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Wie ich mal versuchte, zwischen den Fronten im Mobilitätswandel zu vermitteln

Wer mich kennt weißt, dass ich nicht nur beruflich von Beginn an Kommunikation liebe – on- wie offline – sondern auch einen großen Hebel für den Mobilitätswandel zum Besseren darin sehe, Menschen mit unterschiedlichen Blickwinkeln, Meinungen und jeweiliger Agenda zuzuhören. Ich finde es nicht nur aus meinem journalistischen Herz heraus spannend, wie Menschen auf Mobilität blicken, was sie denken, wenn sie das Wort hören (die meisten denken dabei immer noch sofort an das Auto) – ich bin auch der festen Überzeugung, dass wir den Wandel nur gestalten können, wenn wir die Bedürfnisse jener Kund:innen kennen, die heute noch im privaten Auto sitzen. Denn diese sind unsere größte Zielgruppe für etablierte und neue nachhaltige Angebote. Und deren Bedürfnisse kennt vielleicht die Autoindustrie. Da gibt es Sehnsüchte und Emotionen, die sich eben nicht nur SUV-Freundlichkeit im Absatz ausdrücken, sondern auch in anderen Verbrennerfahrzeugen.

Immer mehr versuche ich vor allem bei Twitter – ja, ich weiß, von diesem Kanal kann frau in Sachen gepflegter Umgang nicht viel erwarten – einen Schritt zurückzutreten, wenn ich merke: Da ist jemand so ganz anderer Meinung als ich. Es gelingt mir beileibe nicht immer, aber ich habe mir angewöhnt, meine Reaktionen auf bestimmte Statements zu hinterfragen. Die Menschen auch direkt anzusprechen – zum Beispiel, warum sie der Meinung sind, auch weiterhin in der Stadt ein Auto besitzen und parken zu dürfen, obwohl sie es nachweislich kaum nutzen. Und damit Raum beanspruchen, der allen gehören sollte, ihnen aber kostenlos zur Verfügung steht. Ich bin auch neugierig auf die Wege, die die Autoindustrie finden will, um sich dem Wandel zu stellen. Jahrzehntelang hat es genügt, das Auto mit neuen Features auszustatten, ohne am grundsätzlichen Konzept etwas zu ändern. Und nur durch die massiven Proteste und gesellschaftliches wie politisches Umdenken wurde der Tanker Autoindustrie zur Bewegung in andere Richtungen gebracht. Ich verdamme das Auto nicht, nur die Art, wie wir es nutzen. Vor allem in der Stadt.

Mobilitätswandel ist für mich ein See, in dessen Mitte ein Stein fällt und konzentrische Kreise zieht.

Die Mitte ist der urbane Raum, das Ufer sind ländliche Gegenden, die aktuell keinerlei nutzbare Verbindung zum Nah- oder Fernverkehr haben. Daher wird auch zunächst die Mobilität in der Stadt autofrei – überall sonst brauchen wir ein immer stärker einsetzendes Entwöhnungsprogramm vom privaten PKW. Durch gute Alternativen. Solange es benötigt, diese Alternativen aufzubauen, solange wird es das Auto in der ÖPNV-Ödnis noch geben.

