilzeit bei door2door in Berlin, weil ich davon überzeugt bin, dass der Mobilitätswandel nur durch Transformation des ÖPNV gelingen wird. Da Autos eben nicht so viel Menschen befördern können. Zugleich habe ich mein eigenes Business aufgebaut. Erst die Webseite, dann der Blog, dann Podcast und Keynotes und Moderationen. Es war ein fantastischer Ritt durch alle Höhen und Tiefen. Dessen erste Lernerfolge ich gern teilen möchte. Denn ich habe mir gesagt: Ein Jahr ist zum Lernen da. Alles mitnehmen und ausprobieren. Denn aus einer Konzernkarriere kommend ist es natürlich eine völlig neue Welt der Selbstorganisation und der Neudefinition von Selbst-Wert.

  1. Spring erst, wenn du bereit dafür bist. In der Nachschau gesehen, habe ich mehrere Jahre benötigt, um anzuerkennen, dass das Korsett Konzern nicht zu mir passt. Ich brauchte aber diese Zeit, um noch zu wachsen und mir meiner sicherer zu werden. Ich hätte auch früher aussteigen können, aber vielleicht hätte mich dann dieses erste Jahr noch mehr Kraft gekostet, als es das nun getan hat. Und ich wäre weit mehr über meine Grenzen gegangen. Daher ist es wichtig, dass du mit dir im Einklang bist, dieses Schritt zu gehen, und dich nicht zu ihm treiben zu lassen.
  2. Finde Dein Thema – aber schließe nicht aus, was rundherum auch geschieht. Mein Thema ist definitiv der Mobilitätswandel. Es geht so einfach nicht weiter. Aber diesen Wandel erreichen wir meiner Meinung nach nicht ohne Diversität und neue Arbeitsformen, so dass diese beiden Themen in meinem ersten Jahr auch viel Aufträge generiert haben. Zum einen, weil es Fragen aufwirft, wie der Wandel anzugehen ist, um anderen, weil gerade das Nichttechnische an mein Herangehen an Mobilität für Diskussionen sorgt.
  3. Und damit zum nächsten, damit zusammenhängenden Punkt: Wenn du deutlich einen Standpunkt vertrittst, verscheuchst du auch Menschen. Denn nicht JedeR mag Standpunkte. Mir wird meine Haltung oft als „polarisierend“ und zu „krass“ vorgeworfen. Ich habe das zunächst hinterfragt, weil ich diese Worte negativ empfand. Ich habe aber verstanden, dass es schlicht meine Heltung ist, die schon in der Lage ist, zu provozieren. Eben auch, weil ich deutlich sage: Gerade unsere Autonutzung und das Verhältnis von Menschen im Stadtraum muss sich ändern. Denn für Änderung der Mobilität sind viele, wenn es aber um „Verzicht“ geht, wird es schwierig.
  4. Verkaufe dich nie unter Wert. Weder monetär noch funktional. Bei mir hieß das, auf Angebote freundlich, aber abweisend zu reagieren, die hohen Aufwand ohne Einkommen bedeutet hätten. Es ist unglaublich, WER alles anfragt, dass ich kostenlos etwas für sein oder ihr Unternehmen tun soll. Teilweise waren es SEHR renommierte und etablierte Konzerne, die so agierten. Was mich sehr geschockt hat. Denn die Arbeit von Freelancern ist etwas Wert.
  5. Damit kommen wir auch schon zum nächsten Punkt: Definiere die pro-bono Aktivitäten, die du machen möchtest vorab. Ich bin schnell zu begeistern und neugierig. Das hat im ersten Jahr meiner neuen Konstellation zu viel zu viel Aktion geführt. Ich mache einen Podcast, bin im Bundesvorstand des Verkehrsclub Deutschland, habe den Women in Mobility Hub in Hamburg gegründet, bin Mentorin bei MentorMe, helfe der Bürgerstiftung beim Jugendlichen-Projekt Yoldas, war zu Gast in der Wandelbar in Thüringen, wo Jugendliche einen Forderungskatalog für die Bundesregierung entwickelten, Jurorin im YES!-Wettbewerb undundund – schon die Aufzählung zeigt: DAS war zuviel. Und muss justiert werden. Für 2020 stehen meine pro bono-Aktivitäten fest. Und die Zahl der Ausnahmen auch 🙂
  6. Netzwerke, was das Zeug hält. Damit meine ich nicht (nur), auf große Konferenzen zu gehen, sondern auch auf kleinere Formate, Mittagsdates wahrnehmen, auf Dienstreisen mal zu schauen, ob da nicht jemand in der Stadt wohnt, den du treffen könntest. Es sind die kleinen, absichtslosen Begegnungen, die voran bringen. Netzwerken „um Geschäft willen“ mag ich nicht, aber durch Netzwerken Geschäftsideen entwickeln sehr wohl. Denn diese entstehen automatisch, wenn die richtigen Menschen sich austauschen.
  7. Suche deine Kanäle. Ich habe 2019 WhatsApp gelöscht und werde auch bei Facebook verschwinden. Diese Art der Kommunikation ist einfach nicht (mehr) meine. Vor allem Facebook finde ich enorm anstrengend zu pflegen. Mein Nukleus ist meine Webseite, die ich recht „clean“ gestalten ließ (danke Sascha!), weil ich überbordende Seiten furchtbar finde. Hier findet sich alles, was ich vertieft darstellen möchte. Denn oft werde ich auf meinem anderen Lieblingskanal Twitter auf die wenigen Zeichen reduziert, die hier möglich sind. Was zu kurz greift. Hier kann ich dann aber schnell passende Artikel meines Blogs verlinken, um umfänglichere Darstellung zu erreichen. Zu Twitter: Vor einem Jahr hatte ich 567.000 Impressions, für den laufenden November sind es jetzt bereits 2,77 Millionen. Und ja: Über Twitter generiere ich auch Aufträge, weil meine Statements auffallen. Aber wie gesagt: Such du dir deinen Kanal. Sonst wird die Pflege zur Qual.
  8. Mache dich auf Neider:innen und schlechte Ratgeber:innen gefasst. In dem Moment, wo du nicht mehr so richtig in eine Schublade passt, wird es anstrengend. Nicht für dich, weil du dir ja deiner sicher bist. Aber für die anderen, die sich bewusst oder unbewusst mit dir vergleichen. Es hat mich fast überwältigt, wie SEHR sich Menschen mit meinem Werdegang beschäftigen. Wieviel Zweifel mir entgegengebracht wurden. Ob das ein Modell auf Dauer sei? Ob die Pendelei nicht zuviel wäre? Ob ich Kund:innen finden werde? Manchmal – an schwachen Tagen – hat mir das ziemlich zugesetzt. Vor allem auch das Negativ, das von Frauen mir entgegenkam. Ich dachte naiv, es müsse doch Jede sehen, dass ich „das hier“ für uns alle mache. Naja. Auch hier habe ich viel gelernt.
  9. Bleib bei dir. Dann wird es gut. Wenn du deine Marke aufbaust, kannst du letztlich nur auf dich hören. Da du eins mir ihr werden wirst. Mich hat das beizeiten viel Kraft gekostet. Andere Menschen sagten mir: „Das ist so. Du bist jetzt eine öffentliche Person. Das bedeutet auch, dass sich keineR die Mühe macht, dich ganzheitlich zu beurteilen. Es geht um Statements und Momente.“ Stimmt. Ist so. Und hier hilft dann eben auch das „bei sich sein“, das zuvor aufgebaut wurde. Denn bei allem Gezerre und Gewackel wusste ich (fast) immer, wo und wofür ich stehe.
  10. HAB SPASS!!! Und gönne dir Pausen. Das Erste funktioniert wie von selbst, das zweite ist enorm wichtig und zugleich schwierig. Denn es stimmt schon. Selbst und ständig. Aber das darf nicht sein. Ich versuche, den Sonntag offline und möglichst ohne Treffen zu verbringen. Es braucht fester Verabredungen mit dir selbst. Sonst kommst du zu kurz. Und dafür machen wir uns ja nicht selbstständig 🙂
    Ich hoffe, dass meine kleinen Anregungen anregend sind. Ich freue mich über JedeN, der/die/d den Weg findet, der passt. Was waren deine Erfahrung mit der Neujustierung deines beruflichen Profils? Denkst du vielleicht grad darüber nach? Oder war das vielleicht sogar NIE Thema für dich? Bin auf Geschichten gespannt, aus denen ich lernen kann!

Ich glaube sehr stark daran, dass wir immer mehr zu einer guten Flexibilität finden. Eine Milliarde Überstunden in Deutschland im ersten Halbjahr zeigt, dass noch viel schief läuft und Arbeit schlecht verteilt ist. Darin liegt neben anderen Details, viel Potenzial zur Verbesserung.

3 Gedanken zu „Ein Jahr She Drives Mobility – Kommunikation und Beratung“

  1. Danke für die Aufschlüsselung und eine Menge wahre Worte! Ich bin das Projekt „eigene Marke“ langsamer angegangen und nicht sofort so steil durchgestartet – aber auch da gilt „jeder so wie es gut tut“, denke ich. Anfang 2015 habe ich einen Blog gestartet. Ende 2015 dann zu einer Firma gewechselt die mir DAAD Gefühl gibt dass ich etwas beitrage, die mich unterstützt und wo ich von Kollegen immer noch irre viel lerne. Ab 2016 dann Konferenzauftritte und mir nach und nach einen Namen in meiner community gemacht und vielleicht auch etwas Bewusstsein für meine kleine Nische darin geschaffen. Den Namen nutze ich ein wenig für einen guten Zweck – mehr Diversität – aber sonst hat sich in den letzten zwei Jahren eher weniger getan. So langsam kristallisiert sich für mich heraus wohin die Reise gehen soll, aber so ganz bin ich noch nicht bereit für den nächsten großen Schritt in die Selbständigkeit. Es gibt noch so viel zu lernen!

    1. Lieber Arne, danke für deine ausführliche Antwort. Ich glaube, sooo weit liegen wir gar nicht auseinander 🙂
      Auch ich habe natürlich nicht erst vor einem Jahr begonnen, „mehr wie ich“ zu sein. Im Gegenteil. Ich habe es in den Anstellungen, die ich zum Teil sogar in leitender Funktion (Abteilungsleitung) hatte, mehr und mehr versucht, mich auch als „Marke“ für das Unternehmen zu platzieren. Das wurde extern begrüßt und intern eher kritisch gesehen. Nicht bei der „Basis“, aber bei der Leitung. So bin ich dann irgendwann an den Punkt gekommen, dass ich loslassen muss, um bei mir bleiben zu können. Die Fahrt, die es dann aufgenommen hat, war auch für mich überraschend. Aber es zeigt: Die Zeit ist reif für Menschen, die bei sich sind und kompetent ihre Arbeit tun. Du bist da schon sehr viel weiter als viele andere. Glückwunsch zu deinem Mut!

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