Als fürchterlich, weil konfrontativ und ohne Wunsch nach Diskurs empfand ich daher auch die Tonalität der Debatte, die Menschen „aus meiner „Bubble“ führten, nachdem ein SUV-Fahrer in Berlin bei einem Unfall mehrere Menschen tötete. Es ist für mich, und dabei bleibe ich, in einer solchen Situation nicht angebracht, grell zu reagieren. Wer das tut, macht das auf den Schultern und dem Unglück der Betroffenen, die sich nicht entscheiden können, ob sie so „missbraucht“ werden wollen. Das äußerte ich, regte an, stattdessen ganzheitlich auf das Thema Stadtraum und die Exklusivität, die der PKW hier noch zu Unrecht genießt, zu schauen – und wurde verbal verprügelt. Als Autofan bezeichnet, als jemand, der sich verweigere anzuerkennen, dass so ein Unfall ausschließlich darauf zurückzuführen sei, dass die Masse des PKW zu groß sei etc.. Alles einzeln für sich valide Hinweise, die sich aber für die „Gegenseite“ wie z. B. der Autoindustrie für eine Diskussion diskreditieren, weil sie beleidigen, unflätig formuliert wurden und mich persönlich diffamierten. So öffnen wir keine Türen für Diskurs, so drehen wir eher noch den Schlüssel um. Zudem: Was wäre gewesen, wenn der Unfall von einem Oldtimer-Bulli mit Surffans ausgegangen wäre – oder einem Kleinbus auf dem Weg zur Schule? Wäre der Aufschrei ähnlich schrill gewesen? Ich behaupte: Nein. Obwohl auch diese Fälle zeigen würden, dass Stadtraum neu gedacht werden muss, solange sich zu viele unterschiedlich schwache Verkehrsarten (aka. vor allem auch Menschen ohne eigenes Auto) denselben Straßenraum teilen müssen.

Ähnliches Verhalten erreichte mich wenig später, als ich rund um die Proteste und geplanten Blockaden zur IAA anmerkte, dass diese Messe leider auch das alte Bild zeige: Die Verherrlichung einer Gottheit Namens Auto. Und damit nicht den Wandel, in der sich die Industrie (doch angeblich) schon so deutlich befindet. Und den ich immer wieder postuliere, wenn sie zu harsch kritisiert wird. Daraufhin reagierte wiederum die Autoblase empfindlich, es gäbe schließlich auch eine >new mobility world<, wer sich mit der IAA beschäftige, würde sehen, WAS alles für den Wandel schon in der Branche geschieht. Als ich darauf verwies, dass mich nur Bilder von SUVs aggressiv arrangiert und noch breiter als zuvor erreichten und man vielleicht darauf achten könne, eben gerade auch die >new mobility< zu inszenieren, wurde mir gesagt: Das sei nunmal eine Automobilmesse und meine Anmerkungen doch sehr seltsam.

Merken wir noch was?

Jede „Front“ signalisiert Gesprächsbereitschaft. Wir reden viel und sagen gar nix. Und vor allem: Wir hören jenen nicht zu, die anderer Meinung sind. Sondern versuchen, zu überreden, bei den eigenen Argumenten verharrend – letztendlich „siegt“, wer lauter ist!? Für mich waren das die anstrengendsten Tage seit langem und ich werde diese Mittlerinnenrolle so schnell nicht mehr einnehmen. Was für mich ein bitteres Fazit ist. Weil ich mit der Idee gescheitert bin, Menschen zueinander zu führen. Sich offline auszutauschen. Als Menschen kennenzulernen. Und ja: Eben auch zuzuhören. Hinzuhören.

Aufzunehmen, was das Gegenüber bewegt und zu versuchen, sich zumindest hineinzufühlen. Mir nehmen die perfektesten Sicherheitssysteme in modernen Autos zum Beispiel nicht das Gefühl von Gefahr, das ich empfinde, wenn ich als Fußgängerin und Radfahrende neben einem solchen Gefährt an der Ampel stehe. Wenn ich versuche, in eine Straße einzubiegen, aber nichts sehe, weil die PKW mittlerweile so hoch sind, dass ich sie nicht überschauen kann. Andersrum kenne ich viele Menschen in den Autokonzernen, die an einer besseren Automobilität arbeiten. Die selbst anerkennen, dass in urbanen Räumen bald keine privaten PKW mehr fahren sollten. Dieser Idee schenkt wiederum niemand in „meiner Bubble“ der alternativen Mobilität Glaube.

Wie geht es Ihnen mit solchen Konflikten verhärteter Fronten? Stellen Sie sich diesen? Haben Sie das schon mal versucht? Oder ist das Ihrer Meinung nach eh „vergebene Liebesmüh“?

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